Überblick
Die zerrissenen Löwen: Führung bei TSV 1860 ist gespalten
13. Februar 2023, 18:41 Uhr aktualisiert am 13. Februar 2023, 18:41 Uhr
München - Die Gesichter der Profis des TSV 1860 sprechen derzeit Bände. Die Blicke zeugen von Niedergeschlagenheit, Frust, Enttäuschung, ja bisweilen Ratlosigkeit. Fundamentale Eigenschaften einer Mannschaft funktionieren nicht, obwohl es nicht an Potenzial mangelt. "In der Theorie können wir es, aber bringen es überhaupt nicht auf den Platz", sagte Kapitän Stefan Lex nach der ernüchternden 1:2-Pleite von Meppen.
Ein Grund: Das Team, so scheint es, ist kein Team. Nach AZ-Infos geht ein Riss durch die Mannschaft, der entlang der Michael-Köllner-Befürworter verläuft. Die Spieler, die mit dem Ex-Trainer gut konnten, sind von den anderen isoliert. Es sei, heißt es, untereinander ein Vertrauensverlust in die Kabine eingezogen. Das reinigende Gewitter habe auch die von Sportchef und Interimstrainer Günther Gorenzel forcierte, einstündige Aussprache am Sonntag nicht gebracht, in der die Profis ihre Meinung zur misslichen Lage kundtun sollten. Gorenzels Maßnahme: Er strich für diese Woche die trainingsfreien Tage.
Keiner hätte im frühen Herbst 2022 erwartet, was im späten Winter 2023 an Fehlentwicklungen zu beobachten ist. Der Verein, der doch größer als jeder Einzelne sein soll, leidet unter den Handlungen einiger weniger, die offenbar ihre eigene Agenda über das Wohl des Ganzen stellen.
Beispiele zeigen die Wochen rund um die Köllner-Trennung. Ob der Coach zu spät oder zu früh freigestellt wurde - es gibt beide Löwen-Sichtweisen - der Klub steht sich selbst aufgrund seiner Konstruktion im Weg.
Die sportlichen Personalentscheidungen in erster Linie Gorenzel anzulasten, greift viel zu kurz. Auch wenn er längst nicht frei von Fehlern und keine Idealbesetzung an der Seitenlinie ist, der Österreicher arbeitet zumindest intensiv und nach bestem Willen. Dass derart der Wurm drin ist, sind vielmehr die Spätfolgen der letzten Phase der Ära Köllner, so sehen das jedenfalls einige im Verein. Es habe schon länger an der nötigen Trainingsintensität gemangelt, die Blauen könnten in Phasen, wo es gefordert sei, nichts zusetzen.
"Wir müssen uns um einiges steigern, dass wir da wieder zusammen rauskommen", formulierte Raphael Holzhauser treffend. Das Wie ist allerdings ein Problem.
Holzhauser appellierte, sich nicht auf die Umstände der Blamage im Emsland zu versteifen. Auch wenn Marcel Bär früh einen Elfmeter hätte bekommen, ein Meppener kurz vor der Pause die Gelb-Rote Karte sehen können, die beiden Pfostenschüsse dazukamen und Jesper Verlaats Kopfball am Ende, der womöglich hinter der Torlinie abgewehrt wurde, findet der Winterzugang: "Wir dürfen die Schuld nicht bei anderen suchen, das ist der falsche Weg. Jeder einzelne Spieler, jeder im Team muss auf sich schauen."
Es liegt auf der Hand, dass der 29-Jährige mit seinen Fähigkeiten noch mehr spielerischen Einfluss nehmen sollte. In den ersten 45 Minuten in Meppen war Holzhausers enorme fußballerische Qualität zu erkennen, danach folgte eine taktische Veränderung, nach der er nicht mehr so gut zur Geltung kam.
Yannick Deichmann ist ein Spielertyp, der jene Wucht mitbringt, die dem Löwen-Rudel eine wohltuende Dimension verleiht. Der Hamburger verkörpert die Wehrhaftigkeit, die anderen sichtlich abgeht. Die jüngsten Gegner, noch prekärer unterwegs, haben 1860 mit solchen Attributen aus der Bahn geworfen. "Wir müssen", betonte Lex, "irgendwie die Köpfe hochbringen." Und wieder eine Einheit werden.