TikTok-Star „misterzio“
Nick Reitmayr aus Viechtach unterhält seine über 28000 Follower regelmäßig mit Comedy-Videos
28. Dezember 2020, 16:51 Uhr aktualisiert am 28. Dezember 2020, 16:51 Uhr
Nick Reitmayr ist erst seit April als "misterzio" bei TikTok, konnte aber bereits Videos mit Klicks in Millionenhöhe produzieren. Bis Silvester möchte der 22-jährige Viechtacher die Marke von 30 000 Followern knacken.
Nick kniet auf dem Boden. Vor ihm liegt eine etwa zwei Meter lange Route aus Chips. Neben Nick: ein Hund. Vor dem Hund: eine genau gleich lange Route, nur aus Hundeleckerlis. Die Challenge beginnt: Wer von beiden hat am schnellsten seine Reihe mit den Snacks verputzt? Im Hintergrund läuft der weltbekannte Sound von "Mario Kart 64", bevor ein Rennen startet. "3, 2, 1, go". Die beiden legen los.
Das ist eines von Nick Reitmayrs Videos auf seinem TikTok-Account "misterzio". Der Viechtacher hat erst in diesem April die Welt der App mit den kurzen Clips betreten. Das Kuriose dabei: Eigentlich hatte der 22-Jährige überhaupt keine Lust auf die Plattform. "Ich fand, das ist eine dumme App. Aber ein Spezl hat mich darum gebeten, ihn auf TikTok zu unterstützen, also seine Videos zu supporten. Deswegen habe ich mich angemeldet", erzählt Nick. Schnell findet er jedoch selbst Gefallen und lädt seinen ersten eigenen Clip hoch. Heute hat Nick über 28 000 Follower - sein Kumpel nur um die 1 000.
Seinen Durchbruch auf TikTok verdankt Nick vor allem einem Video, das heute 1,8 Millionen Aufrufe hat. Darin sieht man zuerst in Großaufnahme seinen Po in einer engen Leggins. Erst am Ende des Clips sieht der Zuschauer, zu wem der scheinbar weiblich durchtrainierte Po gehört: Nick, der eine Halbe Bier in der Hand hält.
Für TikTok muss man schon eine kleine Rampensau sein
TikTok ist eine chinesische App, auf der es unzählige Clips mit einer Länge zwischen 15 und 60 Sekunden gibt. Ab 13 Jahren darf man sich anmelden. Wer auf der Plattform bekannt werden will, sollte nicht schüchtern vor der Kamera sein. Schließlich geht es auf TikTok darum, andere Menschen innerhalb kurzer Zeit zu entertainen. "Man braucht schon Selbstvertrauen", sagt Nick. Auch wenn ein Video mal nicht so gut ankommt, sei es wichtig, den Kopf nicht gleich in den Sand zu stecken.
Der Viechtacher verbringt pro Tag ein bis zwei Stunden in der App. Am Wochenende werden es auch mal mehr. Er selbst mag die Videos von "paulomuc" oder "svenhoffi", "zwei ziemlich coolen Typen".
Nick hat immer im Blick, was gerade auf TikTok angesagt ist. Nach diesen Trends dreht er seine eigenen Clips. Um die drei Videos pro Woche lädt der 22-Jährige hoch. Die produziert er meist am Wochenende, wenn er etwas mehr Luft hat. Denn unter der Woche arbeitet Nick in München als Speditionskaufmann in Vollzeit.
Doch dass seine Wurzeln in Viechtach im Bayerischen Wald liegen, wird einem sofort klar, wenn man seine Seite "misterzio" besucht: In vielen Clips gibt's Dialekt zu hören. Deshalb sind viele seiner Follower aus dem bayerischen oder österreichischen Raum.
Dass Nick ein waschechter Bayer ist, merkt man auch an anderer Stelle: Er dreht viele Clips rund um das beliebte goldene Hopfengetränk - und was passieren kann, wenn man zu viel Bier erwischt hat. In einem Video sieht man Nick zum Beispiel, wie er nach "einem Bier zu viel" durch sein Schlafzimmer Richtung Bett torkelt. Und einen Hechtsprung macht. Nur landet er nicht auf, sondern neben dem Bett - autsch!
Ist er deshalb ein schlechtes Vorbild für die TikTok-Nutzer, die größtenteils zwischen 16 und 24 Jahre alt sind? "Nein, das glaube ich nicht", sagt er. "Einmal habe ich es anscheinend aber etwas übertrieben mit einem Video über das Trinken, dann hat es TikTok sofort gesperrt."
Welche Videos einem auf TikTok angezeigt werden, das unterliegt einem strengen Algorithmus. So passiert es, dass Nick denselben Clip mit zeitlichem Abstand zweimal hintereinander hochlädt - und nicht viele Aufrufe bekommt. "Vielleicht um die 500", sagt er. "Dann lädst du das Video ein drittes Mal hoch und plötzlich hat es 4,5 Millionen Aufrufe." Mit etwa 2 000 Aufrufen pro Video ist Nick zufrieden. Bis Silvester möchte er die 30 000-Follower-Marke knacken. Sein langfristiges Ziel sind 100 000.
