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Chatten ohne Risiko? - Das Interview
18. Mai 2009, 12:38 Uhr aktualisiert am 18. Mai 2009, 12:38 Uhr
Herr Simmerl, es gibt viele Chats, in denen Kinder und Jugendliche unter anonymen Namen ungestört plaudern. Welche Chats sind Ihnen bekannt?
Helmut Simmerl: Für Kinder kenne ich www.toggo.de. Das ist natürlich ein empfehlenswerter Chat. Auch ww.kindernetz.de ist eine Seite, auf der empfohlene Chats zu finden sind. Kinder und Jugendliche halten sich aber häufig nicht in Chats auf, sondern nutzen Instant Messenger, wie ICQ.
Und welche sind Ihrer Meinung nach gefährlicher?
Simmerl: Gefährlicher sind ICQ und die Messenger, weil dort keine Kontrolle stattfindet. Ein moderierter Chat ist zum Beispiel www.toggo.de. Hier gibt es einen Moderator, der darauf achtet, dass keine Ausdrücke im sexuellen Bereich fallen. Wenn jemand auffallen würde, würde er sofort gesperrt werden. Diese Moderation ist bei ICQ nicht der Fall, weil sich die Unterhaltung auf zwei Personen beschränkt. Im normalen Chat ist das Risiko noch gering, weil der ganze Chatroom voll ist. Die Gefahr geht eigentlich erst los, wenn man sich in einen privaten Chatraum zurückzieht, oder wenn man auf einen Messenger ausweicht.
Was sehen Sie beim Chatten für Risiken und Gefahren?
Simmerl: Allgemein vorerst Beleidigungen und Belästigungen. Aber im besonderen die sexuelle Belästigung und der sexuelle Missbrauch. Der sexuelle Missbrauch geht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten nicht erst an, wenn das Kind begrapscht wird. Es kann auch verbal sexuell missbraucht werden. Das Kind merkt das vielleicht gar nicht. Der Täter kann das Gespräch in die richtige Richtung lenken. Meistens gibt er vor, ein gleichaltriges Mädchen zu sein. Man tauscht sich so aus. Bald werden auch Fragen im sexuellen Bereich gestellt.
Manche Täter verschicken auch pornografische Dateien. Was aber vermehrt auffällt, ist der umgekehrte Weg. Die Täter überreden die Mädchen, sich oben ohne zu fotografieren und dem Täter das Bild zu schicken. Das wird dann gesteigert. Zum Teil mit Erpressen: "Wenn du nicht mehr schickst, veröffentliche ich das!"
Wir hatten schon Fälle in unserem Bereich: Zwei Mädchen im Alter von zwölf und 13 Jahren, haben im Chat jemanden kennengelernt, der sich als Junge ausgegeben hat. Es ist losgegangen mit normalen Bildern, oben ohne, bis zum Schluss die Bilder im kinderpornografischen Bereich waren. Die Kinder haben auch den Fehler gemacht, ihre Handynummern preiszugeben.
Welche Gefahr stellt die Anonymität der Chatter dar?
Simmerl: Die Gefahr besteht weniger in der Anonymität, weil so anonym sind die Täter im Normalfall nicht. Wir können viel ermitteln. Es ist zwar schwieriger, wenn sich jemand sehr gut auskennt, aber im Normalfall ist man nur vordergründig anonym. Tatsächlich wird eine IP-Adresse benutzt. Also man kann den Ursprung zurückverfolgen.
Welche präventiven Maßnahmen gibt es für die Eltern?
Simmerl: Zu allererst ist es wichtig, einen Chat auszusuchen. Es sollte ein moderierter Chat mit Hilfe-Button sein. Außerdem sollten Eltern den Kindern in den Favoriten einen Link zum Chat anlegen . Viele Täter nutzen aus, dass man beim Schreiben Zahlendreher hat oder Buchstaben auslässt. So kommt man auf eine ganz andere Seite. Dort ist vielleicht Werbung für Pornografie zu finden . Mit einem Favoriten-Link passiert sowas nicht.
Kinder müssen immer misstrauisch sein. Man sollte nicht glauben, was der andere sagt, sondern immer mit dem Schlimmsten rechnen. Das zu unterscheiden, ist natürlich für Kinder schwierig.
Auch wichtig: keine persönlichen Daten preisgeben, auch nicht im Nicknamen. Nicht "Binchen96", weil das normalerweise auf ein 13-jähriges Mädchen, das Sabine heißt, hindeutet. Auch im Profil sollten nicht zu viele Angaben stehen Denn die Täter informieren sich über das Profil und können gezielt bestimmte Kinder aussuchen. Adresse oder Handynummer haben natürlich auch nichts in einem Profil verloren.
Desweiteren sollte man den Kindern beibringen, den Chat sofort abzubrechen, wenn ihnen irgendetwas unangenehm ist.
Sollte es tatsächlich zu einem Treffen mit der Chat-Bekanntschaft kommen, sollten Kinder immer mit einer Person ihres Vertrauens gehen und sich nur an öffentlichen Orten treffen.
Die Kinder sollten natürlich den Eltern Bescheid sagen. Hier ist es wichtig, als Elternteil richtig zu reagieren. Wenn die Eltern dann sagen: "So eine Sauerei, das Internet. Du kommst mir da nicht mehr rein", wird das Kind beim nächsten Mal nichts mehr sagen.
Ist Ihrer Meinung nach Chatten ohne Risiko überhaupt möglich?
Simmerl: Wenn die Eltern die Vorkehrungen treffen, ist das Risiko minimiert. Aber ganz ausschließen kann man es nie.