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Dem 'Mysterium Indien' auf der Spur
21. September 2011, 10:19 Uhr aktualisiert am 21. September 2011, 10:19 Uhr
Ein Kooperationsprojekt der Universitaet Regensburg fuehrt mich diesen Sommer an die "Rishi Valley School" in Suedindien. Dort werde ich vier Wochen lang die Entwicklung einiger Landschulen verfolgen und die dort praktizierten Unterrichtsmethoden testen.
Doch bevor der 'Ernst des Schullebens' beginnt, hiess es erst einmal Land und Leute kennenlernen und sich auf die Kultur und Mentalitaet der indischen Bevoelkerung einstellen.
Auf einer zweiwoechigen Rundreise habe ich die ersten Eindruecke des 'Mysteriums Indien' wahrgenommen. Es gibt in Indien eine unglaubliche Vielzahl an ethnischen Gruppen, Landschaften und Traditionen. Man kann aus einer fast unueberschaubaren Fuelle auswaehlen.
Von der Millionenstadt Bangalore, dessen urbane Entwicklung in der letzten Zeit einen enormen Aufschwung genommen hat, der sich vor allem im Strassenverkehr, der Bevoelkerungszahl und der Umweltverschmutzung zeigt, ging es zunaechst in das etwas kleinere Mysore, drei Busstunden suedwestlich von Bangalore. Neben dem Maharaha-Palace, eine der grandiosesten koeniglichen Bauten Indiens, bin ich vor allem von dem Devaraja-Market, einem bunten Basar, der sowohl traditionelles Handwerk und Gewuerze anbietet als auch die modernen Facetten Indiens ausstrahlt, fasziniert. Ein Abstecher in die kuehle Gebirgskette der auf ueber 2000 Meter hoch gelegenen Nigiri Hills fuehrt zu Suedindiens beruehmtester Hill Station, die Anfang des 19. Jahrhunderts von den Briten errichtet wurde. Die Fahrt mit der Schmalspurbahn eroeffnet ein Bild auf die malerische Landschaft mit ihren unzaehligen Tee- und Gewuerzplantagen, Wasserfaellen und Wildblumen und endet an der Westkueste des Arabischen Meeres. Besonders imposant sind die chinesischen Fischernetze an den Haefen, die die kolonialen Einfluesse wiederspiegeln. In der Stadt Allepey befindet sich schliesslich der Zugang zur Hauptattraktion der Region: die Backwaters - ueber 900 Kilometer lange schiffbare Wasserwege. Ein Netz aus Fluessen, Seen und Kanaelen saeumt die Kueste und zieht sich weit ins Hinterland hinein. Lange bevor es Strassen gab, waren diese Gewaesser die 'fluessigen Highways' Indiens, umgeben von Reisfeldern, Kokoshainen und idyllischen Doerfern.
Bei all der spektakulaeren Natur die Indien zu bieten hat, darf man aber die gesellschaftlichen Verhaeltnisse dort nicht vergessen. Das Jahreinkommen betraegt etwa 970 US-Dollar, die Analphabetenrate liegt bei fast 40 Prozent und ein Drittel der Armen der Welt ist in Indien sesshaft und muss von weniger als 20 Rupien (umgerechnet etwa 30 Cent) am Tag leben. Gleichzeitig besitzt Indien eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt. Jedoch profitiert nur ein geringer Anteil von dem Aufschwung. Indien gilt als ein Land, in dem die Unterschiede zwischen modern und traditionell, zwischen arm und reich, so stark aufeinander prallen wie fast nirgendwo sonst.
Gerade deswegen werde ich an einer Schule unterrichten, die sich besonders darum bemueht, den Kindern aus aermeren und laendlichen Familien eine Perspektive zu geben und sie zu selbstaendigen und unabhaengigen jungen Menschen zu erziehen. Doch bevor der Besuch der Schule vor der Tuer stand, habe ich an den Palmenstraenden des indischen Ozeans noch einmal genuegend Energie getankt. Die Urlaubsorte sind deutlich entspannter als die Grossstaedte Indiens. Die Hospitation an der Rishi Valley School konnte endlich beginnen!