[Frei]schreiben!
Unsere Stadt tanzt
13. November 2009, 16:23 Uhr aktualisiert am 13. November 2009, 16:23 Uhr
Eine herzliche und fröhliche Stimmung erleuchtet am Mittwochmorgen, 4. November, um 10 Uhr den Markmiller-Saal der Barmherzigen Brüder in Straubing, ausgehend von acht Tänzern. Das Besondere an diesen Tänzern ist: Sie schaffen es trotz ihren körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen ihre Zuschauer zu verzaubern! Die Begeisterung, mit der diese Menschen zum wiederholten male ihr Stück proben, ist ansteckend! Seit Januar studieren Annette Vogel und Katrin Hofreiter mit ihren Schützlingen ein Tanztheater ein. Die Premiere war bereits im April und ein voller Erfolg! Am 20. November wird das Stück ein letztes Mal im Theater am Hagen in Straubing aufgeführt. Die Geschichte handelt von einem König, den seine Untertanen nicht mehr respektieren.
Sie sind eine zauberhafte, kleine Gruppe - wie eine richtige Familie. Das Vertrauen, das sie einem entgegenbringen, ist rührend! Ein älterer Mann in einem Rollstuhl grinst mich an und schüttelt mir zur Begrüßung die Hand. Er heißt Alex. Dann holt er aus einer Seitentasche ein mit Holzfarbstiften ausgefülltes Ausmalbild heraus und schenkt es mir. Es ist ein goldgelber Löwe mit großen weißen Zähnen. Damit mich alle kennenlernen, stellen wir einen Stuhlkreis zusammen und ich erzähle ihnen, wer ich bin und dass ich mich schon total darauf freue, ihnen zuzusehen. Einer nach dem anderen nennt mir seinen Namen und erzählt von sich. Eine von ihnen heißt auch Veronika. Die Profitänzer und -tänzerinnen Eva Eger, Nylea Mata Castilla, Jochen Vogel und Valeria Witt sind mit den behinderten Leuten schon vertraut. Eva Eger zum Beispiel arbeitet nicht zum ersten Mal mit ihnen zusammen.
Zum Aufwärmen stellen sie sich in einen Kreis und jeder darf eine Übung vormachen. Da gibt es "Den-Kopf-drehen", "Auf-der-Stelle-dribbeln", "Die-Beine-schwingen", und "Hüpfen". Alex macht in seinem Rollstuhl eine Streckübung mit den Armen. Robert ruft denen, die an der Reihe sind, immer "Wos Gscheids, gell!" zu. Ich setze mich währenddessen auf einen Stuhl. Irgendwann scheint es Johann in seiner Jacke zu heiß zu werden und er kommt zu mir herüber, um seine Jacke abzulegen. "Hi", grinst er. "Hallo", sage ich, "Macht's Spaß?" Da strahlt er über das ganze Gesicht und nickt heftig.
Den König gestürzt
Geheimnisvolle Geräusche dringen aus den Lautsprechern. Zwei der Tänzer sitzen gebeugt auf ihren Stühlen. Da schleichen die anderen vorsichtig über die Bühne, werfen etwas in einen roten Seidenzylinder, der vor den Sitzenden auf dem Boden liegt, und schleichen wieder davon. Die Musik setzt ein. Eine Tänzerin holt Robert von seinem Stuhl und tanzt langsam mit ihm über die Bühne. Sie tanzen im Kreis, wiegen sich und tanzen hinaus. Jochen gleitet nun von seinem Stuhl und fängt seinerseits an, geschmeidig zu tanzen. Es ist absolut bezaubernd!
Es folgt die Szene mit den Häusern. Diese sind große Holzrahmen, die an einer Seite mit einer Art Gummi überzogen sind. Darauf zaubert das Licht die bewegten Schatten der Tänzer. Ein Tanz wie ein Schattenspiel. Unheimliche Musik begleitet den König Jochen, der sich gewandt vor den Häusern windet. Und schließlich wird der König entthront. Veronika stolziert mit dem roten Zylinder, der Krone, an den Zuschauern vorbei. Doch jeder will die Krone einmal aufsetzen und der König sein. Ein Mädchen schiebt Alex' Rollstuhl über die Bühne. Auch er schafft es, den heiß begehrten Hut zu ergattern und wird gleich von seiner Freundin in Sicherheit gebracht. Die Tänzer nehmen sich an der Hand und bilden eine lange, stabile Kette, die der ausgeschlossene König zu durchdringen versucht. Doch er gehört nicht dazu. Die anderen lassen nicht los, egal wie sehr er sich bemüht, die Kette zu zerreißen. Sie ärgern den König, werfen sich den Hut zu und lachen ihn aus, wenn er wieder in die falsche Richtung stürzt, um seine Krone und damit sein Amt als König zurückzugewinnen.
"Super war's, Leute!"
Annette Vogel läuft manchmal auf die Bühne, gibt Tipps oder Anweisungen. Sie ist sehr zufrieden mit ihren Künstlern. "Klasse!", "Toll!" und "Sehr schön!" ruft sie. Ich kann das nur bestätigen! Es ist wirklich wunderschön anzusehen, mit welchem Enthusiasmus sich die Beteiligten ins Zeug legen, sich die Seele aus dem Leib tanzen und wie viel Spaß es ihnen macht. "Super war's", lobt Frau Vogel zum Schluss. Stolz und erschöpft suchen alle ihre Jacken zusammen. Sie, die in ihrem Leben auf Hilfe angewiesen sind, sind die Hauptdarsteller! Zeit und Leistungsdruck existieren nicht. Meine Anerkennung den Profitänzern, die sich so zurücknehmen, und meine Hochachtung allen behinderten Tänzern, die den Mut aufbringen, sich auf einer Bühne zu verwirklichen.
Für alle, die ich verzaubern lassen möchten, gibt es Karten im Vorverkauf im Leserservice des Straubinger Tagblatts, der
Landshuter Zeitung und all ihren Regionalausgaben.