Polizei-Gewerkschafter im Interview
Wasserwerfer bei Demos und Corona-Infektion als Dienstunfall
1. Dezember 2020, 15:38 Uhr aktualisiert am 2. April 2023, 10:03 Uhr
Es sind schwierige Zeiten für alle, denn nach wie vor bestimmt Corona den Alltag. Auch bei der Polizei. Dort muss man zusätzlich zu den sonstigen Aufgaben seit geraumer Zeit die Einhaltung des Infektionsschutzgesetzes überwachen. Dabei hat die Polizei nicht nur mit heiklen Einsätzen bei Corona-Demonstrationen zu kämpfen, sondern auch mit Covid 19-Infektionen in den eigenen Reihen. Genau deshalb streiten aktuell mehrere Polizisten mit dem Freistaat Bayern darum, ihre Corona-Infektion als Dienstunfall anerkennen zu lassen. Bislang allerdings ohne Erfolg. Im Interview mit idowa spricht Jürgen Köhnlein über den Streitfall und über die Polizei-Arbeit in Corona-Zeiten. Köhnlein ist Vorsitzender des Bayerischen Landesverbandes der Polizeigewerkschaft (DPolG).
Herr Köhnlein, wie bewerten Sie das Vorgehen Ihrer Kollegen? Haben Sie Verständnis dafür, die Corona-Infektionen als Dienstunfall anerkennen lassen zu wollen?
Jürgen Köhnlein: Das ist absolut nachvollziehbar. Gerade bei schweren Verläufen von Krankheiten ist es existenziell wichtig, ob eine Erkrankung im Dienst als Dienstunfall anerkannt wird oder nicht. Wir kennen auch nicht die Spätfolgen der Virus-Infektion. Wenn am Ende eine Frühpensionierung ansteht, geht es um eine adäquate Versorgung.
Was ist Ihnen dabei besonders wichtig?
Köhnlein: Ganz wichtig ist, dass wir auch die Sachverhalte mit dem Wissen um Corona aus dem Frühjahr bewerten müssen. Gerade in der Anfangszeit gab es wenig Schutzausstattung und die Hygiene- und Abstandsregeln waren auch noch nicht so etabliert.
Das Landesamt für Finanzen begründete den negativen Bescheid ja unter anderem damit, dass bei sieben von 31 eingereichten Anträgen auf Anerkennung als Dienstunfall zwar eine Covid 19-Infektion, aber keine Erkrankung nachgewiesen werden konnte. Finden Sie, hier wird mit zweierlei Maß gemessen? Immerhin basieren auch die Anti-Corona-Maßnahmen der Regierung hauptsächlich auf Infektionen, nicht aber auf Erkrankungen.
Köhnlein: Da sind wir wieder beim Thema Langzeitfolgen. Wenn der Infekt keine schlimmen Folgen hat, hat auch das Landesamt für Finanzen keine Kosten zu befürchten. Dann ist ja alles gut. Was aber, wenn schon. Dann ist eine Absicherung wichtig.
Welche Chancen räumen Sie Ihren Kollegen bei dieser Klage ein?
Köhnlein: Das sind nicht nur für die Polizei neue Themen, auch für die Gerichte. Für den Umgang mit den Folgen von Corona-Infektionen gibt es noch keine Blaupause. Gerade im Bereich der Versorgung sind wir deshalb optimistisch. Wichtig ist auch eine Rechtssicherheit durch ein Urteil.
Denken Sie, dies könnte ein Präzedenzfall werden und weitere Polizeibeamte könnten diesem Beispiel folgen?
Köhnlein: Mit einem Urteil werden natürlich die Voraussetzungen geschaffen, dass ein Dienstunfall dann schneller anerkannt werden könnte. Das hat natürlich Signalwirkung.
"Absichtliches Anhusten ist mittlerweile das neue Spucken"
Ganz generell: Fühlen Sie sich als Polizeibeamter in der Corona-Pandemie ausreichend geschützt?
Köhnlein: Für die zweite Welle sind die notwendigen Schutzausstattungen da. Das war im Frühjahr nicht der Fall. Leider gibt es aber im täglichen Dienst jetzt immer mehr schwierige Situationen, in denen eine Ansteckung möglich ist oder vom polizeilichen Gegenüber sogar provoziert wird. Zum Beispiel durch Corona-Maßnahmen-Kritiker bei Demonstrationen ohne Mund-Nasen-Schutz. Und das absichtliche Anhusten ist mittlerweile das neue Spucken.
Was wären daraus resultierend Ihre Forderungen?
Köhnlein: Jetzt müssen entsprechende Testmöglichkeiten nach einem Kontakt mit einer nachweislich an COVID-19 erkrankten Person angeboten werden. Gegebenenfalls auch Schnelltests vor und nach Einsätzen. Und sobald ein Impfstoff vorhanden ist, fordern wir die Möglichkeit einer dienstlichen Impfung.
Inwiefern ist das Arbeitspensum in der Corona-Pandemie auch für die bayerische Polizei angestiegen?
Köhnlein: Die Schwerpunktsetzung ist in einem Lockdown natürlich anders, als im normalen Dienst. Manche Tätigkeiten wie Unterrichte und Präventionsarbeit in Schulen oder Fußballeinsätze fallen weg. Neue Einsätze wie Corona-Kritiker-Demos nehmen dagegen viel Personal in Anspruch. Gleichzeitig muss die bayerische Polizei aktuell über 1.000 Beschäftigte aus allen Bereichen für die Contact-Tracing-Teams (CTT) der Gesundheitsämter abstellen. Die fehlen natürlich. Und wie das aktuelle Thema bestätigt, infizieren sich immer mehr Polizeibeschäftigte. Diese fallen dann auch aus. Wir gehen von nochmal 1.300 Beschäftigten aus, die aktuell nicht zur Verfügung stehen. Und das summiert sich.
"Das erzeugt immer unschöne Bilder, lässt sich aber nicht verhindern"
Was sagen Sie denn dazu, dass die Polizei mitunter bei Corona-Demos Wasserwerfer und Pfefferspray einsetzt? Können Sie die Kritik an diesen Maßnahmen nachvollziehen?
Köhnlein: Die Polizei wird zunächst immer das mildeste Einsatzmittel wählen. Wenn sich aber eine Menschenmenge trotz mehrfacher Aufforderung nicht auflösen will, ist auch ein Wasserwerfer das geeignete Mittel. Die Alternative wäre eine Räumung durch die Polizisten. Das ist aber unseren Einsatzkräften, die auch ein Recht darauf haben, unversehrt aus dem Einsatz zurückzukehren, in manchen Situationen nicht zuzumuten. Der Einsatz derartiger Mittel erzeugt immer unschöne Bilder. Aber das lässt sich nicht verhindern.