Berufsportrait

Ein richtig heißer Job: Marcel Kerscher ist Kunst- und Glockengießer


Mit kleinen Werkzeugen bearbeitet er den Abdruck vom Modell nach. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt.

Mit kleinen Werkzeugen bearbeitet er den Abdruck vom Modell nach. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt.

Dort, wo er arbeitet, kann es auch mal bis zu 500 Grad heiß werden: Marcel Kerscher ist Kunst- und Glockengießer bei der Glockengießerei Gugg in Straubing. Und obwohl in der Berufsbezeichnung von Glocken die Rede ist, stellt der 19-Jährige viel öfter Kunstwerke her.

An diesem Mittwoch muss sich Marcel um ein Tier kümmern: eine Giraffe. Die Figur wird später aus Bronze gegossen. Von einer Künstlerin hat er dazu ein Modell erhalten, zu dem er eine Gussform anfertigt. Neben kleinen Kunstwerken entstehen auch viel größere Objekte am Arbeitsplatz des Straubingers: "Gerade ist zum Beispiel ein Hinkelstein in Planung. Der wird riesig", erzählt der junge Mann.

Drei Jahre hat Marcels Ausbildung gedauert. Neben dem Arbeiten in der Werkstatt der Glockengießerei Gugg ging er in dieser Zeit auch auf eine Berufsschule. Dafür musste er extra nach Pegnitz fahren. "Denn nur dort gibt es eine Schule, an der Kunst- und Glockengießer ausgebildet werden", sagt Marcel. Praktisch und theoretisch lernte er in der Schule alles rund ums Gießen.

Schwitzen am Gussofen

In der Halle, in der Marcel von Montag bis Freitag arbeitet, ist es laut und schmutzig. Viele Geräte kommen hier zum Einsatz. Das wichtigste in der Werkstatt: der Gussofen. Darin schmelzen er und seine Kollegen Metalle ein. "Da kommst du ganz schön ins Schwitzen", beschreibt der 19-Jährige. Der Gussofen läuft aber nicht immer. "Nur wenn sich ein paar fertige Gussformen angesammelt haben, heizen wir ihn ein", erklärt er. So können sie gleich für mehrere Kunstwerke auf einmal Metall schmelzen. "Anders wäre es zu aufwendig", begründet Marcel.

Wird nicht gegossen, fertigen er und seine Kollegen Gussformen an - so wie es Marcel gerade für die Giraffe macht. Die Glockengießerei Gugg macht Sandguss. Das heißt, die Gussformen werden mit Sand angefertigt.

Für so eine Form braucht der 19-Jährige zwei Hälften: einen Ober- und einen Unterkasten. Mit einem Gemisch aus Quarzsand und Öl füllt er die eisernen Kästen. Mit dem Modell der Giraffe formt er einen Abdruck. Hier ist wichtig: "Ich muss mir genau überlegen, wo ich die Hälften später trenne", erklärt der Straubinger. "Genau die Mitte muss es sein. Wähle ich falsch, bleibt der Abdruck nicht, wenn ich beide Hälften trenne." Genau so, wie Marcel es plant, wird es meistens nicht. Dann kommt die Feinarbeit an die Reihe. Mit kleinen Werkzeugen bessert er nach. Außerdem formt er Wege für das flüssige Metall. Die muss er schlau festlegen, denn: "Später wird das Metall, das am Ende an der Figur hängt, entfernt und das sollte einfach gehen", sagt er.

Geht es ums Vorbereiten einer Gussform, ist Kreativität gefragt. Aber auch handwerkliches Geschick und Kraft sind wichtig. Und mit Mathe und Physik sollten Kunst- und Glockengießer etwas anfangen können. Denn für die Planung eines Kunstobjekts oder einer Glocke muss auch mal gerechnet werden. "Außerdem sollte Dreck kein Problem sein", fügt Marcel hinzu.

Beruf mit langer Vergangenheit

Seit Juli dieses Jahres ist Marcel mit seiner Ausbildung fertig. Besonders faszinierend findet er, dass der Beruf eine sehr lange Vergangenheit hat. "Seit rund 5.000 Jahren gibt es Kunstgießereien", schätzt Johann Gugg, Geschäftsführer der Glockengießerei Gugg in Straubing. Außerdem werden Kunst- und Glockengießereien immer seltener. "Viele müssen aufhören, weil sie den Sprung von der Herstellung von Glocken zu Kunstwerken nicht schaffen", fügt er hinzu. Denn die Nachfrage nach Glocken ist mittlerweile sehr gering. Marcel erinnert sich spontan nur an zwei Glocken, die er mit seinen Kollegen gegossen hat. Jetzt, nach der Ausbildung, könnte der 19-Jährige studieren: "Auf die BOS und dann auf eine FH zu gehen, kann ich mir nicht vorstellen. Das passt nicht zu mir", gibt der junge Mann zu. Er hat ein anderes Ziel: Marcel will den Meister in seinem Handwerk machen.


Berufssteckbrief:
Berufsbezeichnung: Metall- und Glockengießer/in
Ausbildungsdauer: Drei Jahre
Ausbildungsform: Duale Ausbildung im Handwerk
Schulabschluss: Rechtlich ist keine bestimmte Schulbildung vorgegeben, meistens wird ein qualifizierter Hauptschulabschluss verlangt.
Fachrichtungen: Kunst- und Glockengusstechnik Metallgusstechnik Zinngusstechnik
Voraussetzungen: Sorgfalt, handwerkliches Geschick, Umsicht, zeichnerische Fähigkeiten, mathematisches und physikalisches Verständnis, körperliche Ausdauer.
Verdienst während der Ausbildung: 1. Ausbildungsjahr: 443 bis 714 Euro; 2. Ausbildungsjahr: 469 bis 755 Euro; 3. Ausbildungsjahr: 549 bis 823 Euro

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Beim Gießen kommen Glockengießer richtig ins Schwitzen.

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Hier fertigt Marcel anhand einer Vorlage eine Gussform aus Sand an.

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Der Beruf des Glockengießers erfordert viel Kraft - das weiß Marcel. Er muss zum Beispiel schwere Dinge heben können. Hier schaufelt er Sand in seine Gussform.

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Marcel Kerscher ist Kunst- und Glockengießer. Im Juli 2015 hat er seine Ausbildung bei der Glockengießerei Gugg in Straubing abgeschlossen.