Bayern

Ein neues Viertel für München: Wie Neufreimann wächst

Auf der ehemaligen Bayernkaserne entsteht Wohnraum für 15 000 Menschen. Das neue Viertel soll wieder mehr so werden wie die ganz alten - mit Leben in den Erdgeschossen. Die AZ hat die Baustelle besucht.


Noch etwas Besonderes: Im weißen Zelt wird alter Beton aufgearbeitet. Die Bauherren sind dazu verpflichtet, auch recycelten Beton zu nutzen.

Noch etwas Besonderes: Im weißen Zelt wird alter Beton aufgearbeitet. Die Bauherren sind dazu verpflichtet, auch recycelten Beton zu nutzen.

Von Christina Hertel

Bienvenue, So dhawaadam, dobro dosli - auf dem gelben Schild heißt die Stadt noch auf vielen Sprachen willkommen. 2015 liefen hier jeden Tag Hunderte Geflüchtete vorbei. Damals war in der Bayernkaserne im Norden Münchens die größte Erstaufnahmeineinrichtung der Stadt mit etwa 1.500 Betten untergebracht.

Bis Ende des Jahrzehnts werden zehnmal so viele Menschen hier wohnen - nicht in alten Kasernen, sondern in neuen, modernen Häusern, die (zumindest an manchen Stellen) bis zu 65 Meter in den Himmel ragen.

Statt einer Asylbewerber-Unterkunft befindet sich hier inzwischen eine der größten Baustellen der Stadt: In Neufreimann, wie das Areal seit Kurzem heißt, sollen einmal 15.000 Menschen leben. Gleichzeitig entstehen zwei große Schulcampi, 14 Kitas, Läden, Cafés, eine Bibliothek, ein Alten- und Service-Zentrum und viele andere Einrichtungen. Das Besondere: Der größte Teil der Fläche gehört der Stadt, die Mieten sollen also günstig sein.

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Neufreimann: ein neues Viertel für München.

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Hier werkeln die Bauarbeiter seit Sommer an einer neuen Grund-, Förder- und einer Sing- und Musikschule. Fertig soll der Campus 2026 sein.

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Die Straßen gibt es schon - zumindest provisorisch, um die Baustelle zu erschließen. Später werden sie breiter, aber ihre Lage bleibt gleich.

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Hier werkeln die Bauarbeiter seit Sommer an einer neuen Grund-, Förder- und einer Sing- und Musikschule. Fertig soll der Campus 2026 sein.

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So sieht der Campus (links Grundschule, rechts Gymnasium) später von der anderen Seite aus. Dahinter: Bis zu 65 Meter hohe Häuser.

Insgesamt ist das Areal etwa 60 Hektar groß, also bloß etwas kleiner als der Westpark. Ziel ist, dass hier ein ähnlich belebtes Viertel wie die Maxvorstadt entsteht. Denn ebenso dicht sollen die Menschen in Neufreimann einmal zusammenleben und ebenso wie dort sollen in den Erdgeschossen Läden, Cafés, Büros oder Kitas einziehen. Die Idee der "funktionsgetrennten Stadt", wo es Bereiche fürs Wohnen, Arbeiten und die Freizeit gibt, soll in Neufreimann also überwunden werden.

So wie damals in den Zeiten, als täglich Tausende Geflüchtete am Münchner Hauptbahnhof ankamen, ist das Areal für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Die AZ hat schon jetzt mit Philine Stadtmüller und Klaus Tröppner, die bei der Stadt München für das Projekt verantwortlich sind, einen Blick hinein geworfen. "Die ehemalige Bayernkaserne ist bis jetzt Sperrgebiet, ein blinder Fleck im Viertel", sagt Stadtmüller. Ab Mitte dieses Jahres soll sich das ändern. Dann sollen alle Münchner die Baustelle auf dem ehemaligen Bundeswehr-Standort besuchen können.

2007 hatte die Stadt das Areal dem Bund abgekauft. Bis 2011 zog die Bundeswehr aus. Ein paar letzte Kasernengebäude stehen noch immer. Ein paar Hundert Geflüchtete leben hier noch, auch Obdachlose können hier noch bis Ende 2023 Schutz vor der Kälte suchen. Dann zieht die Einrichtung in die Lotte-Branz-Straße ganz in der Nähe um.

Wer die Baustelle besucht, macht sich schon heute nicht die Schuhe schmutzig: Die Straßen, die Neufreimann einmal erschließen, gibt es schon. Auch die Lichtmasten stehen - allerdings alles nur provisorisch, um die Baustelle zu erschließen.

Die größte Straße schließt an die Heidemannstraße an. Auf ihr wird ab 2027 die Tram 23 in das Viertel hineinfahren und an einem neuen Stadtplatz halten. Etwas später soll man von hier auch mit der Tram 24 zu den U-Bahnhalten Am Hart und Kieferngarten fahren können. "Dicht, bunt und belebt, soll es hier einmal sein", sagt Philine Stadtmüller. Noch ist hinter ihr aber bloß eine Grube.

Wie genau der Platz einmal aussehen soll, steht noch nicht fest. Dafür will die Stadt einen konkretisierenden Wettbewerb ausloben, erklärt Stadtmüller. Klar ist, dass sich neben gewerblicher Nutzung (wie Läden, Cafés und Büros) dort auch das Alten- und Service-Zentrum, die Stadtbibliothek, die Volkshochschule, ein Bildungslokal und ein Nachbarschaftstreff befinden werden.

Mehr zu sehen gibt es schräg gegenüber: Dort errichten die Bauarbeiter gerade das Fundament für eine Förderschule, eine Sing- und Musikschule und eine Grundschule. Im Sommer war Baubeginn. Fertig sollen die Schulen 2026 sein.

Früher werden die ersten Schüler das zweite Schulzentrum im Süden besuchen. Bereits diesen Herbst soll die Grundschule fertig werden. Dann zieht übergangsweise bis 2028 eine Förderschule ein. Im Gymnasium daneben soll der Betrieb 2026 starten. Auch hier steht der Rohbau schon. "Mit mehr als 20 Metern Wandhöhe liegen die beiden Gebäude knapp unter der Hochhausgrenze", sagt Klaus Tröppner.

Die meisten Gebäude werden um die 25 Meter hoch sein, sagt Stadtmüller. Stufenweise werde es Hochpunkte geben, die bis zu 40 Meter hoch sein werden. An städtebaulich bedeutsamen Bereichen wie am Stadtplatz werden es sogar bis zu 65 Meter.

Momentan bauen die städtischen Wohnungsbaugesellschaften an zwei Bauvorhaben für fast 400 Menschen. Auch Genossenschaften sollen in Neufreimann bauen, aber ihre Planungen haben erst begonnen. Am östlichen Rand des Neubaugebiets geht es schneller. Hier ragen bereits Kräne in den Himmel. Ein privater Investor baut hier 1.100 Mietwohnungen. Die Ersten sollen 2024 fertig sein.