Jahr im Ausland
Emily Spanner aus Mitterfels lebt bei einer Gastfamilie in Chile
8. November 2024, 11:20 Uhr aktualisiert am 8. November 2024, 11:20 Uhr
8. November 2024: Feiern in Chile
Zu einem Auslandsjahr gehört es, die Kultur vor Ort kennenzulernen. Umso passender, dass hier in letzter Zeit verschiedene Feste stattgefunden haben. So konnte ich in den rund drei Monaten, die ich nun schon in Chile bin, vieles mitfeiern. Zum Beispiel die Semana Salesiana meiner Schule.
Dafür werden die Klassen in vier Alianzas (Allianzen) aufgeteilt. Ziel ist es dann, in Spielen möglichst viele Punkte zu sammeln. Vorher gab es jedoch viel zu tun: zum Beispiel das Klassenzimmer putzen und dekorieren, das wird nämlich auch bewertet, ein Musikvideo drehen und verschiedene Proben.
Nach der offiziellen Eröffnung am Montagmorgen konnten wir in unterschiedlichen Spielen Punkte sammeln. Am Abend gab es noch eine Art Faschingsumzug durch die Stadt. In den nächsten Tagen hat jede Alianza einen Buenos Dias am Morgen gestaltet. Das ist eine Versammlung, die wir auch sonst jeden Tag haben und die aus Gebeten, einer Lesung und Organisatorischem besteht. Außerdem stand jeder Tag unter einem Motto, wie zum Beispiel „Verrückte Frisur“ oder „Kostüm“. Zusätzlich gab es unter anderem einen Sport- und Tanzwettbewerb, eine Parade und eine Talentshow. Am darauffolgenden Montag wurde das Ergebnis verkündet, wir sind auf dem dritten Platz gelandet.
Mir hat die Semana Salesiana viel Spaß gemacht und ich finde es gut, dass man auch mal außerhalb des Unterrichts gemeinsam etwas als Klasse gemacht hat.
Der 18. September ist Chiles Nationalfeiertag. Im Jahr 1810 begann da der Unabhängigkeitsprozess des Landes. Noch heute werden rund um das Datum die Fiestas Patrias gefeiert. Typischerweise gibt es Empanadas (gefüllte Teigtaschen), Terremoto (besteht in der alkoholfreien Version aus Zitronenlimo, Sirup und Ananas-Eis) und Mote con huesillo (ein sehr süßes Getränk mit Dosenpfirsichen und Weizenkörnern).
Während der Feiertage besucht man Familie und Freunde zum Essen oder lädt ein. Dann grillt man zum Beispiel auch Anticuchos (ähnlich wie Schaschlikspieße). Außerdem wurde an meiner Schule eine sogenannte Kermesse veranstaltet, bei der jede Klasse einen Stand hatte. Meine hat beispielsweise verschiedene Spiele angeboten. Ich bin mit meiner Gastfamilie auch ein paar Mal ins Zentrum gefahren, wo es jede Menge verschiedener Stände mit Essen und Spielen gab. Zu den Fiestas Patrias gehören übrigens auch traditionelle Tänze dazu, wie insbesondere der Nationaltanz Cueca. Auch die Fiestas Patrias haben mir gut gefallen und ich freue mich schon auf die nächsten Feste.
15. September 2024: Die ersten Wochen in Chile
Die chilenische Kultur kennenlernen und mein Spanisch verbessern: Deshalb hat es mich nach Chile gezogen. Mit AFS, einer der größten Austauschorganisationen, habe ich mein Auslandsjahr organisiert. Bis Juni 2025 lebe ich in der Kleinstadt Puerto Natales bei meiner Gastfamilie. Die besteht aus meinen Gasteltern, meinem Gastbruder, der mit mir in eine Klasse geht, meiner zweijährigen Gastschwester, vier Katzen und einem Dackel. In den ersten Wochen sind mir schnell ein paar Unterschiede zwischen Deutschland und Chile aufgefallen.
