Fasching in der Deutschen Eiche
Wo Fassbinder, Moshammer und Freddie Mercury feierten
3. März 2019, 11:39 Uhr aktualisiert am 3. März 2019, 11:39 Uhr
Theaterstücke, die Beerdigung eines Faschingsprinzen und Straßensperre: So war und so ist der queere Fasching in der Deutschen Eiche.
München - Wirtin Toni wurde auf einen Tisch gelegt, mit einem Tuch zugedeckt und von acht starken Jungs hochgehoben. Der so beerdigte "Faschingsprinz" wurde in einer Prozession um den Gärtnerplatz getragen und zurück zur Deutschen Eiche. Der Pfarrer war Ernst Craemer, ein Tänzer vom Gärtnerplatztheater, der mit einer Klobürste weihte, was nicht bei drei auf dem Baum war. Danach: In die Eiche, Deko runter, aufräumen. Eine Szene aus den 70ern.
"Das wär' heute nicht mehr möglich, dass nach der Feier alle aufräumen. Wenn wir am Faschingsdienstag den Straßenfasching vor der Deutschen Eiche organisieren, dann bringen sich viele sogar ihre eigenen Getränke mit", sagt Deutsche-Eiche-Wirt Dietmar Holzapfel.
Fassbinder, Moshammer, Mercury - in der Deutschen Eiche feierten alle
Für die AZ hat er die alten Fotos rausgeholt, als die Reichenbach-Frauen noch Wirtinnen der Deutschen Eiche waren und die Tänzer vom Gärtnerplatztheater zu Fasching Stücke inszenierten.
1958 überredeten einige Tänzer die Wirtinnen Ella und Toni, eine Faschingsparty zu veranstalten. Wobei, so richtig Lust hatten die Damen nicht, weshalb es nur ein "Hutfest" wurde. Weil's recht rauschig und recht lustig war, folgte im Jahr darauf ein "Ball verkehrt". Und weil Künstler schon immer in der Eiche ein und ausgingen, entstand die Idee, zu Fasching ein Stück zu inszenieren - mit der Bedingung, dass die Wirtinnen stets die Hauptrollen spielen.
Am Faschingsdienstag ist die Reichenbachstraße für den Verkehr tabu
1960 entstand als erste Eiche-Produktion unter Ernst Craemer eine "Schwanensee"-Parodie. Das Motto in jedem Jahr in der Deutschen Eiche: "Zu sterben ist keine Schande, das Leben zu versäumen, eine Sünde." Die letzte Eiche-Produktion war "Dallas" von Rainer Werner Fassbinder, der gegenüber lebte.
1995 übernahm Dietmar Holzapfel das schwule Kultlokal von Sonja Reichenbach und etablierte eine eigene Faschingstradition: den Straßenfasching. In den Anfangsjahren kurvten noch Autos und Busse um die Feiernden. Doch nachdem ein besonnener Viertelpolizist die Straße sperrte, war's fortan immer so, dass am Faschingsdienstag die Narrischen die Reichenbachstraße für sich haben.
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