Daniel Brands über sein Karriereende als Profi
"Einen Sieg gegen Federer haben nicht viele geschafft"
4. Dezember 2019, 10:15 Uhr aktualisiert am 4. Dezember 2019, 11:07 Uhr
Daniel Brands spricht im Interview über sein Karriereende als Tennisprofi, die Highlights seiner Laufbahn, "nette" Profis und seine Zukunft.
Der in Deggendorf geborene und in Bogen lebende Tennisspieler Daniel Brands (32) hat im Sommer seine Profikarriere beendet. Im ausführlichen idowa-Interview blickt er auf diese Entscheidung und seine Karriere zurück. Außerdem erklärt er, warum er den Sport nun wieder mehr genießen kann und was seine Zukunftspläne sind.
Herr Brands, im Sommer haben Sie Ihre Karriere beendet. Was waren die Gründe dafür?
Daniel Brands: Die Überlegungen dazu haben schon früher begonnen. Ende 2017 habe ich mich am Knie operieren lassen, weil der Innenmeniskus angerissen war. In dieser Phase habe ich schon nicht mehr so gut gespielt. Ich habe mir damals gesagt, dass ich mir zwei Jahre Zeit gebe, um wieder auf das Niveau zu kommen, auf das ich will. Das hieß: Ich wollte zurück in die Top 100. Ich habe mir gesagt: Schaffe ich das nicht, werde ich mit 32 Jahren aufhören.
Will man den Sport nicht so lange professionell ausüben wie möglich?
Brands: Es ist schon auch ein schwieriger Beruf. Man ist ständig unterwegs, ist nicht viel zu Hause. Natürlich ist es einerseits auch ein schönes Leben. Ich habe viel gelernt und die Zeit als Profi hat mich sicher auch zu dem gemacht, der ich heute bin. Aber es gibt auch Phasen, die sind sehr anstrengend und nicht schön. Da ich vom Ziel Top 100 doch ein Stück weg war, habe ich dann die Entscheidung getroffen. Mir war auch wichtig, dass Wimbledon mein letztes Turnier ist, denn dort habe ich 2010 meinen größten Erfolg gefeiert.
Hat es bei der Entscheidung geholfen, dass die Überlegungen schon über ein Jahr angedauert hatten, Sie sich gedanklich also schon darauf vorbereiten konnten?
Brands: Ich glaube schon. Denn so ein Entschluss ist nie einfach. Mein Leben hat sich eigentlich immer nur um Tennis gedreht. Danach beginnt etwas komplett Neues, die Routinen der letzten 20 Jahre ändern sich. Das ist nicht so einfach.
Wen haben Sie in Ihre Entscheidung mit einbezogen?
Brands: Die Leute, die mir wichtig sind. Meine Freundin, meine Familie - die kennen mich am besten. Es hilft, wenn man Feedback bekommt. Bin ich wirklich auf dem richtigen Weg oder sollte ich mir nochmal Gedanken machen? Letztlich muss die Entscheidung der Betreffende aber immer selbst treffen. Es ist wichtig, dass man mit sich im Reinen ist und das bin ich.
Das Leben als Tennisprofi ist eng getaktet. Wie war es, als Sie plötzlich keinen festen Terminplan mehr hatten?
Brands: (schmunzelt) Das war schon ungewohnt. Wenn man etwas fast 20 Jahre so intensiv betreibt, gewöhnt man sich stark daran. Wenn sich das dann schlagartig ändert, ist es schon eine riesengroße Umstellung. Aber es ist mir ganz gut gelungen. Ich hatte nie das Gefühl, damit nicht klarzukommen. Am Anfang hat man viel Zeit, die man füllen muss. Ich habe angefangen, einen Trainerschein beim Deutschen Tennis-Bund zu machen. Dann halte ich mich fit, denn man kann nach einer Profikarriere ja nicht einfach aufhören, sondern muss abtrainieren. Dazu spiele ich immer noch regelmäßig Tennis, nur nicht mehr als Profi. Aber ich verbringe schon noch viel Zeit mit dem Schläger auf dem Platz.
Macht der Sport wieder mehr Spaß, ohne das Profileben und ohne den Druck?
Brands: Ja, definitiv. Man spürt es anders, es ist ein anderes Gefühl. Ohne den finanziellen Druck, ohne den Erfolgsdruck. Es ist befreiender auf dem Platz zu stehen. Es ist nicht wahnsinnig entscheidend, wie das nächste Match ausgeht. Das soll nicht heißen, dass es als Profi sehr schwierig war. Aber es gibt schon Phasen, in denen du den Druck spürst. Jetzt gerade genieße ich den Sport einfach.
