Frauenheld auf Knopfdruck

Millionengeschäft mit Sextoy: Mettener erobert mit dem „Womanizer“ die Welt

Von Metten aus schafft es der "Womanizer" in über zehn Millionen Schlafzimmer. Was es dafür gebraucht hat? Einen Mann mit Fingerspitzengefühl und eine Frau mit viel Durchhaltevermögen.


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"Sexualität ist das Normalste der Welt und sollte nicht tabuisiert werden", sagt Michael Lenke. der Erfinder des Erwachsenenspielzeugs "Womanizer". 

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Im Video erzählt Simona Cukerman aus der Digital- und Seite-3-Redaktion wie die Geschichte hinter diesem Türchen entstanden ist.

Video zum Thema:

Ein Frauenheld mit Fingerspitzengefühl: eine wohl recht zureffende Beschreibung für Michael Lenke. Nicht etwa, weil er viele Liebschaften hat. Ganz im Gegenteil: Er ist seit 37 Jahren mit seiner Frau Brigitte verheiratet. Doch hat der 75-Jährige vor rund zehn Jahren etwas erfunden, was Millionen Frauen täglich Lust und Vergnügen bereitet. Ein Sexspielzeug etwa? Lenke verzieht sein Gesicht. Der „Womanizer“ (deutsch: Frauenheld), ist „nichts Schmieriges, sondern eine Erfindung für die Frau“.

Wie man den „Womanizer“ nun auch nennen mag – Lenke aus Metten im Landkreis Deggendorf ist in seinem kleinen Hobbykeller etwas gelungen, was sich über zehn Millionen Mal verkauft hat – in über 90 Ländern. Doch wie kommt man darauf, mit Anfang 60 ein Erwachsenenspielzeug auf den Markt zu bringen – und das auch noch in einem 4.500-Seelen-Dorf? Und wieso ist einst ein anonymes Drohschreiben in Lenkes Briefkasten gelandet? Fragt man Lenke, schmunzelt er.

Es ist nicht leicht, wenn das Leben einem Techno-Beat gleicht

Der 75-Jährige ist wahrlich ein Unikat. Gewisserweise ist das jeder – und doch hat Lenke wohl eine Prise mehr Einzigartigkeit abbekommen als die meisten. Während manche seines Alters wirken, als würden sie eine kartoffelsackschwere Last auf ihren Schultern tragen, die ihren Gang nach vorne zu kippen droht, vermittelt Lenke jugendliche Leichtigkeit. Nur die hellgrauen, bald weißen Haare verraten ihn, doch keineswegs seine Denkweise. Anecken, auf Musikboxen tanzen, bis in die frühen Morgenstunden hinein mit seiner Frau Brigitte in der Disco raven – das ist das Lebensgefühl, das der 75-Jährige bis heute in sich trägt.

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Michael Lenke mit einem "Womanizer" in der Hand.

Woher er als Mann wusste, dass das funktioniert? Seine Frau Brigitte hat den Prototyp immer wieder ins Schlafzimmer mitgenommen. „Das war eine harte Zeit“, sagt sie. Das Teil saugte zunächst viel zu stark, hat weh getan. Letztlich hat Lenke eines Tages dann doch den Dreh raus.

Dann geht alles ganz schnell. 2014 fliegt er mit dem „Womanizer“ im Gepäck nach Hongkong. Wirbt auf riesengroßen Bannern mit einer Orgasmusgarantie. Schließt einen Deal ab. Innerhalb von einem Jahr ist das Geschäft „explodiert“, sagt Lenke. Er übergibt den Vertrieb an den Erotikshop Orion, gründet nebenbei eine Firma in Amerika.

„Vibratoren waren früher Ramschware“, sagt Lenke. In seinen Augen sei der „Womanizer“ das gewesen, was das iPhone für den Handymarkt war, „ein Gamechanger“.

