Gäubodenvolksfest
"Mach langsam, es pressiert": Unterwegs mit dem Sanitätsdienst
17. August 2019, 8:00 Uhr aktualisiert am 17. August 2019, 9:28 Uhr
Ein verstauchtes Handgelenk, ein gebrochenes Bein, Blasen an den Füßen oder akute Herz-Kreislaufbeschwerden. Den ehrenamtlichen Mitarbeitern der Sanitätswache des BRK Straubing-Bogen kommt während des Gäubodenvolksfestes fast alles unter. Sie sind elf Tage lang im Einsatz. Gearbeitet wird in Schichten. Die Freiwilligen haben bei ihren Einsätzen vor allem den Leitspruch "Mach langsam, es pressiert" im Kopf. Wir haben die Volksfestwache besucht und ein Team bei einem Routinetrip über das Festgelände begleitet.
Es ist gerade Mittagszeit in Straubing, Mittwoch. Der Festplatz am Hagen füllt sich allmählich. Auch das Wetter spielt mit. Die Sonne bahnt sich immer mal wieder ihren Weg durch die Wolkenbank. Direkt neben dem Festgelände und der Ostbayernschau liegt die Volksfestwache. Ein Ort, den die meisten Besucher nicht wirklich wahrnehmen - oder hoffentlich gar nicht erst benötigen. Über eine Rampe gelangt man in das Innere der Sanitätswache. Marko Pammer, zuständig für Presseangelegenheiten, führt durch die Wache, die eigentlich das Theater am Hagen ist. Die Straubinger Ausstellungs GmbH stellt dem BRK-Kreisverband die Räumlichkeiten während des Volksfestes zur Verfügung.
"Ausgestattet wie ein Rettungswagen"
Direkt nach der Rampe, über die die Verletzten oder Hilfesuchenden ankommen, teilt sich der Gang in verschiedene Räume auf. Es gibt zwei Notfallzimmer. Sie wirken eher unscheinbar. Doch der Schein kann trügen. "Diese Räume sind ausgestattet wie ein Rettungswagen. Hierher kommen Leute, denen der Kreislauf zusammenbricht, oder schlimmere Geschichten wie Herzinfarkte", erklärt Marko Pammer. Solche Notfälle werden mehrmals täglich behandelt.
In einem weiteren Raum befinden sich mehrere Liegen direkt auf dem Boden. Sofort wird klar, auch auf Bierleichen ist die Sanitätswache vorbereitet. Mit diesen Liegen kann verhindert werden, dass Betrunkene stürzen und sich so womöglich noch verletzen. Marko Pammer sagte dazu: "Während des Gäubodenvolksfestes verwandelt sich Straubing in eine Millionenstadt. Da kann alles passieren. Natürlich sind einige Einsätze auch dem Alkohol geschuldet, aber sie machen trotzdem nur einen Bruchteil aus".
Weiter geht es über die Information, wo die Patientenannahme stattfindet, und die "Einsatzzentrale" zum eigentlichen Herzstück der Wache, dem Aufenthaltsraum. Hier wird gegessen, getrunken und geplaudert. Aber auch auf Abruf gearbeitet. Ein halb aufgegessener Teller ist auf dem Tisch. Es gibt Schnitzel mit Kartoffelsalat. Ganz nebenbei erwähnt Marko Pammer, dass das Essen aus dem Seniorenheim komme. Die Senioren würden heute ebenfalls Schnitzel zu Mittag essen.
