Fingerspitzengefühl gefragt

Chiropraktik und Akupunktur gibt es auch für Pferde


Kirsten Ehrenspeck behandelt den Halswirbelbereich des Pferdes Rochee mithilfe von Chiropraktik.(Fotos: Oberberger)

Kirsten Ehrenspeck behandelt den Halswirbelbereich des Pferdes Rochee mithilfe von Chiropraktik.(Fotos: Oberberger)

Von Lisa Oberberger

Mit einem tragbaren Würfelhocker, sterilen Akupunkturnadeln und viel Fingerspitzengefühl im Gepäck macht sich Dr. Kirsten Ehrenspeck aus Cham auf den Weg zu ihren tierischen Patienten. Ihr Fachgebiet ist neben der Schultiermedizin auch die Chiropraktik und Akupunktur. Dabei hat sich die 28-Jährige neben Hunde vor allem auf Pferde spezialisiert. Von ihrer Chamer Praxis aus behandelt sie die großen Vierbeiner vor Ort beim Stall.

"Chiropraktik und Akupunktur für Pferde ist noch ziemlich unbekannt", erzählt die 28-Jährige, die aus Berchtesgaden stammt. Bei der Akupunktur behandelt sie Pferde mit sterilen Nadeln und bei der Chiropraktik arbeitet sie mit gezielten beziehungsweise schnellen Bewegungen, für die sie nur ihre Hände benutzt. Beides soll das Wohlbefinden der Pferde steigern, ihre Gesundheit erhalten und Fehlstellungen vermindern oder korrigieren. Die Pferde sollen beweglich und motiviert bleiben, damit sie genauso Spaß am Reiten haben wie der Reiter selbst. So kam Kirsten Ehrenspeck auch zu ihrem Beruf: "Ich bin einfach schon immer gern und viel geritten", verrät die Tierärztin. Außerdem findet sie den Aufbau und die Funktion des Nervensystems sehr interessant.

Bei beiden Behandlungsarten ist sehr viel Fingerspitzengefühl gefragt. Denn bevor Kirsten Ehrenspeck mit der Chiropraktik oder Akupunktur beginnen kann, tastet sie das komplette Pferd ab. Über Gesicht, Nacken, Schulter, Rücken, Hüfte und Hinterbeine.

Dabei sucht sie Stellen, an denen das Pferd empfindlich reagiert. Nur so kann sie den Vierbeiner richtig behandeln und gegebenenfalls Schmerzen lindern. Dabei ist es wichtig, eine Beziehung zum Pferd aufzubauen. Der Patient muss sich auch auf die Behandlung einlassen: "In der Regel ist das kein Problem. Viele Pferde freuen sich sogar, wenn ich komme." Das merkt sie daran, dass sie ihre Patienten anstupsen, auf Leckerlis durchsuchen oder sie aufmerksam mustern. "Es gibt zwar Pferde, die sehr empfindlich sind. Aber da muss ich nur meine Behandlungsweise anpassen - zum Beispiel weniger Druck ausüben", erklärt Kirsten Ehrenspeck. Bei Pferden, die Angst vor Nadeln haben, ist es etwas schwieriger. "Ich zeige ihnen die Nadeln und beginne mit der Akupunktur. Sie merken dann, dass es ihnen guttut." Die Nadeln kommen nicht weit unter die Haut. Manche fallen nach fünf Minuten von selbst raus, weil der Muskel an dem Punkt entspannt.

"Knochenbrechen hat nichts mit meinem Beruf zu tun"


Auf die Frage, ob sie denn das Klischee "des Knochenbrechers" vertreten könne, muss Kirsten Ehrenspeck zunächst schmunzeln. "Wir Chiropraktiker haben mit diesem Image zu kämpfen", sagt sie. Oft meinen die Pferdebesitzer, dass Chiropraktik etwas Brutales ist, das den Pferden sämtliche Knochen verbiegt. "Das hat jedoch nichts mit meiner Arbeit zu tun", betont Kirsten Ehrenspeck. "Es kommt eher auf schnelle Bewegungen an, mit denen ich kurzen Druck auf eine bestimmte Stelle ausübe. Und nicht auf die Kraft." Die Besitzer sind interessiert und schauen bei Behandlungen zu. Daraufhin ändern sie auch oft ihre Meinung. Laut Kirsten Ehrenspeck sind auch Nebenwirkungen selten und absehbar: "Es kann sein, dass die Patienten nicht in dem Maße auf die Behandlung ansprechen, wie es sein sollte. Dann muss ich weiter nach anderen Ursachen suchen", erklärt die 28-Jährige. Sie hat auch keine Angst, Nadeln falsch zu setzen beziehungsweise auf die falsche Stelle in einer bestimmten Richtung zu drücken. "Das Wichtigste ist, die Anatomie des Tieres zu kennen. Und bereit zu sein, sich auf jedes Tier neu einzustellen." Dann ist die Chiropraktik und die Akupunktur zum Beispiel auch bei Vögeln oder Reptilien anwendbar. "Ein Alpaka war für mich das außergewöhnlichste Tier, das ich behandelt habe", erzählt die 28-Jährige.