Doch ist es nicht leicht, wenn das Leben einem schnellen Techno-Beat gleicht. Täglich bis zu 17 Stunden in der Arbeit, an Wochenenden, ohne Urlaub. Das geht auf die Gesundheit. „Da hilft einem die ganze Kohle nichts“, sagt Lenke. 2017 verkauft er sein Unternehmen. Zieht sich zurück. Mittlerweile verbringt er gut sechs Monate im Jahr in der Sonne auf Mallorca – natürlich mit seiner Brigitte.

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Brigitte Lenke

Ob Lenke den „Womanizer“ einzig und allein deswegen erfunden hat, weil er Frauen einen Orgasmus ermöglichen, eine Selbstverständlichkeit in die Hand legen wollte? Auch – aber nicht nur, sagt er. Er wollte damit die Sexualität enttabuisieren, „weil es das Normalste der Welt ist“. Und das ist ihm auch gelungen.

Nach 53 Jahren Ehe bedankt sich eine 83-Jährige bei Lenke

Lenke springt auf und kommt mit einem Brief in der Hand wieder zurück. „Hier ist der Beweis“, sagt er, wedelt mit einem Stück Papier rum und beginnt zu lesen. Eine Frau schreibt. Beklagt, dass sie „das Kapitel Sexualität seit Jahren schwer belastet“ – in ihrer an sich glücklichen Ehe. Dass sich ihr Mann viel Mühe gab und dennoch scheiterte. Dass sie aufgegeben haben. Sich, die Lust. Frustriert, obwohl sie als Paar vieles versucht hätten, auch Therapie. Dann habe sie einen Bericht über den „Womanizer“ in einer Zeitung entdeckt. Hat sich herangetastet, es ausprobiert. „Am 9. Juni 2023 hatte ich mein Erweckungserlebnis als Frau. Ich bin 83 Jahre alt und seit 53 Jahren verheiratet.“
Lenke hebt seine Brille ein Stück weit nach oben, reibt sich seine Augen mit der Fingerspitze. „Ich bin ein harter Hund. Doch da hab ich geheult.“ Vor Glück, weil seine Erfindung ihr Ziel erfüllt hat. Nein, nicht nur den Höhepunkt rausgekitzelt hat, sondern auch bei Älteren befriedigende Sexualität zur Normalität geworden ist, sagt er. Weil seine Erfindung es in die Zeitung schafft. Und in den Verkaufsregalen liegt – neben allem anderen Alltäglichen, zwischen Haarbürsten und Handcreme.

Wie das bei den Nachbarn des Tüftlers aus dem 4.500 Seelen-Dorf angekommen ist, dass Michael Lenke an einem Vibrator geschraubt hat? „Wenn man hier Womanizer sagt, weiß jeder Bescheid“, nickt Brigitte. Die Nachbarn der Lenkes seien nahezu alle zu Kunden geworden. Gut, ein paar Männer hätten gemeckert. Dann brauchts’ mich ja gar nicht mehr, wenns’ so ein Teil hat, hätten welche gesagt. „Männer-Ego“, winkt Lenke ab.

Dann habe er noch den örtlichen Handballverein gesponsert, der im Kloster gespielt haben soll – mit dem „Womanizer“-Logo. „Das war denen egal, Hauptsache das Geld kommt rein.“ Und das hat wirklich nicht für Gegenwind gesorgt? Lenke gibt sich geschlagen: Einst landete ein anonymes Schreiben in seinem Briefkasten. Aufpassen solle er, dass der Erzengel Michael von der heimischen Kirche nicht auf seinem Kopf landet. „Das ist mein Namensvetter, der würd’ das schon nicht machen.“
Lenke gibt nichts auf Aberglauben. Konservativ leben? Klingt langweilig und trocken. Und er denkt auch nicht ans Aufhören. Wie lange er Erfinder bleiben will? „Für immer, bis ich tot bin“, sagt er. Doch selbst das soll ihn nicht aufhalten. „Wenn sie mich eingraben, werde ich unten sicher überlegen, wie ich wieder rauskomme.“