Redakteure erinnern sich
Nach 17 Jahren ausgegruschelt: StudiVZ wird abgeschaltet
31. März 2022, 17:20 Uhr aktualisiert am 31. März 2022, 18:00 Uhr
Ende 2005 gegründet, war StudiVZ eines der ersten großen sozialen Netzwerke in Deutschland. Dann kam Facebook und lief ihm den Rang ab. Heute ist StudiVZ endgültig abgeschaltet worden. Drei Redakteure unserer Mediengruppe schwelgen in Erinnerungen ans Gruscheln, den Buschfunk und das peinliche Gefühl, beim Stöbern ertappt zu werden.
Dominik Altmann über die Gruppen mit den lustigen Namen
Buschfunk und Gruscheln - das waren bei StudiVZ die Äquivalente zur Statusmeldung und Anstupsen bei Facebook. Der Buschfunk zeigte an, was die anderen aktuell so treiben. Und wenn wir unsere Freunde gruschelten, grüßten wir "innerhalb eines Netzwerks im Internet aufs Innigste". So definiert es zumindest der Duden. Ich erinner' mich gerne an dieses Kribbeln im Bauch, beim Gegruschel dieser einen Kommilitonin. Das Gruscheln war meist mit der Frage, ob man denn nicht "kurz mal über ICQ" chatten wolle verbunden. Die Chats dauerten dann aber meist doch etwas länger ...
Achja - das waren noch Zeiten, als Mitte/Ende der 00er-Jahre das Internet anfing, interaktiv zu werden. Hier könnten viele, viele Zeilen über die damit verbundenen Hoffnungen eines nerdigen Teenagers vom Ende der 90er stehen, aber lassen wir das. Hier geht's um StudiVZ - und was wäre diese Plattform ohne seine Gruppen gewesen? Mit skurrilen Betreffzeilen zeigte man einfach auch, welch' Geistes Kind man ist. Zu den bekanntesten zählte sicherlich "Ich habe ein Motivationsproblem, bis ich ein Zeitproblem habe". Lustig fand ich: "Neun von zehn Stimmen in meinem Kopf sagen ich bin irre. Eine summt..." In solchen Gruppen fanden sich sogar Seelenverwandte aus der ganzen Republik. Den Gedanken von Facebook antizipierte StudiVZ damit schon Jahre früher. Nun ist das Geschichte. Facebook und Instagram haben es längst aus der Wahrnehmung verdrängt. Und noch eine Nachricht an die Kommilitonin, wie wär's? "Wir kapern das Becks-Schiff und fahren zur Bacardi-Insel."
Susanne Raith über die Quelle für den besten Tratsch
Die Meldung, dass StudiVZ endgültig abgeschaltet wird, schockiert mich nicht. Für mich war die Plattform schon längst tot. Bei mir starb es nämlich schon im Jahr 2012 mit dem Ende meines Studiums. Zu Beginn meiner Studienzeit wollte ich mich bei StudiVZ gar nicht anmelden, weil ich doch schon bei Myspace und Facebook Mitglied war. Ich dachte mir, dass zwei Plattformen vollkommen ausreichen und "echte" Treffen sowieso viel schöner sind. Einige Zeit lang konnte ich die Online-Community für Studenten ignorieren. Als dann immer mehr Kommilitonen davon schwärmten und irgendwann aus Gruppen zitierten und ich bei manchem heißen Tratsch nicht mitreden konnte, erhöhte sich der Druck und er zog mich ins Sammelbecken junger Menschen. Gerne dabei war ich trotzdem nie.
Sophie Schattenkirchner über das Netzwerk ohne Hass und Hetze
Da ich nie - im Gegensatz zu fast allen meinen Freunden - bei MySpace war, war StudiVZ für mich der erste Kontakt mit Sozialen Medien. Ich glaube, dass ich damals nach dem Abitur, irgendwann in grauer Vorzeit um 2008, dazugegangen bin. An recht viel kann ich mich ehrlich gesagt nicht mehr erinnern, ich weiß aber noch ganz sicher, dass man gegruschelt werden konnte und wenn man nicht gscheid aufgepasst hat, konnten andere sehen, dass man ihre Seite durchforstet hat. Wie peinlich! Irgendwann hatte man dann das Gefühl, dass bei StudiVZ nichts Neues mehr passiert. Das war dann der Moment, in dem man mehr oder weniger freiwillig oder schlicht aus Angst, etwas zu verpassen, Facebook beigetreten ist. Was für mich von StudiVZ bleibt, ist, dass ich weder Shitstorms noch Hetze dort mitbekommen habe. Das und die Tatsache, dass mich jüngere Kollegen heute fragen, ob ich mich noch an StudiVZ erinnern könnte, zeigt mir, wie unfassbar lange das schon her ist...