400. Ausgabe der Freistunde
Kati Auerswald über ihre Weltreise als Wendepunkt in ihrem Leben
13. Mai 2024, 6:00 Uhr
ei Familie und Freunden war ich schon immer für Überraschungen bekannt und berüchtigt. Aber den Job sowie die Wohnung kündigen und gut die Hälfte meines Besitzes verkaufen, um zu reisen? Das kam dann doch ein bisschen überraschend für die einen. Die anderen schüttelten nur ihre Köpfe und fragten sich still und leise: Wie konnte es nur so weit kommen?
Das Reise-Gen ist etwas, was man laut Forschern angeblich in die Wiege gelegt bekommt, irgendwo hatte ich das mal gelesen. Wenn dem so ist, dann wütet es in meiner Familie, denn meine Brüder als auch meine Eltern lieben es, zu reisen. Meine erste große Reise startete ich mit 21 Jahren. Gerade eine sechsjährige Meisterausbildung als Betriebswirtin für Ernährung und Versorgung abgeschlossen, wollte ich nur noch eines: raus in die Welt, am besten so weit weg wie möglich.
Während der Pandemie wurde mein Fernweh schlimmer und schlimmer
Deshalb ging es 2016 für ein „Work and Travel“-Jahr nach Neuseeland. Eine Zeit, die mich nach meiner Rückkehr nie losgelassen hat. Nicht während des anschließenden Studiums in Regensburg, nicht in der Arbeitswelt. Als dann Corona kam, wurde es richtig schlimm mit meinem Fernweh, denn jede Aussicht auf eine Reise schien aussichtslos. Während ich also nicht wegkonnte, begann ich eine Liste mit Ländern zu erstellen, die ich gerne mal erleben möchte.
Die Pandemie zog sich zurück, ich machte es mir in meiner neuen Wohnung gemütlich und schien zufrieden zu sein – zumindest äußerlich. Innerlich war ich aufgewühlt, zerstreut, zerrissen und ständig unter Strom. In erster Linie, weil mir mein Job immer mehr abverlangte und ich die Überstunden irgendwann nicht mehr zählen konnte. Als meine Familie dann im Oktober 2022 einen Urlaub nach Tunesien plante, konnte mein Körper nicht mehr. All der angestaute Stress zeigte sich, sodass ich die gesamte Woche mit einer Magenschleimhautentzündung kämpfte, die ich vorher lange mit Medikamenten unterdrückt hatte.
Doch immerhin schaffte ich es, mal komplett abzuschalten und über mein Leben nachzudenken. Lebe ich noch das Leben, das ich immer wollte? Oder waren da nicht mal andere Pläne? Pläne von Freiheit, Unabhängigkeit, Abenteuern, fremden Kulturen, neuen Gerüchen und Entdeckungen? Ich erinnerte mich. Und begann, noch im Urlaub, Listen zu schreiben, um zu sehen, ob ich mein Vorhaben umsetzen konnte: den Traum von einer Weltreise.
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Zurück in Deutschland dauerte es keine Woche, bis ich meine Kündigung einreichte und erste Erledigungen meiner Checkliste abhakte – von Mietvertrag kündigen bis Möbel verkaufen. Ehe ich mich versah, war mein letzter Arbeitstag vergangen und ich war im Umzugstruck auf dem Weg Richtung alte Heimat. Anfang Juni 2023 war es soweit: Ich saß mit schwer beladenem Backpacker im Flieger nach Bangkok. Vollgepumpt mit Adrenalin und Glückshormonen. Und schwupps sind elf Monate verstrichen.
Klar gibt es Situationen während des Reisens, in denen ich müde werde, genervt bin oder mir alles zu viel wird. Aber deshalb aufgeben und nach Hause fliegen? Daran habe ich nicht eine Sekunde gedacht.
Reisen ist anders als Urlaub. Im Urlaub schaltet man ab, entspannt und erholt sich. Reisen bietet die Möglichkeit, zu wachsen, zu lernen, sich zu entwickeln. Man lernt sich selbst anders oder neu kennen, durchlebt die schönsten und schrecklichsten Momente, trifft besondere Menschen und erlebt Abenteuer. In meinem Fall ist meine Weltreise gleichzeitig eine Reise zu mir selbst.
Seit ich mich für die Weltreise entschieden habe, wurde alles besser
Bis heute habe ich die Entscheidung nicht einmal bereut, mein vertrautes Leben gelassen zu haben. Im Gegenteil: Es war die beste Entscheidung, die ich seit Langem getroffen habe, denn ich habe sie für mich getroffen. Der Tunesien-Urlaub war ein Wendepunkt in meinem Leben. Von diesem Moment an hat sich alles zum Positiven verändert.
Das Leben ist ein Zusammenspiel aus Momenten, Chancen und Möglichkeiten. Es liegt an uns, sie zu ergreifen und zu bestimmen, was wir mit ihnen anstellen. Ich für meinen Teil habe mich entschieden, wo meine nächsten Momente stattfinden werden: in Südamerika, Afrika und Europa.
Dieser Artikel ist Teil der 400. Freistunde-Ausgabe zum Thema „Wendepunkte“.