Ex-NFL-Profi
Sebastian Vollmer: "Tom Brady ist absolut besessen"
23. Januar 2021, 11:58 Uhr aktualisiert am 23. Januar 2021, 12:31 Uhr
Der Football-Star Tom Brady ist auf dem Weg zum siebten Titel: Im Interview erklärt sein ehemaliger Teamkollege Sebastian Vollmer, was die Quaterback-Legende so stark macht und welcher Deutsche ihn beeindruckt.
Herr Vollmer, die NFL-Saison neigt sich langsam dem Ende zu, es geht in großen Schritten Richtung Super Bowl. Wie fällt Ihr Fazit zu dieser außergewöhnlichen Corona-Saison aus?
Sebastian Vollmer: Ich hatte anfangs meine Zweifel, dass die NFL das so ordentlich hinbekommt. Es gab zwar ein paar Teams, bei denen Trainings und Spiele coronabedingt ausfallen mussten, aber für die Masse an Menschen, die an der ganzen Liga mitwirken, lief alles relativ sauber ab. Da hat die NFL schon einen guten Job gemacht.
Tom Brady ordnet alles dem Sport unter
Mit den Green Bay Packers, den Tampa Bay Buccaneers, den Kansas City Chiefs und den Buffalo Bills sind noch vier Teams im Rennen um den Titel. Ihr Favorit?
Vollmer: Einfach weil es eine schöne Geschichte wäre und weil ich selbst mit ihm befreundet bin, würde ich es schön finden, wenn Tom Brady mit seinem neuen Team aus Tampa Bay im Super Bowl, der in Tampa Bay stattfindet, spielen würde. Wenn aber Patrick Mahomes spielen kann - er hatte sich ja vergangene Woche verletzt - dann denke ich, dass die Chiefs das stärkste Team sind und sich am Ende durchsetzen werden.
Tom Brady hat im Alter von 43 Jahren die Chance, seinen siebten Super-Bowl-Titel zu holen. Was macht ihn so stark?
Vollmer: Er hat vielleicht das Talent, das es so in dieser Sportart noch nicht gegeben hat und vermutlich auch nie wieder geben wird. Er ist absolut besessen, sein Bestes zu geben. Er ordnet alles dem Sport unter. Er sagt auch: Wenn du mich schlagen willst, musst du gewillt sein, alles aufzugeben. Familie, bestimmtes Essen, Schlaf...
Vollmer über jahrelangen Teamkollegen Brady: "Er ist ein herzensguter Mensch"
Sie haben selbst jahrelang mit Tom Brady zusammengespielt. Wie tickt er denn privat?
Vollmer: Er ist ein herzensguter Mensch. Er will das Beste für seine Mitmenschen und, dass es ihnen gut geht. Als ich mein Buch geschrieben habe, habe ich ihn angerufen. Eine Stunde später hat er mir ein Vorwort geschrieben, fast eine Seite lang. Mitten in der Saisonvorbereitung. Für seine Freunde macht er alles.
Am Sonntag trifft er mit den "Bucs" auf die Packers und Aaron Rodgers, der wohl den MVP-Titel holen wird. Stellt sich dann heraus, wer die Nummer eins ist?
Vollmer: Ich sag mal so: Zumindest hat der amtierende MVP noch nie den Super Bowl gewonnen. Demnach hätte Brady statistisch gesehen, die besseren Chancen. (schmunzelt) Der große Unterschied zwischen den beiden ist die Titel-Ausbeute. Tom könnte jetzt zum zehnten Mal im Super Bowl spielen. Das muss man sich mal vorstellen, wie bescheuert das eigentlich ist. Großartige Spieler macht es aus, dass sie in solchen Momenten wie im Super Bowl oder den Playoffs abliefern. Es ist immer Geschmackssache, wen jeder Einzelne als Nummer eins ansieht. Für mich ist Tom Brady ganz oben, aber ich habe mit ihm gespielt und er ist ein Freund von mir, deshalb fällt es mir schwer, einen fairen Vergleich zu ziehen.
Chance bei erster Super-Bowl-Teilnahme vergeben
Mit Equanimeous St. Brown von den Packers ist auch ein deutscher Spieler noch im Rennen um den Super Bowl. Was trauen Sie ihm zu?
