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Maria Höfl-Riesch: "Vor der WM einen Weltcup zu gewinnen, ist Fluch und Segen"

Ski-Ikone Maria Höfl-Riesch traut den deutschen Aushängeschildern Lena Dürr und Linus Straßer bei der Ski-WM einiges zu. In der AZ spricht sie auch über eine Wundertüte - und den Streit in der Szene.


Von Thomas Becker

AZ-Interview mit Maria Höfl-Riesch: Die deutsche Ski-Ikone (38) war drei Mal Olympiasiegerin und zwei Mal Weltmeisterin, 2014 beendete sie ihre illustre Karriere.

AZ: Frau Höfl-Riesch, die letzte WM vor zwei Jahren in Cortina d'Ampezzo geriet aus deutscher Sicht mit vier Medaillen überraschend gut. Wie schätzen Sie die Chancen für den DSV heuer in Courchevel/Meribel ein? Was trauen Sie denn Ihrem Nachbarn Linus Straßer zu, der ja ein Dorf neben Kitzbühel in Kirchberg lebt?

MARIA HÖFL-RIESCH: Nach der überraschend guten WM in Cortina ist die Erwartungshaltung nun sicher schon ein bisschen höher - was aber natürlich keine Garantie dafür ist, dass es dann auch so klappt. So wie Linus und auch Lena Dürr sich von der Form her präsentieren, ist da viel möglich, und ich drücke ihnen natürlich alle Daumen, dass sie ihre gute Form in die WM mitnehmen und um die Medaillen mitreden können.

Sie kennen beide noch aus Ihrer eigenen aktiven Zeit als Skifahrerin. Sowohl Straßer als auch Dürr galten früh als große Talente, mussten aber nach ein paar Erfolgen schnell die Mühen der Ebene kennenlernen, und das über viele Jahre hinweg.

Nach den ersten Erfolgen fehlte leider die Konstanz, und man dachte: ‚Das kommt dann schon.' Es kam aber viele Jahre lang nicht. Umso schöner, dass es nun doch noch geklappt hat: besser spät als nie. Ich denke, Linus wird schon noch ein paar Jahre fahren, Lena wahrscheinlich nicht mehr allzu lange. Dass ihr nun im Herbst der Karriere noch der Durchbruch gelungen, das ist schon klasse.

Aber erklären kann man das nicht, oder?

Ich bin ja seit neun Jahren nicht mehr dabei, aber es gab in der Zeit wohl schon so einige Veränderungen. Sie hat sozusagen einen Tritt in den Hintern bekommen, musste für eine Weile ihr Training selbst finanzieren, nicht als Strafe, sondern als zusätzliche Motivation. Wenn du in einem Team bist, in dem der interne Druck und der Konkurrenzkampf fehlen und sich so eine Wohlfühlblase bildet und keiner dir den Startplatz streitig macht, dann geht der Zug verloren, ganz unbewusst. Die Norweger und jetzt auch die Schweizer pushen sich ständig gegenseitig, müssen sich auch im Training noch mal zehn Prozent mehr reinhauen. Da entsteht kein Wohlfühltrott. Bei Lena geht es seit etwa drei Jahren bergauf, step by step, und seit vergangenem Jahr ist sie endgültig in der Weltspitze angekommen.

Nach dem ersten Weltcupsieg hat sie nun allerdings eine recht lange Wettkampfpause, da der Slalom ja traditionell am letzten WM-Wochenende stattfindet.

Vor der WM einen Weltcup zu gewinnen, ist Fluch und Segen zugleich. Der Erwartungsdruck ist ungleich höher, andererseits gibt ihr der Sieg sicher ein riesen Selbstvertrauen. Sie weiß, sie ist in einer Super-Form, das Material passt, und sie wirkt sehr locker und entspannt. Die Zeichen stehen gut.

Außer Dürr hat im Slalom auch Emma Aicher aufgezeigt, die nun auch in den Speed-Disziplinen startet - eine gute Idee?

Sie hatte vergangenes Jahr bei der Junioren-WM einen starken Auftritt, hat vier Mal Silber gewonnen, auch in der Abfahrt und offenbar sehr gute Anlagen zum Speed-Fahren. Aber sie ist erst 19! Sie hat jedenfalls ein riesengroßes Potenzial, darf sich möglichst nicht verletzen und muss dieses Vier-Disziplinen-Programm, das sie offenbar anstrebt, erst mal stemmen, körperlich als auch mental. Das ist schon intensiv.

Kira Weidle wird froh sein, wenn sie in den Speed-Disziplinen
Gesellschaft bekommt.

Im Super-G hat Kira einen Schritt nach vorne gemacht, in der Abfahrt stand sie eh zuletzt auf dem Podium. Die Strecke in Meribel könnte ihr liegen. Die Dichte im Frauen-Speed ist nicht ganz so hoch. Klar sind da Sofia Goggia, Lara Gut und Corinne Suter, aber in der Abfahrt gehört Kira definitiv zu den fünf, sechs Top-Anwärterinnen auf eine Medaille.

Wenn wir über Medaillen sprechen, war es das wahrscheinlich schon aus DSV-Sicht, oder?

Bei den Männern im Speed weiß man nie! Vor zwei Jahren hätte auch niemand gedacht, dass Romed Baumann und Andreas Sander zu Silber fahren. Zuletzt waren die beiden auch wieder vorn dabei. Die Abfahrtsmannschaft ist ein bisschen eine Wundertüte: An einem guten Tag ist da schon eine Überraschung drin.

Wie schätzen Sie die Situation von Thomas Dreßen ein? Der Speed-Spezialist klang nach den Kitzbühel-Rennen schon ganz schön nachdenklich, was seine weitere Karriere angeht.

Der hat schon wirklich eine harte Verletzungsserie hinter sich. Ich war auch mal zwei Jahre lang komplett raus - das Jahr danach ist einfach schwierig. Dafür, dass er so lange weg war, hat er eh schon wieder ganz gute Rennen gezeigt. Ich würde ihm wünschen, dass er einen langen Atem behält. Aber Grundvoraussetzung ist natürlich, dass körperlich alles geht. Ich hoffe, dass sich das bei ihm stabilisiert. Aber wenn dir der Körper an jedem Tag das Leben schwermacht. . . Auf dem Niveau musst du einfach alle sieben Sachen beieinanderhaben. Wenn du permanent nur am Kämpfen bist, dass dir nichts wehtut, wie willst du da noch Gas geben?

Ein Blick noch auf den Weltskiverband FIS: Es wird die erste WM unter dem extrem streitbaren Präsidenten Johan Eliasch sein. Sie kennen ihn ja aus Ihrer Zeit als Athletin, oder?

Ich habe ihn eigentlich schon immer als guten Typen wahrgenommen, aber es hat jetzt sicher viele überrascht, dass er so ganz radikale Pläne hat. Er hat sich mit vielen überworfen, es gibt nun sogar eine Allianz aus Deutschen, Schweizern und Österreichern, die sich gegen ihn verbündet haben. Der Zwist, der da gerade herrscht, ist einfach nur kontraproduktiv. Da braucht es nun Lösungen im Sinne des Sports.