Wie sich Chiropraktik, Akupunktur und Schultiermedizin ergänzen

Das Wort "Chiropraktik" kommt aus dem Griechischen und bedeutet "mit der Hand tun". "Das ist der wichtigste Punkt bei dieser Methode. Ich arbeite nur mit meinen Händen", sagt Dr. Kirsten Ehrenspeck. Dabei sucht sie Stellen am Pferd, die verspannt sind oder blockieren. Dort reagieren die Vierbeiner sehr sensibel. So erkennt sie die Schwachpunkte. "Die Chiropraktik zielt auf Gelenke ab, vor allem auf die Wirbelsäule", erklärt die Tierärztin. Mit kurzen und schnellen Impulsen bearbeitet sie gezielt diese Stellen, um sie wieder beweglich zu machen. Das Nervensystem spielt dabei eine wichtige Rolle: "Es steht ganz oben und ist für alle Körperfunktionen zuständig", berichtet Kirsten Ehrenspeck. Wenn sie auf bestimmte Bereiche drückt, erreicht sie auch das Nervensystem. Daraufhin versorgt es diese Körperstelle wieder besser. Wenn also zum Beispiel ein Pferd lahmt, also auf eine bestimmte Weise hinkt, kann die Ärztin dem Pferd mit mehreren Behandlungen helfen, wieder normal zu laufen.

Bei der Akupunktur hingegen benutzt sie nicht nur ihre Hände, sondern vor allem sterile Nadeln. Das verrät auch der Begriff. Er kommt aus dem Lateinischen und bedeutet "mit der Nadel stechen". Die Methode selbst stammt aus China, weswegen sie ein großer Teil der Traditionellen chinesischen Medizin (TCM) ist. "Diese unterscheidet sich sehr stark von unserer westlichen Medizin", erzählt Kirsten Ehrenspeck. Bei der TCM hängen bestimmte Punkte mit verschiedenen Körperfunktionen zusammen.

Wenn das Pferd zum Beispiel Husten hat, setzt die junge Tierärztin die Nadeln nicht am Kopf oder Bauch, sondern an der Brust. Ähnlich wie bei der Chiropraktik nutzt Kirsten Ehrenspeck bei der Akupunktur das Nervensystem, weil sie mit den Nadeln bestimmte Stellen davon reizt. So kann sie dem Vierbeiner helfen. Die Akupunktur dient dazu, Krankheiten vorzubeugen und den Patienten gesund zu halten. "Und das sowohl körperlich als auch geistig. Es geht um das gesamte Pferd", sagt sie.

Die Wirkung der Akupunktur hat aber auch ihre Grenzen. Wenn etwas schon kaputt ist, kann die Behandlung nicht alles wiederherstellen. "Mit der Akupunktur macht man aus der Situation das Beste", erklärt die 28-Jährige. "Im alten China wurde der Arzt bezahlt, solange der Patient gesund blieb. Wenn er krank wurde, gab es kein Geld mehr", erzählt Kirsten Ehrenspeck. Trotzdem findet die 28-Jährige auch die Schultiermedizin wichtig. "Denn jede Behandlung muss man speziell auf das Pferd abstimmen. Wenn einem Pferd nur eine Operation hilft, kann ich mit Chiropraktik oder Akupunktur nichts ausrichten." Sie findet, dass sich Chiropraktik, Akupunktur und klassische Medizin gegenseitig ergänzen.

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Bei der Chiropraktik sind die Hände im Einsatz.

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Bei der Akupunktur kommen Nadeln zum Einsatz.