Drahtseilakt Wohnen

Hohe Mietkosten bringen Familien ans Limit


Die Mieten in Deutschland - und besonders in München - steigen weiter. Für Familien mit Kindern ist das eine besondere Belastung. (Symbolbild)

Die Mieten in Deutschland - und besonders in München - steigen weiter. Für Familien mit Kindern ist das eine besondere Belastung. (Symbolbild)

Von Daniel Gahn

In bereits jeder zweiten deutschen Großstadt führen die Mietzahlungen zu hohen Belastungen für den Geldbeutel, wie eine Studie zeigt.

München - Das Wohnen in vielen deutschen Großstädten ist vor allem für Familien zum finanziellen Drahtseilakt geworden. Wie eine aktuelle Studie zeigt, erreichen die Mietkosten für eine familientaugliche Wohnung besonders für Arbeitnehmer ohne Hochschulabschluss vielerorts die Grenzen des Leistbaren. Ganz vorn dabei: Berlin und - wenig überraschend - München.

Hier müssen selbst Eltern mit anerkanntem Berufsabschluss bei Neuvermietungen über 40 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens für die Miete aufwenden, so das Ergebnis der Analyse des Immobilienportals Immowelt.

"Wer also auf dem Mietmarkt eine neue Wohnung suchen muss und nicht sehr begütert ist, hat extreme Schwierigkeiten, eine zu bekommen", sagt Volker Rastätter, Geschäftsführer des Mietervereins München.

Auch kleinere Städe von hohen Mieten betroffen

Doch nicht nur Familien in den Metropolen sind von der hohen Mietbelastung betroffen: Auch in Heidelberg, Freiburg im Breisgau und Rostock beläuft sich die monatliche Belastung trotz Berufsabschluss auf 38 Prozent.

Für die Studie wurde die monatliche Belastung durch Miet- und Nebenkosten von Wohnungen in 79 Großstädten (also Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern) mit 80 bis 120 Quadratmetern in Relation zum mittleren Haushaltsnettoeinkommen einer vierköpfigen Familie berechnet.

Als Grundlage dienen die von der Bundesagentur für Arbeit veröffentlichten Bruttoeinkommen, unterschieden nach Berufsabschlüssen (ohne, anerkannter, akademischer). Diese wurden in entsprechende Nettogehälter umgerechnet.

Miete: 25 Prozent vom Haushaltsnettoeinkommen sind hohe Belastung

Ein Mietanteil von mehr als 25 Prozent am Haushaltsnettoeinkommen gilt dabei als hohe Belastung. Und das trifft mittlerweile viele Mieter: In jeder zweiten untersuchten deutschen Stadt müssen der Studie zufolge sogar Eltern mit anerkanntem Berufsabschluss mehr als ein Viertel des Haushaltsnettoeinkommens aufwenden, um eine familientaugliche Wohnung anzumieten. Sind beide Elternteile ohne Berufsabschluss, trifft das gar in 71 von 79 untersuchten Städten zu.

Ein Mietanteil von mehr als 40 Prozent wiederum gilt gemeinhin als Überbelastung, weil dann nur noch wenig Geld zum Leben bleibt. Besonders in München ist dies ein Problem: "Wenn eine Wohnung bei 18 oder 18,50 Euro liegt - und das ist leider die Regel -, dann rechnen Sie mal 100 Quadratmeter für eine vierköpfige Familie plus Nebenkosten: Dann sind sie bei 2200 bis 2300 Euro netto", sagt Rastätter.

Mieterverein München: Familien müssten 5800 Euro netto verdienen

"Wenn man nun davon ausgeht, dass 40 Prozent des Einkommens für die Miete angemessen sind, dann können Sie sich ja ausrechnen, was Sie verdienen müssen: nämlich um die 5800 netto."

Demonstranten gehen gegen hohe Mieten auf die Straße.

Demonstranten gehen gegen hohe Mieten auf die Straße.

Angesichts der hohen Mietkosten in deutschen Großstädten bleibt vielen Familien, wenn die Wohnung zu klein wird, oftmals nur noch, Wohngeld zu beantragen, in der aktuellen Wohnung zu bleiben, oder aufs Land zu ziehen. Es mangelt in vielen Städten an Sozialwohnungen, die günstigen Wohnraum bieten.

In München zahlen Familien teils 46 Prozent ihres Einkommens für Miete

"Das wird natürlich immer mehr zum Problem, für Familien, aber auch für alle anderen", sagt Rastätter. "Mittlerweile ziehen schon einige aus München weg." Wie etwa eine Frau Mitte 50, die sich kürzlich vom Mieterverein habe beraten lassen. "Sie sagte, sie müsse noch ein paar Jahre in München arbeiten, würde aber jetzt nach Franken ziehen und dafür das Pendeln in Kauf nehmen", erzählt Rastätter.

Derzeit zahle die Frau 15 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete. "Sobald sie in Rente geht, wird sie sich das nicht mehr leisten können. Und in Franken hat sie jetzt was bekommen, das auch langfristig bezahlbar sein wird."

Ein weiteres Mitglied des Mietervereins, ein Polizist, überlege gerade ebenfalls, mit Frau und Kind ins Münchner Umland zu ziehen. "Seine Wohnung wird modernisiert und die Miete soll sich dadurch verdreifachen", berichtet Rastätter. "Das kann er kaum finanzieren."

Münchner zieht es aufs Land

Laut der Studie belaufen sich selbst mit einem mittleren Verdienst in elf Städten die Wohnausgaben auf über ein Drittel des Budgets eines Haushalts mit einem Voll- und einem Halbverdiener. In München etwa sind es satte 46 Prozent.

