Ein Leben auf Brettern

Christoph Lipp feilt an seinen Longboard-Skills – er will Rennen fahren


Mindestens viermal in der Woche übt Christoph Lipp auf seinem Longboard. (Fotos: Seidl)

Mindestens viermal in der Woche übt Christoph Lipp auf seinem Longboard. (Fotos: Seidl)

Von Von Sonja Seidl

Christoph Lipp springt auf sein Brett, schubst es mit dem rechten Fuß kräftig an und rollt die Straße hinab. Als er schnell genug ist, stellt er sein Longboard quer - ein dumpfes Quietschen erfüllt den Frühlingsnachmittag in Mietraching im Landkreis Deggendorf. Die weißen Gummirollen malen helle Striche auf den Teer, wie ein Radiergummi. Christoph springt herab, greift nach seinem Board und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Dann marschiert er wieder die Straße hoch, um erneut hinunterzubrettern. Und noch einmal und noch einmal.

"Sliden" (dt. rutschen) heißt der Trick, bei dem Christoph sein Longboard während der Fahrt querstellt. Der 16-Jährige beherrscht sogar die Kür: einen Stand-Up-Slide - also Sliden im Stehen.

Ob Cruisen oder Downhill: "Longboarden kann jeder"

Vor zweieinhalb Jahren stand der Realschüler das erste Mal auf einem Longboard. Schon vorher fuhr der Mietrachinger viel Skateboard. Ein Skateboard - das kennt jeder. Doch unter einem Longboard können sich nur die wenigsten etwas vorstellen. Ein Longboard ist länger als ein gewöhnliches Skateboard. Die Rollen sind weicher und größer. In Deutschland ist die Longboardszene noch klein - aber sie wächst. Kein Wunder: "Longboarden kann jeder", ist Christoph überzeugt. Wer es ruhiger angehen will, cruist gemütlich auf dem Radweg. Wer mehr Action braucht, kann sich etwas Steileres suchen. Auch das Alter ist egal. Die Longboarder, die Christoph kennt, sind zwischen acht und 50 Jahre alt. "Es gibt keinen typischen Longboarder", sagt er. Klischees wie bei den Skateboardern (Sie hören angeblich nur "Blink 182" und tragen Vans) gelten für die Longboard-Szene nicht. Auch im Netz gibt es eine Longboard-Community. In der Facebook-Gruppe des Deggendorfer Boardshops "Talwärts" etwa organisieren die Longboarder aus dem Umkreis gemeinsame Touren, zum Beispiel in Mietraching, am Ulrichsberg, an der Talsperre oder auch an der Hohen-Bogen-Talstation.

Miteinander fahren macht mehr Spaß - und ist sicherer

Bevor Christoph zur nächsten Abfahrt startet, legt sich sein Kumpel Simon Stillenmunkes auf den Asphalt. Er fängt den Longboarder beim Sliden mit seiner Smartphone-Kamera aus Bodennähe ein. Die Jungs filmen und fotografieren sich gerne gegenseitig und stellen das Ergebnis dann online. Markus Penzkofer steht derweil einige Meter weiter unten. Er hält Ausschau nach Autos. Christoph, Simon und Markus gehen regelmäßig miteinander Longboarden. "Alleine fahren macht nicht so viel Spaß", sind sie sich einig. Und zusammen ist es sicherer. Die drei sind ein Team, in dem sich jeder auf den anderen verlassen kann, komme was wolle - zum Beispiel wenn einer stürzt. "Das kommt schon hin und wieder vor", sagt Christoph und deutet auf eine Schürfwunde an seinem Ellenbogen. Vor solchen Verletzungen schützen auch Helm, Handschuhe und Knieschoner nicht immer.

Longboarden ist Christoph Lipps große Leidenschaft. Und er ist richtig gut darin. Er übt und trainiert bis zur Perfektion, sein großes Ziel: Downhillboarden. Das heißt, er will mit 60 oder mehr Stundenkilometern den Berg hinunterbrettern. Auch bei dieser Longboard-Session ist es Christoph anzusehen: Er will noch viel besser werden. Eine Pause haben er und seine Freunde sich aber trotzdem verdient. Dafür haben sie sich ein sonniges Bänkchen in Mietraching gesucht - ihr Stammplatz. Ein Schluck Wasser, ein Bissen vom Wurstbrot und ein Blick auf das Smartphone.

Christoph schraubt an seinem Longboard. Er wechselt die Räder und erzählt vom Reiz der Geschwindigkeit, wenn man auf dem Brett den Berg hinunterfährt. Zum Downhillboarden hat er sich schon eine Lederkombi zugelegt, nur ein entsprechender Helm mit Visier fehlt noch. Der 16-Jährige spielt mit dem Gedanken, im Juli beim "Almabtrieb" bei Neukirchen bei Bogen mitzufahren. Das Rennen gehört zur offiziellen IDF (International Downhill Federation) Longboard Downhill Worldchampionship. Es findet zum dritten Mal auf der dreieinhalb Kilometer langen Strecke mit vielen Haarnadelkurven statt. "Da sind die ganz Großen der Szene mit dabei."

Sieben Boards - für jede Gelegenheit eins

Mindestens viermal die Woche, jeweils vier Stunden lang, verbringt Christoph Lipp auf einem seiner Bretter. Insgesamt sieben hat er zu Hause, eines davon hat er selbst gebaut. "Nicht jedes Board ist gleich", erzählt der Realschüler. Das eine eignet sich wegen seiner Form eher zum Downhillfahren, das andere zum Cruisen: "Es gibt für jede Gelegenheit ein Board." Außerdem basteln die Jungs gerne an ihren Brettern. Downhill-Rennen und Tricks - für Christoph zählt das besondere Gefühl, welches das Longboarden in ihm auslöst: "Man kann dabei abschalten und denkt nur noch an seinen Run."

Dann ist die Pause auch schon vorbei. Die drei Longboarder schnallen sich wieder ihre Helme um, nehmen ihre Bretter und schlendern zur Straße.

In der Pause wechselt Christoph seine Räder (Wheels). Die weißen (rechts) sind im Vergleich zu den grünen schon ziemlich abgefahren. Das kommt vom vielen Sliden.

In der Pause wechselt Christoph seine Räder (Wheels). Die weißen (rechts) sind im Vergleich zu den grünen schon ziemlich abgefahren. Das kommt vom vielen Sliden.