Girls' Day und Boys' Day

Rollentausch bei der Berufswahl


© Doris Heinrichs - Fotolia.com

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Von Tanja Pfeffer

Mädchen und Jungen können theoretisch jeden Beruf lernen. Ob Staplerfahrerin oder Tierarzt, ob Grundschullehrer oder Bundeskanzlerin. 348 Ausbildungsberufe stehen laut Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung zur Verfügung - hinzu kom- men laut aktuellen Angaben rund 16000 Studienfächer an den Hochschulen. Praktisch aber finden sich viele in einem Berufsfeld wieder, das entweder stärker von Frauen oder Männern geprägt ist. Doch woher kommen solche Klischeevorstellungen?

Monika Wechsler ist Beauftragte für Chancengleichheit beim Arbeitsamt. Weshalb es bestimmte Frauen- und Männerberufe gibt, kann ihrer Meinung nach mehrere Gründe haben: "Solche Meinungen sind bereits kulturell verankert und basieren unter anderem auf den grundsätzlichen Wesensunterschieden von Männern und Frauen." Bestimmte Berufe konnten Frauen früher aber auch gar nicht lernen. Wenn die körperliche Anstrengung zu groß gewesen ist, haben Arbeitgeber keine Frauen eingestellt. Auch das persönliche Umfeld wie Eltern, Freunde oder auch Lehrer spiele eine große Rolle. Zudem fehle es besonders Mädchen zum Teil an Selbstvertrauen, meint Wechsler. Zum Beispiel halten sich Mädchen in Fächern wie Mathematik oft für schlecht.



Von Mädchenschule in Männerberuf

Letzteres kann Susanne Fischer aus Rain nicht nachvollziehen. Mathe und Physik waren die Lieblingsfächer der 17-Jährigen. Sie arbeitet seit zwei Monaten in einem typischen Männerberuf, nämlich als Auszubildende zur Mechatronikerin bei der Firma "Harman Becker Automotive Systems GmbH" in Straubing. Als Frau muss sie sich in diesem Beruf behaupten. "Vor allem in der Berufsschule glauben die Jungs, sie wären von vornherein besser als Mädchen." Susanne hat ihren Abschluss an der Ursulinen-Realschule in Straubing gemacht, einer reinen Mädchenschule: "Ich war auf dem wirtschaftlichen Zweig. Meine komplette Klasse ist entweder Bank- oder Industriekauffrau geworden."

Anders ist das bei ihrer Kollegin Teresa Zollner. Sie ist im dritten Lehrjahr, ebenfalls zur Mechatronikerin. "Viele meiner Freunde haben einen handwerklichen Beruf. Meine beste Freundin zum Beispiel ist Elektrikerin", sagt die 18-Jährige aus Hunderdorf. Sie war auch auf der Realschule der Ursulinen - allerdings auf dem mathematischen Zweig. Beide wussten sehr bald, dass sie einen handwerklichen Beruf lernen wollten. "Man hat nach getaner Arbeit ein Ergebnis, das man auch anfassen kann. Bei einem wirtschaftlichen Beruf ist das meist nicht so", erklärt Teresa. Als Mechatronikerin kümmert man sich übrigens um die Mechanik und die Elektrik eines Produktes. Will man zum Beispiel eine Wetterstation bauen, muss erst das Gehäusem mechanisch gefertigt werden, bevor die Elektrik so angeschlossen wird, dass die Wetterwerte stimmen. Damit die richtige Gradzahl dann auch angezeigt wird, programmieren Mechatroniker die notwendige Software dazu.

Man braucht also Köpfchen und auch Kraft. Wenn die nötigen Muskeln mal fehlen, gleichen das ein fester Schraubstock oder auch nette Kollegen aus. "Wenn ich wirklich nicht weiterkomme, helfen die Gesellen gerne", lacht Teresa.

Kinder haben vor Männern weniger Respekt

Handwerklich begabt ist auch Christopher Bachmeier aus Oberschneiding. Dennoch hat sich der 18-Jährige für einen anderen Beruf entschieden. Er hat eine Ausbildung zum Kinderpfleger hinter sich und macht nun auf dem sozialen Zweig der Berufsfachschule sein Abitur. "Ich habe mir typische Männerberufe angesehen, wie Groß- und Außenhandelskaufmann oder auch Schreiner. Das hat mir zwar anfangs Spaß gemacht, aber ich wusste sehr lange nicht, ob es das ist, was ich will." So lange, bis er ein Praktikum in einem Kinderhort gemacht hat. Christopher war während seiner Ausbildung zum Kinderpfleger in der Kindertagesstätte Pusteblume in Oberschneiding einer von insgesamt drei männlichen Betreuern. "Das ist sehr ungewöhnlich. Normalerweise kommen Kinder erst in den weiterführenden Schulen mit Männern in Kontakt", erklärt der 18-Jährige. Die Akzeptanz der Kinder musste er sich deshalb auch hart erkämpfen: "Vor Männern haben Kinder weniger Respekt als vor Frauen", sagt er. Christopher erklärt sich das so: "Erst hatten die Kinder Angst vor mir. Mit Späßen und Lachen wollte ich ihnen die nehmen. Das war aber bald mein Problem. Ich war in den Augen der Kinder eben nur lustig. Ich musste dann konsequenter durchgreifen." Noch schwerer hatte es der Oberschneidinger allerdings in seinem Freundeskreis.
"Meine Freunde machen handwerkliche Jobs wie Metzger. Meinen Beruf finden viele blöd." Und was sagen die Mädels? "Meistens nur: 'Voll süß!'", lacht Christopher.

Und nur weil man beruflich die Rollen getauscht hat, müssen Kinderpfleger oder Mechatronikerinnen nicht weniger typisch Mann oder Frau sein. "Ich spiele Fußball, mache gern Partys in der Garage und spreche Mädchen an", sagt Christopher. Auch Teresa tauscht nach Dienstschluss Arbeitskittel, Schutzbrille und Sicherheitsschuhe gegen schicke Klamotten und Highheels.

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Monika Wechsler ist Beauftragte für Chancengleichheit beim Arbeitsamt.

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Susanne Fischer (17) ist im ersten Lehrjahr ihrer Ausbildung zur Mechatronikerin. Foto: Tanja Pfeffer

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Teresa Zollner (18) mit ihrer Zwischenprüfung zur Mechatronikerin. Foto: Tanja Pfeffer

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Christopher Bachmeier (18) aus Oberschneiding hat eine Ausbildung zum Kinderpfleger gemacht. "Den Respekt der Kinder musste ich mir hart erkämpfen", sagt er. Foto: Tanja Pfeffer