"Und das ist natürlich kein Zustand, der auf Dauer für Frieden in der Stadt sorgt", sagt Rastätter. "Wir sind der Meinung, dass man die Mietpreise dann auch einfach mal einfrieren muss. Irgendwann ist es auch mal gut mit dem Geldverdienen der großen Unternehmen."

Bis dahin könnten möglicherweise noch einige Münchner umziehen müssen. "Wenn der Vermieter alle drei Jahre um 15 Prozent erhöhen darf, dann können Sie es sich ja ausrechnen, ab wann Sie sich die Miete nicht mehr leisten können", so der Geschäftsführer des Mietervereins.

Seiner Erfahrung nach ziehen Münchner derzeit vor allem in Städte, von denen aus München mit dem Nahverkehrszug gut zu erreichen ist, wie etwa Rosenheim. Laut dem Hamburger Immobilienforschungsinstitut F+B, das die Mietangebote aller bundesweiten Portale regelmäßig miteinander vergleicht, liegt die durchschnittliche Kaltmiete bei Neuvermietung in Rosenheim bei 10,30 Euro.

"Mieten runter!" steht an der Fassade eines Hauses in München.

"Mieten runter!" steht an der Fassade eines Hauses in München.

Aber auch Landshut (durchschnittliche Kaltmiete bei Neuvermietung: 8,90 Euro) sei beliebt, teils zögen die Münchner sogar bis nach Deggendorf (sieben Euro), sagt Rastätter. Auch die Gegend hinter Fürstenfeldbruck bis Augsburg (9,50 Euro) sei begehrt.

Doch auch im Münchner Umland schröpfen die Mietpreise die Haushaltskassen enorm: So müssen etwa in Landshut Familien mit mittlerem Einkommen im Schnitt 31 Prozent ihres monatlichen Budgets für die Miete aufbringen.

Süddeutschland und Berlin besonders teuer

Neben dem Süden Deutschlands sind vor allem auch Familien in Berlin stark belastet: Eltern mit einem mittleren Verdienst zahlen bei Neuanmietungen derzeit rund 42 Prozent ihres Budgets. In Frankfurt sind es 37 und in Hamburg 36 Prozent.

In kleineren Großstädten wie zum Beispiel Heidelberg, Freiburg im Breisgau und Rostock sind es je 38 Prozent des Budgets eines Haushalts mit einem Voll- und einem Halbverdiener.

In den anderen bayerischen Städten, die als Großstadt zählen, liegt der Mietanteil bei 30 Prozent eines mittleren Verdienstes in Augsburg, Nürnberg und Würzburg, bei je 29 Prozent in Regensburg, Erlangen und Fürth sowie bei 24 Prozent in Ingolstadt.

Noch bezahlbar: das Ruhrgebiet

Es gibt aber auch Orte, in denen familientaugliche Wohnungen für Eltern mit einem Berufsabschluss noch einfacher bezahlbar sind: im Ruhrgebiet. So liegt die Wohnquote in beispielsweise Gelsenkirchen, Duisburg oder Recklinghausen bei unter 20 Prozent.

Besonders schwer wird es in vielen Städten für Familien mit Eltern ohne Berufsabschluss: In mehr als der Hälfte der untersuchten Städte belaufen sich Miete und laufende Kosten auf mehr als 33 Prozent des mittleren Nettoeinkommens eines Haushalts.

Besonders hoch ist die Belastung in Berlin mit 49 Prozent und in München mit 55 Prozent des mittleren Nettoeinkommens. "Und da kommen wir genau an die Grenze, ab der es eigentlich nicht mehr geht", sagt Rastätter. Hier müsse der Staat unterstützen. "Aber dessen Aufgabe ist eigentlich nicht, diesen kritischen Mietmarkt durch Subventionen aufrecht zu erhalten, damit die Menschen in der Stadt bleiben können."

Stattdessen sollte der Staat endlich eingreifen, fordert Rastätter. "Das macht man bei anderen Märkten ja auch, die für die Daseinsvorsorge reglementiert werden."

Akademiker in Landshut zahlen 23 Prozent des Budgets

In den anderen bayerischen Großstädten haben es Familien mit wenig Einkommen ein wenig leichter: In Augsburg müssen sie im Schnitt 39 Prozent ihres Einkommens für die Miete ausgeben, in Würzburg 38 Prozent, in Nürnberg 37, in Ingolstadt 36, in Regensburg 35, in Fürth 34 und in Erlangen 31 Prozent. In Landshut mit über 70 000 Einwohnern müssen Familien, die keinen Berufsabschluss haben und damit in der Regel weniger verdienen, 38 Prozent ihres monatlichen Budgets für die Miete aufbringen.

Akademikerfamilien wiederum verfügen tendenziell über ein höheres Haushaltseinkommen, deshalb ist für sie die monatliche Belastung durch Miete und Nebenkosten auch geringer. In München allerdings kommen auch sie an ihre Grenzen - mit 33 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens. In Berlin werden bei Neuvermietungen inzwischen im Schnitt 31 Prozent des Einkommens fällig, in Frankfurt und Hamburg sind es 27, in Stuttgart 26 Prozent.

Hohes Einkommen wird von Mieten gefressen

Das tendenziell höhere Einkommen in diesen Metropolen wird hier durch die hohen Mietpreise wieder aufgefressen - und Eltern haben am Ende des Monats sogar oftmals weniger übrig als in kleineren Städten, obwohl sie dort weniger verdienen.

In anderen bayerischen Großstädten bleibt Akademikerfamilien also wesentlich mehr vom Einkommen als in München. Für die Miete müssen sie in Ingolstadt etwa nur 18 Prozent ihres monatlichen Budgets ausgeben, in Erlangen 19, in Fürth, Nürnberg und Regensburg 21, in Augsburg 22 und in Würzburg 23 Prozent, ebenso in Landshut.

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