Smartphone

Hört da wer mit?

Belauschen uns Apps wie Facebook und Instagram? Unser Autor macht den Versuch


Tragen wir täglich eine Wanze mit uns herum? Die uns belauscht und unsere Zukunft besser kennt als wir selbst?
Unser Autor macht den Versuch und testet sein Smartphone. Mit dabei: Facebook, zwei Experten, ein Datenschützer.

Ich habe keine Katze und ich mag auch keine. Ich musste sogar schonmal notlanden wegen einer. Ich bin also wirklich kein Fan der Tiere. Und Katzenfutter brauche ich sowieso nicht. Trotzdem zeigt mir Facebook Werbung dazu an. Wie es dazu kam? Das ist die Geschichte der Operation Katzenfutter.

Der Verdacht

Sie beginnt in der Facebook-App. Bei einem gesponserten Beitrag von Amazon werde ich stutzig. Eine externe Festplatte. Vor wenigen Minuten habe ich mich darüber unterhalten. Persönlich, privat. Ohne Smartphone. Nun bekomme ich Werbung dazu angezeigt. Zufall? Als ich das in der Redaktion schildere, merke ich: Nein. Meine Kolleginnen und Kollegen erzählen von ähnlichen Erfahrungen. Unser Verdacht: Facebook und Instagram hören uns ab. Schamlos, ständig. Sie werten aus, was in der Nähe der Handys gesprochen wird, und schalten passende Werbung dazu.

Das Experiment

Ich möchte herausfinden, ob das stimmt, und starte ein Experiment. Eine Woche lang werde ich mehrmals täglich mit meinem Handy sprechen. Über Katzenfutter. Ich will erreichen, dass Facebook und Instagram mir dazu Werbung anzeigen. Und damit den Verdacht bestätigen.

Warum genau Katzenfutter? Es hat nichts mit mir zu tun. Ich habe es weder schon mal gegoogelt noch gekauft. Ich besitze nicht mal ein Haustier. In Phase eins des Experiments rede ich darüber, während alle Apps geschlossen sind und das Handy gesperrt ist. Dann schaue ich bei Facebook und Instagram, welche Anzeigen sie schalten.

In den ersten Tagen merke ich: nichts. Ich bekomme die übliche Werbung: Reiseziele, Kamera-Equipment, Software zur Foto- und Videobearbeitung. Alles Dinge, die mich interessieren. Facebook weiß das.

Ich rufe bei Ernst Schulten an, Wirtschaftsinformatiker und Datensicherheits-Experte. "Knapp 100 Daten sammelt Facebook von jedem Nutzer", sagt er. Die wichtigsten: Position, Alter, Geschlecht, Sprache und Bildung. Damit weiß Facebook, wie die Nutzer ticken. Was er mag, wen sie hasst, wohin beide in den Urlaub fahren.

Das Orakel

Entscheidend für die Konzerne, erschreckend für Nutzer: So können Facebook und Co. in die Zukunft blicken. Das erklärt Stefan Ritter, Diplom-Informatiker und App-Entwickler aus Landshut: "Die Unternehmen interessieren sich nicht wirklich für unsere Daten aus der Vergangenheit." Er nennt als Beispiel den nächsten Urlaub: "Die Unternehmen sagen: 300 Leute haben ein fast identisches Profil wie unser Anwender, die sind alle als Nächstes in die Türkei gereist. Da ist es wahrscheinlich, dass unser Nutzer das auch tut."

Jeder Nutzer, jede Persönlichkeit, wird in Daten, Zahlen und Informationen zerlegt. In Tabellen einsortiert, analysiert und verglichen. So gar nicht menschlich.

Ich spreche weiter über Katzenfutter. Nun werden mir Food-Seiten empfohlen. Eine heißt "Futtern". Das ist Katzenfutter schon nahe. Ein erster Erfolg? Die Seite wird mich jedenfalls bis ans Ende meines Experiments mit Kochvorschlägen versorgen.

Die Datensammler

Warum sind die Firmen so gierig nach Daten? Es geht ums Geld. "Je besser ich jemanden kenne, desto besser kann ich ein Produkt platzieren", erklärt Ernst Schulten. Stefan Ritter sagt: "Alles, was technisch möglich ist, wird genutzt. Das Mikro einschalten, die Kamera aktivieren, die Position bestimmen - das ist relativ einfach."

Stefan Ritter bestätigt also meinen Verdacht. Facebook könnte lauschen. Die Experten betonen aber, dass vorher der Nutzer dran ist. Er muss der App Zugriff auf das Mikrofon gewähren.

