AZ-Interview
Frank Wörndl: "Felix fehlt vielleicht die Kaltschnäuzigkeit"
19. Januar 2019, 10:28 Uhr aktualisiert am 19. Januar 2019, 10:28 Uhr
In der AZ spricht Ex-Weltmeister Frank Wörndl über Neureuthers Probleme nach seinem Comeback, die Pechsträhne des deutschen Teams und Dominator Marcel Hirscher: "Der ist wirklich unfassbar."
Der heute 59-jährige Frank Wörndl wurde 1987 Weltmeister im Slalom. 1988 holte er Olympia-Silber.
AZ: Herr Wörndl, Felix Neureuther hat seinen Fans vergangenen Sonntag beim Slalom in Adelboden mit nachdenklichen Sätzen einen Schrecken eingejagt. "Will mir mein Körper was sagen?", fragte er sich selbst, "nach dem Motto: Kollege, jetzt ist mal gut so?" Über die bevorstehende WM meinte er: "Vielleicht ist das ein schöner Abschluss." Denkt er tatsächlich ans Aufhören?
FRANK WÖRNDL: Schwer zu sagen. Ich sehe es so: Sein Teamkollege Stefan Luitz ist nach dem Kreuzbandriss gleich wieder brutalst gut gefahren - der Felix nicht. Heilungsprozesse sind natürlich unterschiedlich, aber der Felix ist ein sensibler Mensch. Wenn man von so einer Verletzung zurückkommt, braucht man, um ganz schnell wieder da zu sein, eine gewisse Kaltschnäuzigkeit, die der Felix vielleicht nicht so ganz hat. Hinzu kommt, dass er älter ist und viele Verletzungen hatte. Wie gut funktioniert sein Körper noch? Das weiß nur er. Das wird er nicht sagen. Dann kommt der gebrochene Daumen dazu, die Gehirnerschütterung, die Verpflichtungen der Familie gegenüber...
Es kommt also so einiges zusammen.
Es kommt ganz schön dicke, speziell in einer Zeit, wo du von einer Verletzung zurückkommst und den Fokus ausschließlich auf dein Comeback richten solltest. Man muss aber auch sagen: Der Felix hat verdammt schnelle Schwünge, zum Beispiel in Adelboden in der Vertikalen. Aber 70 Schwünge auf diesem Niveau durchzuziehen, so weit ist er noch nicht. Fragt sich, ob das jetzt eine mentale oder körperliche Geschichte ist. Aber ich sehe da noch überhaupt nicht schwarz, er hat ja in Madonna di Campiglio keine schlechte Zeit gefahren, in Zagreb ebenso. Er ist also schnell, nicht weit weg von der Spitze.
"Alle orientieren sich am Fahrstil von Marcel Hirscher"
Aber er ist es halt auch nicht gewohnt, ohne groben Schnitzer im ersten Durchgang nur auf Platz 27 zu landen - so wie in Adelboden.
Das ist tatsächlich das Neue. Es kommen Junge nach. Ein Andre Myhrer (Slalom-Olympiasieger 2018, d.Red.) hat sich in Madonna di Campiglio nicht mal für den zweiten Durchgang qualifizieren können - und das ohne Fehler im ersten Lauf! Wer nur mit 80 Prozent fährt, zu dem ist dieser Sport einfach gnadenlos. Das ist eine neue Ausgangsposition für Felix, wenn du sonst immer unter den Top 5 auftauchst. Das ist zu verkraften und im Kopf wieder neu zu lernen. Hinzu kommt, dass sich der Slalom seit letztem Jahr weiterentwickelt hat - und dieses Jahr fehlt dem Felix jetzt.
Inwiefern?
Alle orientieren sich am Fahrstil von Marcel Hirscher und fahren die Tore noch höher an als sonst. Bei Marco Schwarz sieht man das, auch bei David Yule. Die fahren anders als die Oldies wie zum Beispiel Jean-Baptiste Grange. Auch Felix hat das erkannt und versucht eine andere Linie.
Das DSV-Team ist heuer generell vom Pech verfolgt: Kreuzbandrisse bei Thomas Dreßen und Andreas Sander, der aberkannte Sieg von Stefan Luitz, dann die ausgekugelte Schulter, die Verletzungsserie von Neureuther...
Das ist alles so glücklos. Diese Pechsträhne muss endlich mal aufhören! Der Dopfer Fritz ist derzeit total von der Rolle, der Straßer Linus ist auch weg vom Fenster. Die kämpfen momentan mit stumpfen Waffen.
Und dann sieht man diesen unfassbaren Marcel Hirscher! Das wird ja immer schlimmer mit dem!
Der ist wirklich unfassbar. Manchmal kommt es mir vor, als würde er im ersten Durchgang mit Fleiß ein bisserl langsamer fahren - weil er weiß: Wenn im zweiten Durchgang die Piste schlecht ist für alle, die um den Sieg fahren, dann ist er von allen mit Abstand der Stärkste.
"Da haben die das Flutlicht schon ausgeschaltet, bis ich im Ziel bin"
Ist das auch eine Frage der Kraft? Henrik Kristoffersen musste sich nach dem Riesenslalom im Ziel erst mal hinsetzen zum Ausschnaufen.
Körperlich ist Hirscher besser beinand, ist der bulligere Typ. Seit er den Auracher Martin im Team hat, ist er noch stärker geworden.
Der Physiotherapeut vom Schliersee, der auch Neureuther seit Jahren behandelt und durchknetet?
Genau der. Den hat Hirscher nun fest engagiert - als Spezialisten für die Zeiten zwischen den Rennen, für alles, was die Erholung des Athletenkörpers anbelangt, Stichwort Regeneration.
Zum Regenerieren bleibt in der Tat wenig Zeit. Vor der WM stehen noch die Slaloms in Wengen (Sonntag, 10.15 Uhr), Kitzbühel, Schladming und Garmisch-Partenkirchen an. Sagt ein Neureuther danach wirklich Goodbye?
Machen Sie sich mal keine Sorgen! Und schauen Sie sich den Julien Lizeroux an! Der fährt mit seinen 39 Jahren auch nur noch zum Spaß - und jetzt auch wieder sehr, sehr schnell. Aber was der Felix dann macht: Ich weiß es nicht. Und wenn er aufhört? Dann kommt vielleicht der Nächste nach!
Vielleicht gibt ja auch der Wörndl sein Comeback!
Das ist nur im Kopf denkbar. Da haben die das Flutlicht schon ausgeschaltet, bis ich im Ziel bin.