Ungelöster Kriminalfall
Kugelhagel auf Gastwirt vor 26 Jahren - Angeklagte schweigen
13. Januar 2025, 11:08 Uhr
Die Story der Staatsanwaltschaft - wenn sie denn so stimmt - taugt für einen Krimi zur besten Sendezeit: Ein Mann braucht dringend Geld und fragt einen befreundeten Gastwirt in Würzburg. Der Türke (55) vermittelt ihn an einen Landsmann, der als Darlehensgeber bekannt ist. Es kommt zu einem Geschäft - mehrere 10.000 D-Mark leiht der heute 67-Jährige angeblich dem finanziell Gebeutelten, der 55-jährige Gastwirt agiert als Bürge.
Als der Schuldner das Geld nicht zurückzahlt, fasst der Kreditgeber laut Anklage den Plan, den Bürgen zu töten. Dies soll abschreckend auf den Schuldner wirken. Am 5. Januar 1999 stirbt der Gastwirt in seiner Gaststätte im Kugelhagel - der Täter soll der älteste Sohn des Geldgebers gewesen sein.
Vater und Sohn (heute 49) stehen mehr als 26 Jahre später vor dem Landgericht Würzburg - angeklagt des gemeinschaftlichen Mordes. Im Frühjahr 2024 gingen nach Justizangaben Hinweise zu dem Fall ein, die den Anstoß zu dem Verfahren gaben.
Am ersten von etwa 30 angesetzten Verhandlungstagen äußern sich die Angeklagten nicht zu den Vorwürfen. "Wir haben hier eine Version der Staatsanwaltschaft und eine Version der Verteidigung", sagt Rechtsanwalt Markus Haselier, der den 67-Jährigen vertritt. "Eine solche Tat ist nicht für eine Gesellschaft hinnehmbar." Es sei verständlich, dass man jemanden für das Verbrechen zur Verantwortung ziehen wolle.
Allerdings hätten die Angeklagten die Tat nicht gestanden und es gebe keine unmittelbaren Zeugen, die die Täterschaft der beiden belege. Die Tatwaffe sei verschwunden, Schmauchspuren hätten nicht zugeordnet werden können. Schon 1999 hätten Vater und Sohn im Fokus der Ermittlungen gestanden, das Verfahren sei aber eingestellt worden, berichtet Haselier. Einige damalige mögliche Alibizeugen seien bereits tot, ebenso der angebliche Schuldner, um den sich alles drehen soll.
Die Verteidigung des 67-Jährigen setzt nach eigenen Angaben auf einen Freispruch ihres Mandanten. So viele Jahre nach der Tat sind alle Delikte außer Mord bereits verjährt.
Laut Staatsanwaltschaft verlieh der heute 67-jährige Türke Ende der 90er Jahre Geld an Privatpersonen, seine Familie bezog indes Sozialhilfe. 1996 oder 1997 soll das Opfer den späteren Schuldner mit dem Geldgeber zusammengebracht haben. "Für sämtliche Darlehen waren Zinsen in Höhe von zehn Prozent pro Monat vereinbart", sagt Oberstaatsanwalt Thorsten Seebach.
Der Gastwirt fungierte wohl als Bürge für eine Forderung von wenigstens 50.000 D-Mark. Als auch er nach mehrmaliger Aufforderung des 67-Jährigen die Schulden nicht beglich, soll der angeklagte Vater mehrerer Kinder den Tatplan entworfen haben.
Der Gastwirt starb durch mehrere Schüsse in Würzburg - laut Anklage wurde die gesamte Trommel des verwendeten Revolvers von dem damals 23-jährigen Sohn des Darlehensgebers leer geschossen. Der nach eigenen Angaben staatenlose Mann soll als ältester Sohn die Anweisung seines Vaters nicht infrage gestellt haben - "aufgrund der streng patriarchalisch strukturierten Familie", wie Seebach erklärte.
Der 67-Jährige habe sich betrogen und hintergangen gefühlt. Er sei darüber verärgert gewesen, dass der 55-Jährige seinen Sohn angezeigt hatte, weil dieser ihm vor der Tat mit dem Tod gedroht haben soll.
"Eine gerichtliche Einforderung der gewährten Darlehenssumme kam nicht in Betracht", da die Familie des 67-Jährigen damals von Sozialhilfe lebte "und der Angeklagte daher Angst hatte, wegen Betrugs verfolgt zu werden", erläutert Seebach.
Die Ehefrau des Toten, mittlerweile 77 Jahre alt, beteuert vor Gericht, ihr Mann habe damals keine Feinde gehabt bis auf den angeklagten 67-Jährigen. Dieser habe ihr nach der Tat persönlich versichert, nichts mit den Schüssen zu tun zu haben. Vor Gericht bezeichnet die Frau den Angeklagten als Mörder.
In dem sogenannten Cold Case (deutsch: Altfall) gab es zwar immer wieder Verdächtige, es konnte aber bisher niemand überführt werden.
Ist aus Sicht der Kammer den Männern das Tötungsdelikt von vor mehr als 26 Jahren nicht nachweisbar oder haben sie sich nach dem festgestellten Sachverhalt nicht strafbar gemacht, erfolgt ein Freispruch.
Wenn die Kammer davon ausgeht, dass die Angeklagten das Tötungsdelikt begangen haben, es aber kein Mord war, so kann ebenfalls ein Freispruch ergehen. Geht die Kammer von einem anderen Delikt wie beispielsweise Totschlag aus, könnte eine Einstellung des Verfahrens wegen Verjährung geboten sein.
Reichen aus Sicht des Gerichts allerdings die Beweise, die beiden einen Mord beispielsweise aus Heimtücke oder niedrigen Beweggründen nachweisen, wird es ein Urteil mit Strafzumessung geben.
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