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Gedanken, die kein Zweiter denkt: Nina Zeindlmeier über Sängerin "lilly among clouds" aus Straubing
6. Mai 2016, 18:02 Uhr aktualisiert am 6. Mai 2016, 18:02 Uhr
Lilly sitzt auf einer kleinen Bühne am Piano. Kühl ist es in der Freiburger Kneipe. So kühl, dass viele der gedrängt stehenden Gäste ihre Daunenjacken und Mützen anbehalten haben. Sie unterhalten sich, lachen, trinken Bier. Ausgelassenes Stimmengewirr. Lilly hat rotbraunes Haar, Sommersprossen und trägt eine ockerfarbene Strickjacke. Ihre Augen sind geschlossen, ihre Finger liegen auf den schwarz-weißen Tasten des Klaviers vor ihr. Sie atmet tief ein und wieder aus. Dann spielt sie die ersten Töne und beginnt zu singen. Einfach so. Als hätte sie die Menschen um sich herum nicht bemerkt.
Die vorderen Reihen sind sofort ruhig, weiter hinten werden die Gespräche fortgeführt. Dann stimmen Schlagzeuger und Gitarrist mit ein. Jetzt gilt der jungen Künstlerin "lilly among clouds" die volle Aufmerksamkeit des Publikums.
Wenn sie singt, klingt das wie eine Mischung aus Birdy, Alanis Morisette und Norah Jones. Ihre Lieder schreibt die gebürtige Straubingerin selbst. "Das ganz normale Leben" ist es, was sie zu Texten inspiriert. Wenn es ihr nicht gut geht, setzt sie sich lieber ans Klavier, als unter Leute zu gehen. "Der typische Fall von Selbsttherapie", kommentiert sie lachend. Beim Songschreiben hat sie zuerst eine Melodie im Kopf. "Dann kommt ein Satz dazu, über den ich vielleicht vor Wochen nachgedacht habe", erklärt sie. Daraus erschafft sie ihre zugleich düster melancholischen und wohlig warmen Kunstwerke. Auf manche Liedzeilen ist sie besonders stolz. Auf solche nämlich, die eine sehr individuelle Bedeutung für sie haben. "Es ist schön zu wissen, dass ich diese Sätze mit Gedanken verbinde, die kein Zweiter denkt." In Lillys Songs geht es unter anderem um Familie. Oder darum, dass man manchmal etwas wagen muss, um anderen in Erinnerung zu bleiben. Auch das Thema Fernbeziehung beschäftigt sie. In dem Song "Long Distance Relationship" reflektiert sie eigene Erlebnisse. "Stop, stop, stop the moment", heißt es da. "Dabei habe ich immer diesen Bahnhofsmoment im Kopf, wenn man sich von seinem Partner verabschieden muss." Musik hat ihr geholfen mit der Situation umzugehen. "Manchmal ist das die Lösung: zu wissen, dass es anderen genau so geht und man nicht das einzige Paar ist, bei dem es kompliziert ist." Vielleicht teilt Lilly deshalb so viel von ihrer Persönlichkeit und so viele Erfahrungen in ihren Songs. Um den Zuhörern zu zeigen, dass es in Ordnung ist, wenn im Leben nicht alles glatt läuft.
Ein klingelndes Handy unterbricht Lillys Auftritt in der Studentenbar. "Telefon! Wir hören jetzt alle mit", scherzt sie. Den nächsten Titel begleitet sie nicht auf dem Klavier. Sie sammelt sich, schließt die Augen. Während sie singt, bewegt sie ruhig die Hände. Als Zuhörer hat man den Eindruck, sie würde die Geschichte des Songs vor ihrem inneren Auge erleben. Es ist das letzte Stück für diesen Abend, der Teil ihrer Tour durch Deutschland ist. "Es war mir eine Ehre, hier in Freiburg spielen zu dürfen", verabschiedet sich "lilly among clouds" und schenkt ihren Zuhörern noch einmal ein herzliches Lächeln.