Vollmer: Ich habe ihn vor anderhalb Jahren in Deutschland für ein Interview getroffen. Da hat er damals schon gesagt, dass er ein Top-Receiver sein kann und auch wird. Das glaube ich auch. Er hat das absolute Talent, er ist hervorragend im Routen laufen und er hat perfekte physische Voraussetzungen. Deshalb denke ich, dass er eine große Zukunft hat und er sich noch weiterentwickeln wird. Ich hoffe aber auch, dass da noch mehr kommen wird als "nur" ein Touchdown. Die Packers haben eine gute Chance, den Super-Bowl zu gewinnen. Wenn es noch einen deutschen Gewinner gibt, wäre das traumhaft für den Sport und natürlich auch für ihn.
Sprechen wir über Ihre Karriere. Sie waren vor Ihrem ersten Super-Bowl-Sieg bereits 2012 im Finale und haben da verloren. Wie schwer war es damals für Sie, sich nach dieser Niederlage neu zu motivieren?
Vollmer: Das Erste, was mir durch den Kopf gegangen ist, war: Du hast die letzten sechs Wochen verschwendet. Alle Teams, die es nicht in die Playoffs geschafft haben, konnten sich schon früher auf die nächste Saison vorbereiten als ich. Die Plätze zwei, drei, und vier interessieren am Ende einfach niemanden. Und dann war da natürlich noch die große Enttäuschung und die Frage, ob man es noch einmal dorthin schafft. Wenn man die Chance bei seiner ersten Super-Bowl-Teilnahme vergibt, ist das schon deprimierend. Aber die Motivation war dann nach einer Woche auch wieder da.
Die letzten Minuten vor Vollmers Super-Bowl-Sieg
2014 hat es dann mit dem Super-Bowl-Gewinn für Sie geklappt. Es war ein enges Spiel, in dem die Seahawks kurz vor Schluss noch die Möglichkeit hatten, selbst in Führung zu gehen, allerdings kurz vor der Endzone einen Fehlpass warfen. Wie sah es in den letzten Minuten des Spiels in Ihrem Kopf aus?
Vollmer: Du beobachtest nicht das Spielgeschehen, sondern gehst schon davon aus, dass du die Seahawks punkten, du also zurückliegen wirst und dann nochmal reagieren musst. Nach der Interception haben wir auf der Seitenlinie nur den Jubel gehört und dann hat es ein paar Sekunden gedauert, bis du einordnen kannst, was passiert ist. Der Super-Bowl-Gewinn ist das Höchste, was du als Football-Spieler erreichen kannst und wenn du da angekommen bist, kannst du es fast nicht glauben.
Neben den Erfolgen war Ihre Karriere geprägt von Verletzungen. War es das rückblickend wert, die Gesundheit für den Sport aufs Spiel zu setzen?
Vollmer: Wenn ich eine Entscheidung treffe, kann ich nicht zehn Jahre später sagen, dass sie falsch war. Der Sport hat mir ein Leben ermöglicht, das ich damals als Gymnasiast nicht für möglich gehalten hätte. Ich habe meine Frau am College kennengelernt, habe drei Kinder und lebe am Strand. Klar, man hat einen Preis gezahlt, aber am Ende hat es sich auf jeden Fall gelohnt.
Sebastian Vollmers Wünsche für 2021
2017 haben Sie Ihre Karriere beendet. Sie sind als Experte bei DAZN tätig und haben einen eigenen Podcast. Wie sieht Ihr Alltag im Moment sonst so aus?
Vollmer: Ich entwickle hier ein völlig anderes Business. Ich baue und verkaufe Häuser am Strand, das beansprucht schon viel Zeit.
Was wünschen Sie sich nach dem turbulenten Jahr 2020 für das Jahr 2021?
Vollmer: Corona könnte gerne wieder verschwinden. (schmunzelt) Ich glaube, ich spreche für alle, wenn ich sage, dass das Virus allen leid ist. Ich kann zum Beispiel zusammen mit meinen Kindern nicht meine Eltern besuchen. Das ist natürlich ein kleines Übel, verglichen mit Menschen, die gesundheitlich mit dem Virus zu kämpfen haben. Aber ich hoffe, dass wir bald wieder ein Stück weit unser altes Leben zurückbekommen.