Sie sind auch Helfer für alles
Dann wird es allmählich ernst. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter Jürgen Kubitschek und Gerhard Huber fahren raus. Nie wissen sie, was passieren wird. Oder ob überhaupt etwas passiert. Sie beladen das Einsatzfahrzeug, das "SanCart, sitzend". So nennen sie das Fahrzeug. Es gibt noch ein weiteres SanCart, das wiederum eine eingebaute Liege dabei hat, für die schwereren Fälle. Sie fahren los. Ziel ist der Container des BRK auf dem Gelände der Ostbayernschau. Ein kleines Lager mit Verbänden, Pflaster und Flyer vom Fest. Richtig gehört: Flyer. Warum das so wichtig ist, wird nur ein paar Augenblicke später klar. Immer wieder kommen Besucher auf die beiden zu. Eine Familie möchte beispielsweise wissen, wie man zum Parkplatz P2 kommt. Auf solche Nachfragen sind die beiden "volksfesterprobten" Ehrenamtlichen bestens vorbereitet. Mithilfe eines Lageplans können sie beinahe alle Fragen beantworten. Gerhard Huber beobachtet indes die spazierenden Leute und verteilt Traubenzucker an Kinder. Die beiden treffen auf Bekannte. "Auch das ist Volksfest. Es bringt die Leute zusammen, wir treffen hier Menschen, die wir das ganze Jahr über nicht sehen".
Mit dem SanCart nur noch tagsüber unterwegs
Hunderte Besucher passieren die beiden, während sie auf einen Einsatz warten. Bei Jürgen Kubitschek und Gerhard Huber nachgefragt, ob sie eher die Ruhe favorisieren oder lieber etwas mehr Action hätten, sind sich die beiden schnell einig. Man hoffe natürlich immer, dass den Leuten nichts Schlimmes passiere. Der Tag auf der Wache oder auf dem Festgelände könne einem ohne einen einzigen Einsatz zwar vorkommen, wie eine halbe Ewigkeit, aber letztendlich sei das natürlich der bessere Tag. Fast eine Stunde vergeht. Dann wird der Standort gewechselt. Nächstes Ziel ist der zweite Container des BRK zwischen den Festzelten Wenisch und Weckmann. Wieder ist Gerhard Huber voll in seinem Element und gibt Traubenzucker aus. Auch hier verbringen die beiden gut eine Stunde - ohne einen einzigen Einsatz. "Mit diesem Fahrzeug fahren wir nur noch tagsüber raus", erzählt Jürgen Kubitschek. Später am Abend würden die Leute viel enthemmter auf das SanCart reagieren und sogar während der Fahrt aufspringen.
Irgendwann kommt der Funkspruch. Es geht zurück auf die Wache, ein anderes Team soll die beiden ablösen. "Ein Team ist im Schnitt zwei Stunden draußen", fügt Gerhard Huber hinzu. Das SanCart bahnt sich derweil seinen Weg über den Festplatz, sie fahren im Schritttempo an den Menschenmassen vorbei. "Wenn es uns pressiert, sieht das anders aus", ruft Gerhard Huber den Volksfestgängern zu. Den Leuten gefällt's.
"Niemals losrennen"
Zurück auf der Wache. Die ehrenamtlichen Helfer sitzen draußen bei bestem Wetter zusammen. Sie reden über Einsätze, über Alltägliches. Verschiedenste Persönlichkeiten und Berufe treffen hier aufeinander. Mit am Tisch sind unter anderem ein Zahnarzt, ein Ingenieur und ein Rettungsassistent - sie alle teilen die selbe Leidenschaft - die Leidenschaft, anderen zu helfen. Dann kommt über Funk der nächste Einsatz. "Kollaps beim Nothaftzelt". Sollte jetzt nicht eigentlich Hektik ausbrechen? Ganz im Gegenteil. Das Einsatzteam bereitet sich vor - immer mit dem Leitspruch "Mach langsam, es pressiert" im Hinterkopf. "Niemals losrennen" ist das ungeschriebene Gesetz auf der Wache, denn auch die eigene Sicherheit der Helfer wird hier großgeschrieben.
Vorheriges Jahr waren wir auch schon mit dem BRK auf dem Volksfest unterwegs. Lesen Sie mehr dazu unter Nachtschicht beim BRK - Nein, da ist keine Leiche drunter.