1. Fürsorge
Chilenische Eltern sind sehr besorgt um ihre Kinder. Auch als Gastschüler soll ich immer schreiben, wenn ich ein Gebäude verlasse und zu Hause ankomme. Häufig wird man mit dem Auto gefahren. Diese Fürsorge hat Gründe: Auf den Straßen ist es zum Beispiel nicht so sicher wie in Deutschland.
2. Körperkontakt
In Chile ist es üblich, mehr Körperkontakt zu seinen Mitmenschen zu haben. Das fängt schon bei der Begrüßung an, bei der man dem Gegenüber einen Kuss auf die linke Wange gibt. Für mich war das anfangs komisch – besonders bei Personen, die man nicht wirklich kennt oder bei Respektspersonen wie Lehrern. Aber mittlerweile finde ich es schön, so herzlich begrüßt zu werden.
3. Pünktlichkeit
Hier stimmt das Klischee, dass Pünktlichkeit in Südamerika entspannter gesehen wird. Ein Beispiel: Einmal bin ich mit meiner Gastfamilie fünf Minuten vor einem Treffen noch entspannt am Esstisch gesessen und meine Gasteltern meinten, sie hoffen, dass alle pünktlich sind. Dabei war klar, dass auch wir zu spät kommen werden. Sie wollten aber lediglich warten, bis genügend Leute dort sind, damit das Treffen wirklich stattfindet. So entspannt Chilenen im Alltag mit Verspätungen umgehen, gilt das natürlich nicht für wichtige Termine.
4. Schule
Auch in der Schule gibt es Unterschiede: Dort ist es beispielsweise Pflicht, eine Uniform zu tragen. Ich hatte die Möglichkeit, zwischen der regulären und der Sportuniform zu wählen. Letztere tragen die meisten, auch ich habe mich dafür entschieden. Sie besteht aus einem schwarzen Pulli und einer Jogginghose. Auch wenn sie nicht wirklich ein optisches Highlight ist, finde ich es gut, nicht jeden Morgen überlegen zu müssen, was ich anziehe. Dazu kommt das Gefühl von Verbundenheit innerhalb der Schulgemeinschaft.
Das Schulsystem in Chile ist anders als in Deutschland. Man beginnt zunächst mit zwei Jahren Vorschule, darauf folgen dann acht Jahre Grundbildung. Danach kann man sich zwischen je vier Jahren an einer naturwissenschaftlich-humanistischen oder an einer technischen Schule entscheiden. Meine Klasse ist mit 28 Schülern und – nur – 9 Schülerinnen deutlich größer als in Deutschland und entspricht ungefähr der 11. Klasse.
Der Unterricht ist um einiges lockerer als daheim. Die Lehrer sprechen wir zum Beispiel mit ihrem Vornamen an und es stört sie kaum, wenn Handys während des Unterrichts für Spiele oder Social Media genutzt werden.
5. Verkehr
Obwohl Puerto Natales eine Kleinstadt ist, finde ich den Straßenverkehr ziemlich verwirrend. Im Zentrum gibt es ein Einbahnstraßensystem, das ich bis jetzt wenig durchblickt habe und das dazu führt, dass man zum Teil einen riesigen Umweg fahren muss, um wieder an dieselbe Stelle zu kommen. Ampeln gibt es ebenfalls wenige und wenn die Vorfahrt unklar ist, fährt jeder einfach, wann er oder sie meint. Das gilt auch beim Überqueren von Straßen zu Fuß, wobei die meisten Autofahrer gegenüber Fußgängern sehr respektvoll sind.
Nach den ersten Wochen fühle ich mich sehr wohl in Chile. Die Menschen sind aufgeschlossen und freundlich, was ich in mehreren Situationen erfahren habe. Dazu hat mich meine Gastfamilie so herzlich aufgenommen und bemüht sich immer, trotz der in Südamerika typisch fleischlastigen Ernährung, für mich etwas Fleischloses zu kochen.
Die Freischreiben-Autorin Emily Spanner wird in loser Folge von ihrem Aufenthalt in Chile für die Freistunde berichten.