Das kennen wir. Beim ersten Öffnen einer App erscheinen Berechtigungen, die die Anwendung gerne hätte. Wir akzeptieren sie meist schnell. Mit Folgen: "Viele sind überrascht, wie viele Daten das Handy automatisiert weitergibt", sagt Ernst Schulten.

Wir sind also auch selbst schuld. Denn: Verbieten wir einer App den Zugriff aufs Mikro, kann sie nicht lauschen. "Da gibt es programmiertechnisch offiziell eigentlich kein Hintertürchen", sagt Stefan Ritter.

Phase zwei: Nun spreche ich über Katzenfutter, während die Apps laufen. Ein Lachs-Rezept. Ein Aufruf, Nudeln zu testen. Was mir bald auffällt: Es erscheinen mehr Tiere. Ein Pferde-Kanal auf Instagram, ein Modell-Hund bei Facebook. Aber keine Katze.

Das Mosaik

Ernst Schulten zweifelt, dass ich auf diese Weise Katzenfutter-Werbung bekomme: "Nur das Wort zu erwähnen, ist zu wenig. Das sieht der Algorithmus als nicht wichtig genug an." Die Codes sind schlauer. Der Experte erklärt: "Das ist wie ein Mosaik aus vielen Bausteinen. Zusammen ergeben sie ein umfassendes Bild einer Person." Katzenfutter zu sagen, ist nur ein Baustein.

Ich recherchiere bei Facebook. Viele haben den Verdacht, abgehört zu werden. Das Unternehmen sagt dazu und bezieht sich auch auf WhatsApp: "Weder Facebook noch WhatsApp hören mit. Beide Apps greifen nur auf das Mikrofon zu, wenn ein Nutzer dies vorher ausdrücklich erlaubt hat und eine Funktion aktiv nutzt, die Audiosignale erfordert." Weiter: "Weder WhatsApp noch Facebook nutzen das Mikrofon, um Werbung zu beeinflussen."

Was sagen die Experten dazu? "Man weiß es nicht", sagt Stefan Ritter. "Technisch wäre es möglich, das Mikro einfach mal anzuschalten."

Die Datenschützer

Facebook hat seinen Deutschlandsitz in Hamburg. Für die Datenschutzaufsicht der Firma ist der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz zuständig. "Uns liegen keine belastbaren Belege vor, dass Facebook Nutzer abhört", schreibt Pressereferent Martin Schemm auf meine Anfrage.

Ich frage nach, ob Mithören überhaupt erlaubt sei. Jeder Betroffene müsse dabei informiert werden und eingewilligt haben. "Dies wäre jedoch mit Blick auf Dritte schwer realisierbar. Eine durchgängige Auswertung des Audiosignals ist daher rechtlich nicht zulässig."

Die Werbeanzeige

Es passiert, als ich am Sonntagnachmittag gelangweilt durch Facebook wische. Den Tag über habe ich nach Katzenfutter gegoogelt und Werbevideos geschaut. "Zoo Käser ihr Fachgeschäft für Angelsport und Tierbedarf", steht bei dem gesponserten Beitrag. Ich drücke auf die Anzeige: Das Geschäft verkauft Katzenfutter. Ich bin am Ziel!

Ist das der Beweis, dass Facebook mithört? Nein. In den vergangenen Tagen habe ich auch nach Katzenfutter gesucht, nicht nur gesprochen. Trotzdem finde ich es erschreckend, dass mir nun Facebook Werbung anzeigt. Hier habe ich den Begriff nicht eingetippt.

Ernst Schulten erklärt, was dahinter steckt: "Facebook und Google haben auf Webseiten Tracker hinterlegt." Die sammeln Daten, die Nutzer hinterlassen und geben sie weiter. Deshalb zeigt mir Facebook die Werbung an. Katzenfutter, das sind nun mehrere Mosaik-Teile.

Das Fazit

Was bleibt übrig nach einer Woche voller Katzenfutter? Drei Erkenntnisse.

Erstens: Es gibt keinen Beweis, dass Facebook und Co. uns abhören. Technisch wäre es aber möglich. Die Algorithmen sind so intelligent, dass sie Gespräche auswerten können. Facebook kennt jeden, der Facebook selbst, Instagram oder WhatsApp regelmäßig nutzt. So kann das Unternehmen auch schon ohne Abhören sehr gezielte Werbung schalten.

Zweitens: Die Berechtigungen einer App sind entscheidend. Verbieten wir zum Beispiel den Zugriff auf das Mikrofon, greift die Anwendung auch ziemlich sicher nicht darauf zu.

Drittens: Mir reicht's mit Katzenfutter.