Juckt es Sie nicht, wenn Sie nun die Spiele der Profis im Fernsehen verfolgen?
Brands: Jein. Klar, wenn man die großen Spiele sieht, dann juckt es schon ein bisschen. Im Endeffekt bin ich aber froh, dass ich da nicht mehr so viel Energie reinstecken muss. In 15 Jahren als Profi hat man wenige Pausen. Jetzt genieße ich es einfach, mich auch mal mit anderen Sachen zu beschäftigen. Die Tennis-Saison dauert von Januar bis November, dann hat man zwei, drei Wochen frei, ehe die Vorbereitung schon wieder losgeht. Den großen Reisestress werde ich sicher nicht vermissen. Was mir schon fehlen wird sind die Emotionen auf dem Platz und Spiele auf den großen Plätzen vor vielen Zuschauern.
Wie nutzen Sie denn die freie Zeit?
Brands: Ich bin wieder öfter zu Hause in Bogen. Dazu war ich schon immer gerne in den Bergen. Auch während der Karriere habe ich das immer wieder geschafft. Regelmäßig oder einfach mal spontan ging das aber nicht. Das konnte ich diesen Sommer mehr machen. Das tut gut, in den Bergen fühle ich mich wohl, da kann ich runterkommen.
Wenn Sie heute auf die Karriere zurückblicken: Sind Sie zufrieden mit dem, was Sie erreicht haben?
Brands: Natürlich bin ich zufrieden. Wenn mir das davor jemand gesagt hätte, dass die Karriere so verläuft, dann hätte ich das nicht geglaubt. Es gibt wenig, was ich im Nachhinein bereue. Ich habe bei den größten Turnieren und gegen die größten Spieler gespielt. Das macht einen stolz und sind Erlebnisse, die einem keiner mehr nehmen kann. Ich glaube, dass noch ein Tick mehr drin gewesen wäre. Aber es macht keinen Sinn, sich da im Nachhinein Gedanken zu machen. Ich würde fast alles wieder so machen. Schade finde ich nur, dass ich leider nicht die Chance hatte, bei Olympischen Spielen dabei zu sein. Das hätte ich gerne erlebt.
Welcher Tick hat denn gefehlt, um vielleicht noch ein bisschen mehr rauszuholen?
Brands: Zum einen spielte sicher das Pfeiffersche Drüsenfieber eine Rolle, das ich im Frühjahr 2014 bekommen habe. Also genau nach meinem besten Jahr. Das hat mich zurückgeworfen. Man kann sich fragen, was wäre wenn? Vielleicht wäre es dann noch weiter nach oben gegangen, vielleicht auch nicht. Aber Verletzungen und Krankheiten gehören dazu. Im Profibereich wird der Körper regelmäßig überbelastet und dann sagt der Körper eben auch einmal, wenn es zu viel ist. Ein weiterer Punkt ist sicher, dass ich es nicht geschafft habe, Konstanz in mein Spiel zu bringen. Das ist mir 2013 gelungen, dass ich von Januar bis November auf einem Niveau durchgespielt habe - aber davor und danach nicht mehr.
Woran lag das Ihrer Meinung nach?
Brands: Ich weiß nicht, ob man das erklären kann. Ich bin von Haus aus keiner, der vor Selbstbewusstsein strotzt. Das musste ich immer wieder aufbauen und mir erarbeiten. Ich weiß nicht, wie das bei anderen Spielern ist. Vielleicht fällt das denen leichter.
Zahlen und Ranglisten sind das eine, das Gefühl das andere. Wie weit waren Sie gefühlt von der absoluten Weltspitze entfernt?
Brands: Es war schon ein großer Unterschied. Ich hatte das Glück, dass ich gegen die Großen wie Roger Federer und Rafael Nadal spielen durfte. Wenn man die Leistungen und Ergebnisse in den direkten Duellen nimmt, war ich nicht so weit weg. Gegen Federer habe ich einmal gewonnen und einmal verloren. Auch gegen Nadal war es eng. Da waren es nur ein paar Prozentpunkte Unterschied. Aber wenn man sieht, was solche Spieler über ein ganzes Jahr leisten, wie konstant sie agieren, dann ist der Unterschied schon nicht so klein.