Übrigens: Am Ende war der Hund schneller und hat die Snack-Challenge gewonnen.
Nicks Tipps für mehr Follower
Nicks Tipps für mehr Follower
- "Man muss Spaß beim Video-dreh haben." Denn ohne Spaß würden auch keine guten Videos entstehen, sagt Nick.
- "Kreativität ist wichtig." Schließlich braucht man ständig Ideen für neue Clips.
- "Man muss dranbleiben." Am besten sollte man laut Nick jeden Tag einen neuen Clip hochladen.
- Ein Wiedererkennungsmerkmal ist von Vorteil: "Am besten ist es für einen TikToker, wenn er eine Idee hat, die es so zuvor noch nicht gab in der App. So werden die eigenen Videos und der Account einzigartig", sagt Nick. Auch er ist noch auf der Suche nach so einem Wiedererkennungsmerkmal.
Interview zu TikTok: "Politische Inhalte werden gnadenlos zensiert"
Auch Daniel Wolff fasziniert TikTok. Der Digitaltrainer kennt aber auch die Schattenseiten der chinesischen App: problematische Inhalte, lückenhafter Datenschutz und mangelnder Schutz der Nutzer. Ein Interview.
Herr Wolff, was finden Sie an TikTok gut?
Daniel Wolff: TikTok macht ganz einfach Spaß. Man kommt schnell in einen "Flow". Denn die algorithmisch auf jeden Betrachter optimierte knallbunte Mischung aus Spaß, Musik und Faszination kann jeden schnell in den Bann ziehen. Ich bin bei der Recherche selbst schon mehrmals regelrecht in TikTok "versackt".
Was sehen Sie kritisch?
Daniel Wolff: Sehr viele Nutzer finden sich meiner Erfahrung nach in der Altersgruppe von 8 bis 12 Jahren. Das vom chinesischen Betreiber ByteDance geforderte Mindestalter von 13 Jahren wird von TikTok bei der Installation mit einer simplen Eingabe des Geburtsdatums "überprüft" - was natürlich schon in den Grundschulen eine Lachnummer ist. Viele TikToks sind jedoch definitiv nichts für Kinder. Immer wieder tauchen zum Beispiel Sex-Tipps oder Unfälle mit extremen Verletzungen auf. Ich glaube, wir müssen da alle viel besser hinsehen, indem wir die Themen Privatsphäre, Cybergrooming (Anmache durch Pädophile, Anm. d. Red.) und ungeeignete Inhalte besprechen, BEVOR wir TikTok nutzen. Eltern müssen, auch wenn es ungeheuer anstrengend ist, ihre Kinder täglich im Internet begleiten. Ich persönlich würde TikTok Kindern unter 13 Jahren nur in Gegenwart der Eltern erlauben. Sie müssen ja nicht immer direkt danebensitzen und mitgucken - aber mithören sollten sie auf jeden Fall!
Worauf sollten User achten?
Daniel Wolff: Man sollte unbedingt von Anfang an die standardmäßig echt laschen Datenschutz-Einstellungen unter "Profil", "Einstellungen und Datenschutz" viel schärfer setzen. Also zum Beispiel das Konto auf "privat" umstellen, der Standard ist "öffentlich", damit man nicht gleich von vielen Millionen fremden Menschen gesehen und beurteilt werden kann. Denn es sind leider nun mal nicht alle Menschen wohlwollend da draußen. Und man sollte aufpassen, dass man nachts nicht länger auf TikTok hängen bleibt, als einem guttut.
Wie sehen Sie die Zukunft von TikTok?
Daniel Wolff: TikTok hat dank seiner attraktiven Darstellungsweise und Themenvielfalt in den letzten zwei Jahren eingeschlagen wie eine Bombe - die App wurde in vielen Ländern sogar öfter heruntergeladen als WhatsApp oder Instagram. Mit geschätzt 1,5 Milliarden Nutzern weltweit ist TikTok damit die einzige App, die dem Social-Media-Platzhirsch Facebook, dem ja auch WhatsApp und Instagram angehören, Konkurrenz macht. Doch ähnlich wie Facebook, das schon lange in der Kritik steht, wird auch TikTok bald in den Fokus der Öffentlichkeit rücken, wenn immer mehr Eltern bemerken, was die Kinder da eigentlich so alles zu sehen bekommen - und was nicht. Denn politische Inhalte werden gnadenlos im Sinne der chinesischen Regierung zensiert. Leider ist der Jugendschutz in China auch nicht besser ausgeprägt als hierzulande. Und bislang waren auf TikTok alle Maßnahmen, Kinder besser zu schützen, in der Praxis leider so gut wie wirkungslos. Ohne aufmerksam begleitende Eltern gibt es nun einmal keinen Jugendschutz im Internet.