Erstes Jugendbuch veröffentlicht
"Ich mag das Alphabet": Bestseller-Autorin Lilly Lindner im Interview über ihr neues Buch
20. Februar 2015, 9:12 Uhr aktualisiert am 20. Februar 2015, 9:12 Uhr
Aprils Magersucht trennt sie von ihrer Schwester Phoebe. Sie muss in eine Klinik. Seit Wochen antwortet sie nicht auf Phoebes Briefe, die sich fragt, wann ihre Schwester wieder nach Hause kommt. Das junge Mädchen versteht nicht, was ihrer Schwester fehlt. Aber sie gibt nicht auf. Sie schreibt Briefe - in die Stille. Diese Briefe gibt es in dem neuen Buch "Was fehlt, wenn ich verschwunden bin" von Lilly Lindner zu lesen. Die 29-Jährige gilt als Ausnahmetalent und ist für ihren Bestseller "Splitterfasernackt" bekannt. Auch sie litt wie die Figur in ihrer Geschichte an Magersucht. Im Gespräch mit Freistunde erzählt sie von ihrem neuen Roman.
Hallo Frau Lindner! Sie haben bereits zwei autobiografische Bücher für Erwachsene geschrieben. Gestern ist Ihr erstes Jugendbuch erschienen. Wie viel Autobiografie steckt in ihrem neuen Roman?
Lilly Lindner: "Splitterfasernackt" und "Winterwassertief" sind eigentlich keine Bücher für Erwachsene. Es sind Bücher für Menschen - Menschen, die verstehen. So wie auch "Was fehlt, wenn ich verschwunden bin" nicht einfach nur ein Jugendroman ist, sondern viel eher eine Bekenntnis der Zeit. Und ja, man findet mich in diesen Worten wieder: Ich bin April. Ich bin Phoebe. Und der Winter bin ich auch.
Der Titel ist sehr philosophisch. Sollten wir uns öfter fragen, was fehlt, wenn wir verschwinden? Und was würden Sie auf die Frage antworten?
Das Buch sollte eigentlich "Winter without April" heißen. Das war für mich ein Titel mit Tiefgang. "Was fehlt, wenn ich verschwunden bin" hat mein Verlag ausgesucht. Ich frage mich eigentlich eher, was zählt, während ich da bin. Und was ich besser machen kann, um die Fehler zu verstehen.
Der Roman handelt von einem Mädchen, dessen Schwester in einer Klinik gegen ihre Magersucht kämpft. Warum sollten sich junge Menschen mit dieser Krankheit auseinandersetzen?
"Was fehlt, wenn ich verschwunden bin" erzählt von einer Stille, die so laut wird, dass sie jeden Raum verschluckt. Es ist ein Geständnis der kaputten Zeit an die verlorenen Tage, vielleicht doch noch zu bestehen. Und es ist ein Versprechen von einem unsichtbaren Mädchen an eine hungrige Krankheit, dass es etwas Wichtigeres gibt als Schmerz. Etwas Schöneres. Das betrifft uns alle. Uns und die Zeit.
Wie kamen Sie auf die Idee für das Buch?
Meine hungrige Befindlichkeit hat angefangen, an meinem Verstand zu nagen. Dann hat die Abgeschiedenheit meine Stimme verschluckt. Und ich dachte, ich müsste sie doch irgendwie finden können, die Worte, die dem Schweigen widersprechen.
Ihr neues Werk ist in Briefen geschrieben. Briefe sind doch eigentlich längst out, oder?
Ich weiß nicht, was in und was out ist. Dafür bin ich viel zu weit weg von irgendetwas, das so sein sollte, wie es ist oder vielleicht auch vollkommen anders. Ich schreibe selten Briefe. Ich lese kaum. Aber ich mag das Alphabet.
Das Buch erzählt von zwei Schwestern. Haben Sie selbst Geschwister?
Ich habe keine Geschwister. Nur in der Zeit, in der ich im Kinderheim gelebt habe, da hatte ich auf einmal fünfzehn Geschwister. Und ich hatte Menschen um mich herum, die verschwunden sind. Und Augenblicke, die vorbei waren, bevor sie überhaupt begonnen hatten. Ich denke, "Was fehlt, wenn wir verschwunden sind" sollte uns daran erinnern, dass wir hier sind. Heute. An diesem Tag.