200. Ausgabe der Freistunde-Zeitung

deinwunsch.de: Eine Kurzgeschichte von Stefanie Schambeck


Die Illustration zur Kurzgeschichte stammt von Iana Giniiatova. Sie ist Schülerin am Veit-Höser-Gymnasium in Bogen und hat einen Bundespreis beim Wettbewerb "EUunited - Europa verbindet" gewonnen.

Die Illustration zur Kurzgeschichte stammt von Iana Giniiatova. Sie ist Schülerin am Veit-Höser-Gymnasium in Bogen und hat einen Bundespreis beim Wettbewerb "EUunited - Europa verbindet" gewonnen.

Von Stefanie Schambeck

Schaut mal, was heute in der Zeitung ist", sagt Lea, zieht eine Beilage aus ihrem Rucksack und hält sie den anderen hin. "Da sind viele unterschiedliche Texte zum Thema ‚Wünsche' drin." "Cool", meint Manu und nimmt sie ihr aus der Hand. "Was wünschst du dir?", liest er vor und blickt in die Runde. "Ganz klar", beantwortet er seine Frage. "Haufenweise Games zum Zocken. Und gleich noch eine neue Konsole dazu." Er klatscht mit Tim ab.

"Ich wünsche mir, dass ich volljährig bin, dann könnte ich endlich alles selber entscheiden", meint Tim. "Ich würde mir ein eigenes Pferd wünschen", sagt Ella, die Tiere über alles liebt. "Meine Eltern wollen sich einfach nicht dazu überreden lassen, mir eins zu kaufen." "Dann wünsch dir doch gleich eine Kreditkarte ohne Limit", wirft Sven ein. "Das wäre mein Wunsch. Dann könnte ich mir alles kaufen."

"Also ich", sagt Helena, unser Bücherwurm, enthusiastisch und mit leuchtenden Augen, "würde mir einen Hogwarts-Brief wünschen. Dann müsste natürlich auch Hogwarts existieren. Und dann würde ich zaubern lernen. Und wenn es ein wenig realistischer sein soll, dann wünsche ich mir, dass ich nach Orlando in die Universal Studios reisen kann." "Und was wäre dein Wunsch, Lea?", fragt Ella sie.

Ich wünschte, ich könnte euch die Wahrheit sagen. Ich wünschte, ich könnte euch sagen, wer ich wirklich bin.

Laut sagt sie allerdings, wobei sie jeglichen Augenkontakt meidet und mit den Schultern zuckt: "Auch so Sachen wie ihr."

Am Abend blättert Lea erneut in der Zeitung und stößt auf zwei interessante Dinge. Auf folgenden Absatz: Wünsche sind Sehnsüchte. Wünsche sind Begierden. Wünsche sind Hoffnung. Wünsche halten uns am Leben.

Und eine Reportage über die Internetseite www.deinwunsch.de. Dahinter steckt eine Organisation, die Herzenswünsche erfüllt. Jeder kann einfach seinen Wunsch per E-Mail einsenden und mit ein wenig Glück wird einem dieser dann erfüllt. Aus einer plötzlichen Eingebung heraus schaltet Lea ihren Computer ein und gibt die Internetadresse in die Suchleiste ein.

"Jeder Mensch ist anders, hat andere Lebensumstände. Und dadurch haben wir alle unterschiedliche Sehnsüchte. Doch jeder ist besonders und hat verdient, dass seine Wünsche erfüllt werden", heißt es auf der Internetseite.

Lea muss nicht lange überlegen. Sie kennt ihre größte Sehnsucht. Es ist etwas, das sie nie für möglich gehalten hätte, das ihre Welt komplett auf den Kopf gestellt hat. Sie hadert mit sich. Überlegt, beginnt zu schreiben. Löscht alles wieder. Schließt die Seite. Doch es lässt sie nicht los. Zwei weitere Tage voller Überlegungen vergehen, bis Lea Mut fasst und erneut zu tippen beginnt:

Hallo Deinwunsch-Team,

ich heiße Lea und bin 16 Jahre alt. Ich bin durch Zufall auf eure Seite gestoßen und finde es super, dass ihr das macht.

Auch ich habe einen großen Wunsch: Ich habe vor Kurzem erfahren, dass ich adoptiert wurde. Das hat mich ziemlich aus der Bahn geworfen. Auch wenn ich sauer auf meine Eltern bin, so überwiegt doch der Wunsch, meine leiblichen Eltern kennenzulernen. Einfach, um zu wissen, warum sie das getan haben. Vielleicht wollten sie es ja auch gar nicht?

Auf jeden Fall hoffe ich, dass ihr meine Mail lest und mich dann vielleicht sogar auswählt.

Viele Grüße,

Lea

PS: Mir ist klar, dass ich auch meine "Zieheltern" fragen könnte, aber ich weiß, sie haben Angst davor, dass ich sie danach verlasse, was natürlich totaler Quatsch ist.

Mit klopfendem Herzen und gemischten Gefühlen schickt sie die Nachricht ab. Wie pflegt ihre Mutter stets zu sagen? "Wenn du dir etwas wirklich wünschst, wird es auch passieren."

Stefanie Schambeck.

Stefanie Schambeck.

Stefanie Schambeck (25, aus Stallwang):

Mein größter Wunsch ist es, eines Tages mein eigenes Buch in den Händen zu halten.

Hier findest du alle Texte aus der 200. Ausgabe der Freistunde-Zeitung.