"Reichsbürger" vor Gericht

Prozess um Urkundenfälschung für "Bundesstaat Bayern"


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Der Prozess gegen die vier Angeklagten hat am Dienstag am Landgericht München II begonnen.

Von dpa

Vier mutmaßliche "Reichsbürger" stehen seit Dienstag in München vor Gericht, weil sie falsche Urkunden für einen "Bundesstaat Bayern" erstellt und verkauft haben sollen. Die drei Männer und eine Frau hätten sich selbst für die administrative Regierung dieses nicht existierenden Bundesstaats gehalten, hieß es in der vor dem Landgericht München II zum Prozessauftakt verlesenen Anklageschrift. Das Quartett habe es deshalb als Aufgabe gesehen, den "Bundesstaat Bayern" seit Dezember 2015 von einer Gemeinde im Landkreis Ebersberg aus in wechselnder Besetzung zu verwalten.

Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft gingen die Angeklagten davon aus, der "Bundesstaat Bayern" sei einer von fünf sogenannten Gliedstaaten des "Deutschen Reiches" gewesen, das sie wiederbeleben wollten. Dazu sollen sie sich selbst Urkunden ausgestellt haben, die sie als Hoheitsträger, zum Beispiel als vermeintliche Ministerpräsidentin, auswiesen. Sie sollen aber laut Anklage auch vermeintlichen Angehörigen des "Bundesstaats Bayern" falsche Urkunden wie "Heimatscheine" verkauft haben.

Bis Dezember 2020 sollen vermeintliche Angehörige demnach mindestens 299 unechte Urkunden beantragt haben. Für die Herstellung der falschen Dokumente hätten die Angeklagten mehrere Tausend Bögen Papier, Präge- und Stempelutensilien erworben. In der Anklageschrift sind mehrere Gelegenheiten aufgelistet, wann die Angeklagten ihre unechten Dokumente bei öffentlichen Stellen genutzt haben sollen, um ihre vermeintliche Staatsangehörigkeit zu beweisen. Auch eine Staatskasse sei eingerichtet worden.

Sogenannte "Reichsbürger" berufen sich grundsätzlich darauf, dass das 1871 mit einem Kaiser an der Spitze gegründete historische Deutsche Reich fortbestehe und nicht mit Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 untergegangen sei. Deshalb erkennen sie die Bundesrepublik Deutschland nicht an - und auch nicht deren rechtsstaatliche Strukturen wie Parlament oder Gesetze. Sie wollen auch keine Steuern, Bußgelder oder Sozialabgaben zahlen.

Die sogenannten "Reichsbürger" sind keine einheitliche Bewegung: Einige sehen sich als Staatsoberhäupter ihres eigenen kleinen Reiches mit eigenen Ausweisen und Nummernschildern. Diese nennt der Verfassungsschutz Selbstverwalter. Das Bundesamt geht insgesamt von rund 23.000 Menschen aus, die der Szene angehören.

Vor dem Oberlandesgericht München läuft derzeit einer von drei großen Prozessen gegen die mutmaßliche "Reichsbürger"-Gruppe Reuß, die laut Anklage einen gewaltsamen Umsturz der Bundesregierung geplant und dabei bewusst Tote in Kauf genommen haben soll.

Schon lange vor dieser Gruppe waren die mutmaßlichen "Reichsbürger" rund um den "Bundesstaat Bayern" ins Visier der Ermittler geraten. Im September 2017 durchsuchten Polizisten sieben Objekte in Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, auch bei Führungsmitgliedern der Gruppe.

"Uns geht es darum, diese bizarre Organisation mit allen Mitteln des Rechtsstaats dauerhaft zu zerschlagen", sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) damals. Es handle sich nicht nur um "harmlose Spinner": "Da können richtig gefährliche Menschen dahinterstecken, die selbst vor Mord nicht zurückschrecken, um ihre kruden Ideen durchzusetzen."

Für den Prozess gegen das mutmaßliche Führungsquartett hat das Landgericht München II insgesamt zehn Verhandlungstermine geplant. Mit einem Urteil wäre demnach Mitte August zu rechnen.


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