Bayern
Kustermann will 70 Prozent seines Strombedarfs erzeugen
28. April 2023, 16:57 Uhr
München - Schön ist der Blick vom Alten Peter auf München: Die historischen Gebäude der Altstadt liegen zu Füßen des Betrachters, der Blick fällt auf sonst verborgene Innenhöfe und - auf viele bunte Dächer.
Solaranlagen sieht man auf den Dächern so gut wie keine. Nur ein mickriges Prozent betrug der Anteil noch vor einem Jahr. Doch das wird sich bald deutlich ändern - sogar auf Gebäuden, die in der Altstadt unter Ensembleschutz stehen. Und die in ihrem äußeren Erscheinungsbild, auch von oben betrachtet, besonders schützenswert sind.
Das Traditionshaus Kustermann am Viktualienmarkt wird dabei Vorreiter sein. Wäre es nach Geschäftsführer Caspar-Friedrich Brauckmann gegangen, würden die vielen Lampen in dem Haushaltswarenfachgeschäft (Firmengründung 1798) längst durch Solarstrom zum Leuchten gebracht. Doch er muss noch auf die Genehmigung warten.
Bereits vor elf Monaten hatte Brauckmann zum Pressetermin auf die Dachterrasse des Hotels Louis geladen, um vom Plan des Familienunternehmens zu berichten (AZ berichtete): Eine hohe sechsstellige Summe wollte man auf den drei Dächern für Solarmodule investieren und so 20 Prozent des Energiebedarfs für das eigene Geschäft decken.
Tatkräftige Unterstützung kam von der grünen Bürgermeisterin Katrin Habenschaden und von der Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Landtag Katharina Schulze. Beide forderten eine schnelle Gesetzesänderung. Im strengen bayerischen Denkmalschutzgesetz waren Photovoltaikanlagen bis dahin auf denkmalgeschützten Häusern verboten, auch auf Gebäuden mit Ensembleschutz erteilten die Behörden fast durchweg Absagen.
Inzwischen ist einiges passiert: Im Sommer 2022 hat die bayerische Staatsregierung eine Novellierung beschlossen. PV-Anlagen sollen nun auch auf denkmalgeschützten Gebäuden möglich sein.
In der Zeit, in der Kustermann darauf wartete, loslegen zu können, hat Brauckmann mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege und der Unteren Denkmalschutzbehörde ein detailliertes Konzept erarbeitet, wie die Solar-Anlage auf den ensemblegeschützten Kustermann-Gebäuden realisiert werden kann. Seit zwei Wochen ist das Konzept fertig. Nun liegt es bei der Unteren Denkmalschutzbehörde der Stadt. Am Freitag teilte ein Sprecher mit: Bis 30. Juni sollte es klappen mit der Genehmigung.
Das Warten hatte noch mehr positive Seiten. Zwar rechnet Kustermann mittlerweile mit gestiegenen Kosten - nämlich einem niedrigen siebenstelligen Betrag - aber dank weiterentwickelter Technik auch mit einer höheren Energiegewinnung: "Heute gehen wird davon aus, dass wir bis zu 500 000 Kilowattstunden Strom erzeugen können", so Brauckmann. Durch neue LED-Lampen konnte gleichzeitig der Gesamtbedarf an Energie um 25 Prozent gesenkt werden. Fazit: "Etwa 70 Prozent des Stroms, den wir für unseren Einzelhandel brauchen, werden wir selbst erzeugen können."
Brauckmann sieht in dem Konzept eine "Blaupause für denkmalgeschützte Ensemble in ganz Bayern". Und auch Bürgermeisterin Habenschaden ist hochzufrieden über die gute Zusammenarbeit der Denkmalbehörden und Kustermann und das Ergebnis: "Hier steckt sehr viel Potenzial für den Klimaschutz drin!"
Bleibt noch die Optik. Wie wird das Ganze dann mal ausschauen vom Alten Peter aus? "Von außen wird man fast gar keinen Unterschied sehen", sagt Brauckmann. Dafür wird das Dach teilweise abgedeckt, die Module innen verbaut. Zudem sollen Paneele eingefärbt werden.