Sie sprechen die Spiele gegen Federer und Nadal an. Diese dürften sicher zu Ihren Karrierehighlights gehören, oder?
Brands: Klar, die kommen auch an erster Stelle, vor allem mein Sieg gegen Federer. Das ist etwas, das haben noch nicht so viele Tennisspieler geschafft. Das war sicher etwas ganz Besonderes, das werde ich nicht mehr vergessen. Auch die drei Einsätze fürs Davis-Cup-Team waren schön. Es ist immer toll, für Deutschland zu spielen. Leider habe ich keinen ATP-Titel gewonnen. Aber 2010 das Achtelfinale von Wimbledon zu erreichen war auch ein sehr großer Erfolg. Das zählt zu den größten Turnieren der Welt und ich war unter den letzten 16 dabei.
Hat sich der Tennissport im Laufe Ihrer Karriere verändert?
Brands: Auf jeden Fall. Es wird schneller gespielt, die Spieler sind fitter. Es gibt keinen mehr, der große Defizite hat. Auch die Beläge haben sich geändert, sind langsamer geworden.
In einem Artikel zu Ihrem Karriereende wurden sie als "einer der nettesten Profis auf der ATP-Tour" bezeichnet. Nett und Profisport - passt das denn überhaupt zusammen?
Brands: (schmunzelt) Es hätte mir vielleicht das eine oder andere Mal geholfen, wenn ich nicht ganz so nett gewesen wäre. Aber es gibt viele nette Profis, auch in der Spitze. Federer und Nadal sind auch nett und sie sind wahrscheinlich die besten Spieler, die das Tennis je gesehen hat. Aber klar, es kann schon ein Vorteil sein, wenn man ein bisschen abgezockter ist. Aber es ist schwer zu ändern, das ist dann einfach der Charakter.
Nehmen Sie aus der Zeit eine echte Freundschaft mit?
Brands: Ja, da gibt es aber wenige. Eine Freundschaft verbindet mich mit Matthias Bachinger. Ihn kenne ich schon über 20 Jahre, wir haben als 12-Jährige schon auf Jugendturnieren gegeneinander gespielt. Wenn man so oft zusammenkommt, zusammen reist und Zeit verbringt, dann entwickelt sich schon eine Freundschaft.
Was nehmen Sie ansonsten aus der Karriere für sich persönlich mit?
Brands: Einiges. Eine so lange Zeit prägt einfach. Ich wurde früh ins kalte Wasser geworfen. Mit 17, 18 Jahren reist man plötzlich durch die ganze Welt. Das ist schon auch etwas Besonderes. Man hat das Privileg, viel zu reisen, viele Länder, Städte und Kulturen zu erleben. Auch der stetige Wettkampf prägt einen.
Hat man auf den Reisen denn überhaupt die Möglichkeit, sich um Kultur und Stadt zu kümmern?
Brands: Es ist leider wirklich so, dass man dafür nicht viel Zeit hat, obwohl man viel rumkommt. Es ist ja trotzdem ein Beruf, den man ausübt, man verbringt viel Zeit im Hotel oder auf der Anlage. Aber es gibt doch immer wieder auch Tage, an denen man sich um anderes kümmern kann. Das ist auch wichtig, um auf andere Gedanken zu kommen.
Nun ist die Profikarriere vorbei. Wie geht es für Sie weiter?
Brands: Da bin ich noch in der Findungsphase. Ich kann mir sehr gut vorstellen, im Tennis zu bleiben. Das war bis jetzt mein Leben und es würde schon Sinn machen, im Tennis weiter eine Rolle einzunehmen. Da kenne ich mich gut aus, habe viel durchgemacht und Erfahrungen gesammelt. Das würde ich gerne weitergeben. Im nächsten Jahr werde ich noch eine Ausbildung zum Personaltrainer machen, denn auch den Fitnessbereich finde ich sehr interessant. Dann werde ich schauen, was mir noch Spaß machen könnte. Aber es ist schon ziemlich wahrscheinlich, dass ich im Tennisbereich bleibe.
Was würden Sie dem jungen Daniel Brands zum Beginn seiner Karriere heute raten?
Brands: Ich würde ihm sagen, dass es wichtig ist, hart und diszipliniert zu arbeiten. Das habe ich aber auch damals schon gemacht. Dazu würde ich ihm mit auf den Weg geben, dass man nicht immer nur an Tennis denken soll. Es gibt auch ein Leben außerhalb des Tenniszirkus', das darf man auch nicht vernachlässigen.