Tarife
Bahn-Gewerkschaft will 12 Prozent mehr Geld
7. Februar 2023, 14:50 Uhr aktualisiert am 8. Februar 2023, 9:00 Uhr
Die Bürger müssen sich im Bahnverkehr wie auch in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens in diesem Frühjahr auf einige Einschränkungen einstellen: In der Bahnbranche und im öffentlichen Dienst stehen Tarifverhandlungen an - frühe Warnstreiks nicht ausgeschlossen.
Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) stellte am Dienstag ihre Forderungen vor, mit denen sie ab Ende Februar in die Verhandlung mit der Deutschen Bahn und 50 weiteren Bahnunternehmen gehen will. Sollte es in der ersten Runde kein Angebot geben, will die EVG schnell entsprechend reagieren. EVG-Chef Martin Burkert hatte schon in den Tagen zuvor ein "sehr hitziges Frühjahr" in Aussicht gestellt.
Die EVG will für die Bahn-Beschäftigten mindestens 650 Euro mehr im Monat durchsetzen. Die Tarifkommissionen der Gewerkschaft beschloss am Dienstag in Fulda den Mindestbetrag, um die unteren Gehälter überproportional anzuheben. Bei den höheren Entgelten will die Gewerkschaft eigenen Angaben zufolge eine Steigerung um 12 Prozent erreichen. Für die Nachwuchskräfte fordert die EVG 325 Euro. Die Laufzeit soll zwölf Monate betragen.
"Das sind die Forderungen, die für alle 50 Unternehmen gelten", sagte EVG-Verhandlungsführerin Cosima Ingenschay am Dienstag. "Angesichts enorm gestiegener Energie- und Lebenshaltungskosten muss die Lohnerhöhung deutlich ausfallen. Das haben unsere Mitglieder immer wieder sehr eindrücklich erklärt."
Mit ihren Vorstellungen liegt die EVG oberhalb der Forderung, die Verdi für den öffentlichen Dienst beim Bund und den Kommunen erhebt. Hier stehen 10,5 Prozent, mindestens aber 500 Euro auf dem Zettel.
Die EVG machte am Dienstag deutlich, dass sie Warnstreiks früh in Betracht zieht. "Die Frage wird sich das erste Mal Ende März stellen, da sind wir mit allen Unternehmen einmal durch", sagte ein Gewerkschaftssprecher. Verhandlungsauftakt ist am 28. Februar mit der Deutschen Bahn in Fulda. Danach soll der Reihe nach mit allen weiteren Unternehmen verhandelt werden.
"Eine Verhandlungsrunde dauert ja relativ lange", betonte Ingenschay. "Deshalb haben wir definitiv keine Zeit für Tariffolklore und wollen direkt zu Beginn, bei den Auftakttarifverhandlungen, ein Angebot sehen." Sollte dieses ausbleiben, werde es "ganz schnell gehen", sagte EVG-Tarifvorstand Kristian Loroch mit Blick auf mögliche Warnstreik-Aktionen.
Dabei will sich die EVG eng mit Verdi abstimmen. Auch im öffentlichen Dienst wollen beide Seiten voraussichtlich bis Ende März über die Einkommen von rund 2,5 Millionen Beschäftigten verhandeln. Sollte es keine Einigung geben, dürfte es auch dort zu Aktionen kommen. Betroffen sind unter anderem Müllabfuhr, öffentlicher Nahverkehr, Kitas und Feuerwehren. Die Menschen wären insofern in vielen Alltagssituationen betroffen.
Mit den zeitgleichen Verhandlungen mit Dutzenden Verkehrsunternehmen will die EVG eigenen Angaben zufolge vor allem für einheitliche Tarifbedingungen in der Bahn-Branche sorgen. "Gerade im Schienenpersonennahverkehr haben wir die Situation, dass durch den Wettbewerb immer wieder der Versuch passiert, auf Kosten der Beschäftigten Wettbewerbsvorteile zu erlangen", sagte Ingenschay am Dienstag. Das solle durch dieses Vorgehen verhindert werden.
Alle Seiten werden deshalb vor allem darauf schauen, wie sich die Bahn als wichtigster und größter Arbeitgeber der Branche in den Verhandlungen verhält. Der Konzern kommentierte die Forderungen der EVG am Dienstag nicht direkt. Diese lägen noch nicht vor, teilte ein Sprecher lediglich mit. "Sobald sie uns zugegangen sind, werden wir die Forderungen der EVG genau prüfen und dann bewerten." Für die Bahn sei indes klar: "Wir brauchen eine vernünftige Balance." Es gehe um die Anerkennung der Belegschaft und darum, die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu sichern.
Die Bahn will in diesem Jahr 25 000 neue Arbeitskräfte gewinnen und ihr Personal damit unterm Strich um 8000 Beschäftigte aufbauen. Die EVG ist die größere Bahngewerkschaft im Unternehmen. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) unter ihrem Chef Claus Weselsky verhandelt für ihre Leute erst im Oktober mit dem Konzern.