Bayern
"Gesucht: Klare Ziele": Wohin steuert der Kulturstaat Bayern?
26. Januar 2023, 18:15 Uhr aktualisiert am 26. Januar 2023, 18:15 Uhr
München - Marode Kulturbauten und deren oft endlos verzögerte Sanierung sind ärgerlich. Nicht zuletzt, weil sie immer mehr Geld kosten. Diese Misere zeigt aber auch, dass es in der Kulturpolitik keine langfristige Planung gibt. Geschweige denn eine Vision. "Neben klar formulierten Zielen brauchen wir auch mehr Transparenz, damit wir keine Überraschungen erleben wie jetzt beim Gasteig", sagt Markus Michalke vom Stiftungsrat der Pinakothek der Moderne.
Mit der Kulturmanagerin Anna Kleeblatt hat er deshalb die Initiative "Kulturzukunft" gegründet, die Freundeskreise der Museen, Theater und Orchester zusammenbringt. Also diejenigen, die eh schon einspringen, wenn an staatlichen und städtischen Häusern das Geld fehlt. Vor der Bayern-Wahl will dieser Zirkel richtig Dampf machen, aufklären und Debatten anstoßen. Am Montag geht es mit einer Podiumsdiskussion in die erste Runde. Mit der AZ sprach Michalke über den wahren Wert der Kultur.
AZ: Herr Michalke, Sie sind vor drei Monaten mit der Initiative Kulturzukunft Bayern an die Öffentlichkeit gegangen. Wie sind die Reaktionen?
MARKUS MICHALKE: Durchweg positiv, und zwar aufseiten der betreffenden Häuser wie der Bürger. Dass das Thema Kultur endlich auf die Grundsatzagenda gesetzt werden soll, findet große Zustimmung. Genauso, dass wir nicht für einzelne Häuser, sondern institutionenübergreifend sprechen.
Was hören Sie aus der Politik, die ja im Zentrum der Kritik steht?
Es gibt überwiegend Zustimmung - auch weil wir diese Initiative nicht für München allein, sondern für ganz Bayern ausgerufen haben. Wir führen mit fast allen Parteien Gespräche, auch mit Kunstminister Markus Blume gibt es bereits einen Termin. An den aktuellen Sanierungsfällen in München zeigt sich doch, wie notwendig ein langfristiger Plan ist - verbunden mit einer klaren Kommunikation. Was passiert da eigentlich? Wie ist der Status quo? Das hilft im Umkehrschluss ja auch den Politikern, um nicht in Entscheidungsnotlagen zu kommen wie jetzt beim Gasteig.
Beteiligen sich mittlerweile auch andere Städte?
Wir hatten eine Online-Konferenz mit Vertretern von Freundeskreisen aus ganz Bayern. Das ist uns wichtig, denn die Zielformulierung "Wie soll die kulturelle Infrastruktur 2030 ausschauen?" wird für den ganzen Freistaat relevant. München ist immer naheliegend, weil es hier eine große Ballung an Kultur gibt, aber wir wollen genauso in die Fläche und denken sogar an Kooperationen zwischen Münchner und regionalen Häusern. Wir haben schon wieder vier, fünf Freundeskreise dazugewonnen, mit uns ist also zu rechnen. Das wird sich auch auf der großen Veranstaltung am Montag zeigen.
Wer wird auf dem Podium sprechen?
Wirtschaft und Spitzenforschung: Wir sind froh, dass wir mit dem Vorstandsvorsitzenden der Allianz, Oliver Bäte, einen Vertreter aus einem Dax-Konzern haben. Dazu kommen Oliver Falck vom ifo-Institut und der Robotik-Forscher Sami Haddadin von der TU München. Es ist wichtig, Fakten und Einschätzungen aus verschiedenen Bereichen zu haben, um zu sehen, weshalb es Sinn macht, in die Kultur-Infrastruktur zu investieren.
Niemand aus der Kulturszene?
Nein, und das ganz bewusst, denn die Leute aus der Kulturszene können ja nur pro domo sprechen. Uns geht es um einen viel umfassenderen Blick. Wie wichtig ist die kulturelle Infrastruktur für die Entwicklung Künstlicher Intelligenz? Für die Wirtschaft? Für den Standort insgesamt? Das ist kein Sahnehäubchen oder ein "Nice to have", wie unser Auftakt-Redner Charles Landry sagt. Wir müssen die Kultur raus aus der Luxus-Ecke holen. Es geht um die kulturelle Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger. In Großbritannien ist das sogar gesetzlich verankert.
Der britische Städteforscher Charles Landry beschäftigt sich seit den 1970er Jahren mit dem Einfluss von Kultur und Kreativität auf die Entwicklung der Städte.
Landry hat wirklich zu den Ersten gehört, die klare Zusammenhänge nachweisen konnten. Wenn man ihn nach dem Wert von Kultur für eine Gesellschaft fragt, dann kommt sehr klar: "Ich beantworte nie Fragen nach dem Wert von Kultur, sondern ich frage, welche Kosten ohne die Wertschätzung von Kultur entstehen würden."
Landry berät weltweit Städte wie etwa Bilbao.
Wir sprechen aber nicht von der grünen Wiese Bilbao, die mithilfe der Kultur Anziehung geschaffen hat. In Bayern existiert längst eine großartige, historisch gewachsene Infrastruktur, um die uns andere beneiden. Wenn wir uns nicht kümmern, laufen wir aber Gefahr, sie zu verlieren. Es geht um die Zukunft, und Kultur und Zukunft werden bislang nicht konsequent zusammengedacht.
Haben Sie ein Beispiel?
Denken Sie an die Sanierungen. Man muss doch eine Vorstellung davon haben, was nach der Renovierung etwa in der Neuen Pinakothek passieren soll. Hat das noch etwas mit den Bedürfnissen eines künftigen Museumspublikums zu tun? Wird die bisherige Art der Bespielung nicht veraltet sein, war sie das vielleicht schon lange? Es genügt jedenfalls nicht, das Museum von 1984 einfach nur auf den technischen Stand von 2030 zu bringen.
Und was plant Ihre Initiative in der nahen Zukunft?
Im März wird es um die Frage gehen, was die Kulturbauten der Zukunft leisten müssen. Im Mai diskutieren wir darüber, wie man Kultur künftig realisieren kann. Im Juni laden wir dann die Parteien dazu ein, Stellung zu nehmen. Vor der Wahl muss klar sein, wie ihre Konzepte für die Zukunft der Kultur aussehen.
"Kultur - relevant für die Zukunft unserer Gesellschaft!", Montag, 30. Januar, 19 Uhr, Saal des Akademischen Gesangsvereins, Ledererstr. 5, Eintritt frei, Anmeldung: www.initiativekulturzukunft.de