Landshuter Hochzeit
Eintauchen ins Mittelalter: Anna Temporale will die Rolle einer tanzenden Edeldame spielen
2. Februar 2017, 15:42 Uhr aktualisiert am 2. Februar 2017, 15:42 Uhr
Nach vier Jahren Pause wird dieses Jahr wieder die Landshuter Hochzeit veranstaltet. Auch die 18-jährige Anna Temporale würde gerne mitmachen und in die Rolle einer tanzenden Edeldame schlüpfen. Wir waren bei ihrer Bewerbung zu Besuch.
Annas Lippen beben leicht, wenn sie spricht. Sie ist aufgeregt. Aber sie lächelt. Gleich soll sie sich vorstellen. Sie bewirbt sich heute für eine Rolle bei der Landshuter Hochzeit, dem großen historischen Fest, das alle vier Jahre in Landshut stattfindet. Ab 30. Juni ist es wieder soweit. Drei Wochen lang, bis zum 23. Juli, wird dann in Landshut wieder mittelalterliches Leben einkehren. Alle, die mitmachen möchten, stellen sich in diesen Wochen persönlich beim Verein "Die Förderer" vor. Er veranstaltet die Landshuter Hochzeit. Mehr als 2 300 Darsteller haben zuletzt mitgewirkt. Anna Temporale möchte gerne eine der vielen Rollen haben - am liebsten die einer tanzenden Edeldame. Edeldamen haben bei der echten Landshuter Hochzeit, also 1475, die Gäste mit schönen Tänzen unterhalten. Bei der Aufführung in der Gegenwart treten sie im sogenannten Reigen beim Fest- und Tanzspiel in Erscheinung. Wenn die 18-jährige Anna gleich vor den Besetzungsausschuss tritt, wird sie schon einmal einige Schritte tanzen müssen. Das weiß sie von früheren Bewerbungen. Anna ist nicht zum ersten Mal dabei. Heute tritt sie zum vierten Mal vor den Ausschuss. Dieser vergibt verschiedene Punkte. "Es kommt unter anderem darauf an, wie schnell sich die Bewerber die Schritte einprägen können", erklärt Alexander Truhler. Er ist Mitglied des Vorstands der "Förderer". Und Anna glaubt: "Es wird auch auf den Ausdruck ankommen, dass man im Takt ist, offen auftritt, sich interessiert zeigt und nicht verschlossen ist. Insgesamt freundlich." Pluspunkt: Anna tanzt auch in ihrer Freizeit. Ein Choreograph und Experte für historischen Tanz wird sich heute genau anschauen, wie sich die Bewerberinnen machen. Er probt später mit ihnen und bereitet sie auf die Aufführung vor.
Auf die Größe kommt es an
Doch zunächst einmal wird Anna gemessen. "Die Größe ist wichtig, um entscheiden zu können, ob wir ein Gewand haben", erklärt Alexander Truhler. Dem Verein gehört ein riesiger Fundus an Kostümen, die nach mittelalterlichem Vorbild geschneidert sind. Jeder Darsteller erhält für die drei Aufführungswochen ein solches Gewand. Danach wird auch noch das Maß von Annas Haaren genommen. "66 Zentimeter", sagt die Frau mit dem Maßband. Die Haare der Mädchen sollten möglichst lang sein. Ganz der Mode des Mittelalters entsprechend. Zuletzt wird von Anna noch ein Foto gemacht, dann heißt es erst einmal: einreihen in eine lange Reihe von Bewerberinnen. "Es wird wohl eineinhalb Stunden dauern", sagt ein "Förderer"-Mitglied mit bedauerndem Gesichtsausdruck. Anna scheint das nichts auszumachen. Sie weiß: Es lohnt sich. Ihre Augen fangen zu leuchten an, wenn sie sich an die vergangenen Aufführungen erinnert. Zweimal war sie Teil der Kindergruppe, zuletzt ein tanzender Brautpage.
Neuzeitliche Geräte verboten
Während des Wartens ist der Blick aufs Handy noch erlaubt. Aber bei der Landshuter Hochzeit müssen die Teilnehmer auf dieses neuzeitliche Gerät verzichten. Denn alles, was nach Moderne aussieht, ist da tabu: Handys, Kameras, Brillen, Regenschirme... Die "Förderer" legen großen Wert darauf, dass die Darsteller möglichst so auftreten und aussehen wie die echte Hochzeitsgesellschaft von 1475. Und zu mittelalterlicher Kleidung passt nun wirklich keine Brille. Dort, wo die Gewänder aufbewahrt werden, im sogenannten Zeughaus in Landshut, findet die persönliche Vorstellung statt. Bewerben konnte sich dafür grundsätzlich jeder, der in Stadt und Landkreis Landshut wohnt. Gleich ist Anna dran. Die Bewerberinnen treten in Dreier-Gruppen an. Nach einer kurzen Namensprüfung sagt der belgische Choreograph Lieven Baert einige Schritte an: "Lang, kurz, lang..." In der Hand bewegt er dazu Kastagnetten, und gibt damit den Rhythmus vor. Anna kann sich die Schritte schnell merken und sie tanzen. Sie kannte die Schrittfolge schon, wird sie nachher erzählen. Auch die Nervosität, sagt sie, war beim Tanzen wie verflogen.
Ob Anna genommen wird, erfährt sie erst in einigen Wochen. Wenn ihr Wunsch in Erfüllung geht und sie eine tanzende Rolle bekommt, beginnen im März die Proben. Zuerst finden sie zweimal pro Woche statt. Je näher das Fest rückt, desto häufiger werden sie. Zwischendurch muss Anna Abitur schreiben. "Das wird interessant", sagt sie und lächelt. Ihr ist aber nicht bang deshalb. "Ich denke, die Tanzproben wären eine gute Abwechslung zum Lernen."
Die Landshuter Hochzeit
Die Landshuter Hochzeit erinnert an die Hochzeit der polnischen Königstochter Hedwig mit dem bayerischen Herzog Georg. Sie hat tatsächlich stattgefunden, nämlich im Jahr 1475, also im Mittelalter. Seit 1903 wird sie in Landshut nachgespielt. In den vier Wochen der Aufführungen gibt es ein umfangreiches Programm. Die kostümierten Darsteller zeigen nicht nur mittelalterliche Tänze. Auf historischen Instrumenten spielen sie auch Musik aus dieser Zeit. Außerdem gibt es ein großes Lagerleben, in dem die einzelnen Gruppen das mittelalterliche Leben darstellen. Besonders begehrt sind Tickets für die Ritterspiele sowie die sogenannten "Festlichen Spiele im nächtlichen Lager". Größter Besuchermagnet und Höhepunkt sind die Umzüge an den Hochzeitswochenenden, die unter anderem durch die Altstadt führen. Die Organisatoren der Landshuter Hochzeit, der Verein "Die Förderer", legt besonders viel Wert auf die historischen Details. Daher gilt die Landshuter Hochzeit als einzigartig in Europa.