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Beim Essen über Flüchtlingsabkommen diskutieren
15. März 2011, 12:38 Uhr aktualisiert am 15. März 2011, 12:38 Uhr
Mein Koffer quillt schon über. Vollgepackt mit Klamotten, Bastelzeug und Blöcken. In Kürze fahren wir los in Richtung Kochel am See in die Georg von Vollmar Akademie, in der wir uns drei Tage in Politiker verschiedener Länder verwandeln werden. Unser Plan ist es, soziale Probleme zu lösen, die Wirtschaft zu unterstützen und die Umwelt zu verbessern. Wenigstens für diese drei Tage in unserer kleinen POLIS-Welt haben wir die Gewalt über das Geschehen aller Staaten.
Gegen 8.15 Uhr schleppte ich meinen Koffer dann in den Bus und bereute schon jetzt, dass ich so viele unnütze Sachen eingepackt hatte. Doch zuhause lassen konnte ich leider auch nichts. Als ich es mir neben meiner Freundin im Bus bequem gemacht hatte, hatte ich kaum Zeit die Augen etwas zu schließen, da wir gegen 11 Uhr schon das Ortsschild von Kochel am See erreichten. Wir rätselten noch im Bus, wie wohl unsere 25 Mitspieler aus Regensburg sein würden.
Als wir kurz darauf vor dem Institut vorfuhren, konnten wir uns erst einmal samt unseren Koffern einen gefühlten zwei Kilometer langen Berg hinauf schleppen. Völlig außer Atem kamen wir an dem kleinen Schlösschen mit Nebengebäude an.
Meine Freundin und ich hatten uns schon seit Wochen abgesprochen, dass wir in diesem UNO-Treffen auf jeden Fall die Rolle der Weltpresse übernehmen wollten.
Nachdem die Jugendoffiziere uns die wichtigsten Regeln erklärt hatten, kamen wir endlich zu dem Punkt, an dem die Ämter und Länder ausgelost wurden. Ich war super erleichtert, als mir mein "Journalist"-Band umgehängt wurde, da ich mich mit politischen Ämtern noch nicht wirklich auskannte. Kurz darauf folgte die erste Vollversammlung der elf Staaten, deren Ämter von Schülern besetzt wurden. Auch zwei Angehörige von Organisationen wie Greenpeace oder Amnesty International, der Vertreter der Weltbank, sowie die vier Journalisten der "Weltpresse" mussten hier anwesend sein. In etwa einer Stunde stellten die Regierungschefs ihre Programme für das nächste Spieljahr vor, das von den anderen Mitgliedern misstrauisch hinterfragt wurde.
Die Konzentration fiel mir allerdings schwer, da meine letzte Brotzeit schon einige Zeit zurück lag. Die Unruhe im Saal deutete eindeutig darauf hin, dass ich nicht die Einzige war, deren Magen knurrte. Nachdem wir uns mit Kaffee und Kuchen reichlich gestärkt hatten, konnten die Präsidenten, Minister und Oppositionsführer ihre Verhandlungen wieder aufnehmen. Meine Aufgabe als rasende Reporterin war es, zwischen den Tischen der Länder hin und her zu flitzen, um die neuesten Verträge zu erkunden, aber auch um Fotos zu schießen. Außerdem verfassten wir provozierende Beiträge, die wir zu einer abschließenden Präsentation zusammenfassten. Diesen Abend ließen wir gemeinsam ausklingen. Unsere Rollen verfolgten uns allerdings noch den Rest des Abends und oft arteten Gespräche in heiße Diskussionen über anstehende Verträge aus. Auch ich als Journalist musste durchgehend meine Augen und Ohren offen halten, um die Gerüchteküche brodeln zu lassen sowie heimliche Bündnisse aufzudecken.
Am nächsten Morgen konnten wir gemütlich gegen 8 Uhr aufstehen und uns an dem reichhaltigen Frühstücksbuffet stärken. In den darauf folgenden Versammlungen ging es wieder heiß zur Sache. Viele Schüler steigerten sich derartig in die Situation ihrer Länder hinein, dass die Stimmung nur wegen eines Spiels oft angespannt war. Selbst beim Mittagessen wurde noch verhandelt! Ich war ständig beschäftigt, Informationen aufzugreifen, die in den Raum geworfen wurden und das dazu passende Foto einzufangen. Ein blödes Gesicht, einmal Naseputzen oder mit einem Vertreter eines anderen Landes flirten, alles wurde sofort fotographisch festgehalten und kurz darauf öffentlich präsentiert. Mit einem gemütlichen, lustigen und auch grusligen Abend ließen wir die zwei Tage ausklingen.
Wehmütig packte ich am morgen darauf meine Koffer. Gestärkt vom Frühstück beendeten wir das letzte Polis-Jahr mit einer letzten Vollversammlung. Anschließend überreichten wir den Offizieren, die das ganze Spiel geleitet hatten, ein kleines Geschenk. Ein letztes Mal ging ich dann zum Mittagessen in das Schlösschen, um dort nochmals mit dem leckeren Essen Energie für die Heimfahrt zu tanken.
Selbst im Bus wurde noch diskutiert, wer nun sein Land am besten unterstützt hat. Doch die Gespräche dauerten nicht lange, da die Müdigkeit jedem anzumerken war. Mir fielen immer wieder die Augen zu, während mir die Sonne durch das Busfenster auf meine Nase schien und ich zusammengekauert auf dem Sitz saß. Erleichtert, dass jeder das Beste für seinen Staat getan hatte, es - wenigstens in unserer Polamp;Is-Welt - keine Hungersnöte mehr gab und die Weltwirtschaftskrise einfach ausradiert wurde , trennten wir uns vor dem Eingang unseres Gymnasiums.
Die drei Tage waren wirklich ein Erlebnis. Ich habe unheimlich viel gelernt, oft nicht einmal bewusst, sondern nebenbei, während Verhandlungen oder Finanzgesprächen. Jeder der die Gelegenheit bekommt dort mit zufahren sollte die Chance unbedingt nutzen, denn die Weltpolitik selbst gestalten zu können, ist eine unvergleichbare Erfahrung.