Musik-Tipp
Sufjan Stevens ist auf neuem Album kompromisslos ehrlich
10. November 2023, 6:00 Uhr
Das Leben macht es dem amerikanischen Indie-Musiker Sufjan Stevens nicht leicht. Zum einen kann er sein neues Album nicht bewerben, da er sich von einer seltenen Autoimmunkrankheit erholt – außerdem behandelt diese neue Veröffentlichung den Tod von Sufjans Partner, der dieses Jahr im April verstorben ist. Diesem Thema widmet sich der Musiker ohne Scheu, schließlich ging es auch bei älteren Alben des Musikers um den Tod. Und auch auf dem neuen Album „Javelin“ verarbeitet er seinen Schmerz, aber ebenso die schönen Erinnerungen der Beziehung.
Mit dem ersten Lied „Goodbye Evergreen“ verabschiedet sich Sufjan. Mit sanfter Stimme und nur unterstützt von einem Klavier singt er „But everything heaven sent / Must burn out in the end“. Ab der zweiten Hälfte explodiert der Song mit elektronischen Elementen, die an Sufjans Album vor drei Jahren, „The Ascension“, erinnern. Ein verzerrter Chor kollidiert mit Sufjans hallender Stimme, während die Percussion wie auf Töpfen und Pfannen gespielt klingt.
Liebe finden und verlieren
„A Running Start“ ist eine beruhigende Ballade, die die Szene des ersten Kusses zwischen Sufjan und seinem Partner beschreibt. Es konzentriert sich wie bei der älteren Musik des Künstlers vor allem auf akustische Instrumente. Bei der ersten Hälfte steht zum Beispiel nur eine leise Gitarre im Mittelpunkt, bevor ein Chor und elektronische Effekte auch dieses Lied ergänzen.
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Dasselbe gilt für „Will Anybody Ever Love Me?“. Textlich ist dieses Lied jedoch das direkte Kontrastprogramm zu „A Running Start“. Dort beschrieb Sufjan das Gefühl, Liebe zu finden. Bei „Will Anybody Ever Love Me?“ ist er aber noch auf der Suche nach einer ehrlichen Beziehung ohne Reue und falsche Versprechungen.
„My Red Little Fox“ behandelt den Moment und Sufjans Gefühlswelt direkt nach dem Tod seines Partners. In der ersten Single des Albums, „So You Are Tired“, möchte der Sänger wiederum seinen zweifelnden Partner beruhigen. Dieser ist müde und genervt – von der Beziehung, aber scheinbar auch von dem allgemeinen Stress des Lebens.
Das zentrale Lied des Albums ist jedoch das acht Minuten lange „Shit Talk“, bei dem es um eine Lösung für die Probleme in der Beziehung geht. Wieder mit einem Chor, aber auch mit traurigen Trompeten, schwirrenden Synthesizern und ruhigem Klavier ist dieses Lied der euphorische Moment des Albums. Es baut sich langsam auf, doch die Wartezeit lohnt sich. Es klingt wie eine Versöhnung, die jedoch Zeit und Offenheit benötigt.
Das Beste aus zwei Welten
„Javelin“ kombiniert die beiden Welten von Sufjan Stevens: Die elektronischen Elemente, mit denen er bereits auf Alben wie „The Age of Adz“ und „Convocations“ spielte. Und die sanften Gitarren und Klavierstücke, die man von dem genauso deprimierenden Album „Carrie & Lowell“ kennt oder Sufjans anderem Album von 2023, „Reflections“. Dadurch klingt die neue Veröffentlichung gleichzeitig wie ein passendes Ende seiner 25 Jahre langen Karriere und ein Neuanfang. In dieser Zeit war der inzwischen 48-Jährige bei seiner Musik vor allem eines – unberechenbar und kompromisslos ehrlich. Und damit wird er sicher auch nicht bald aufhören.