Trump vs. Biden
Erstes TV-Duell: Welcher der Kandidaten konnte punkten?
30. September 2020, 19:18 Uhr aktualisiert am 30. September 2020, 19:43 Uhr
Trump oder Biden? Wer konnte die Zuseher beim ersten Fernsehduell überzeugen? Prof. Dr. Stephan Bierling ordnet das erste TV-Duell für idowa ein. Er ist Leiter der Professur für Internationale Politik und transatlantische Beziehungen an der Universität Regensburg. Sein aktuelles Buch mit dem Titel "America First: Donald Trump im Weißen Haus" ist im August bei C. H. Beck erschienen.
Konnte einer der beiden Kontrahenten den anderen überflügeln? Ging die Taktik auf? Gab es überraschende Momente? Und welche Wirkung geht von dem ersten TV-Duell zwischen dem amtierenden amerikanischen Präsidenten Donald Trump (Republikaner) und seinem Herausforderer Joe Biden (Demokraten) aus? Prof. Dr. Stephan Bierling bewertet das Duell in sechs Rubriken.
Themen
Prof. Dr. Stephan Bierling: Was wir erlebt haben, sind im Grunde zwei unterschiedliche Welten. Republikaner und Demokraten sehen kaum ein Problem, das Amerika aktuell innenpolitisch bewegt, in gleicher Weise. Somit gab es auch keine wirkliche Debatte über Themen. Beide Seiten haben nur vorgetragen, was sie über die vergangenen Jahre schon gesagt haben. Keiner hat dem anderen zugehört und keiner hat punkten können bei Leuten außerhalb seiner eigenen Wählerschaft. Die Themen spielen im Grunde keine so große Rolle im Moment.
Auftreten
Bierling: Wir haben heute in den amerikanischen Medien, aber auch in den deutschen, Schlagzeilen gelesen wie etwa, dass es sich um einen Tiefpunkt in der Debattenkultur gehandelt habe. Man tut überrascht, dass es so ist. Jeder, der die beiden Kandidaten, die sich nun ja schon lange in der Öffentlichkeit bewegen, besser kennt und analysiert, wird gestern nichts Überraschendes gesehen haben. Trump hat genau das versucht, was er seit Jahren in der Politik versucht: mit Unterstellungen, mit Attacken und, wenn es nötig war, mit Lügen und mit Unterbrechungen den Gegner irgendwie in die Defensive zu drängen. Biden ist ein vornehmerer Mensch und gleichzeitig kein sehr starker Debattierer. Er hat versucht, keine großen Fehler zu machen, sich nicht aus der Defensive locken und sich nicht provozieren zu lassen von Trump. Er wollte nicht in die Schlammschlacht geraten, in die Hillary Clinton vor vier Jahren geraten ist. Das ist ihm nicht immer gelungen. Einige Male hat er dünnhäutig reagiert. Er hat Trump einen Clown genannt, hat ihm vorgeworfen, ein notorischer Lügner zu sein. Einmal hat er ihm sogar zugerufen: "Halt's Maul!" Das hat gezeigt, dass auch er etwas nervös war. Insgesamt hat er aber seinen Mann gestanden und hat keine großen Fehler gemacht. Für ihn war es das Wichtigste, nachzuweisen, dass er sich nicht ins Bockshorn jagen lässt.
Taktik
Bierling: Man muss den Hintergrund sehen, vor dem diese erste Präsidentschaftsdebatte stattgefunden hat. Trump liegt weit hinter Biden und er liegt sehr stabil hinter Biden, etwa sieben bis neun Prozentpunkte. In den wichtigen "Swing States" liegt er drei bis vier Prozentpunkte dahinter. Das ist deutlich weiter, als er gegen Hillary Clinton zurücklag. Das heißt, er musste dieses Forum als eine seiner letzten Chancen begreifen, die Wahl nochmal umzudrehen. Deshalb ist er im Grunde so aggressiv aufgetreten. Es entspricht seiner Persönlichkeit, aber es zeigt auch, dass er sich als Underdog sieht. Das war vor vier Jahren ähnlich, dass er glaubt, nur gewinnen zu können, indem er die andere Seite dämonisiert. Das ist ihm vor vier Jahren gelungen. Aber dieses Mal ist es ihm sehr schwer gefallen. Biden hat gelernt, wie man mit Trump nicht umgehen sollte. Und weil Biden der "frontrunner" ist, konnte er die Sache etwas cooler nehmen. Er musste nicht auf Angriff setzen. Es ging darum, den Vorsprung, mit dem er in diese Debatte gegangen ist, auch bis zum Ende zu behalten. Das ist ihm gelungen.
Bemerkenswert
Bierling: Inhaltlich gab es keinen bemerkenswerten Moment bei den Kandidaten. Das Ganze ist sehr schnell in einen Unterbrechungsmarathon abgerutscht. Aber wenn man nach einem solchen Moment suchen wollte, dann ist er vielleicht weniger bei den Kandidaten, als vielmehr beim Moderator zu finden. Bemerkenswert war, dass er im Grunde völlig in die Kulisse gedrängt wurde, vor allem von Trump. Er hat dafür auch sehr schlechte Kritiken in den Medien bekommen. Aber selbst als Moderator kann man mit jemandem, der sich in der Debatte aufführt wie ein Rüpel, nicht anders umgehen.
Wählermotivation
Bierling: Es war für Trump die letzte große Chance, Leute zu begeistern, die bisher nicht auf seiner Seite waren. Und diese Chance hat er nicht genutzt. Er hat nur für die eigene Basis gesprochen. Aber das ist fast nicht mehr notwendig. Im Grunde erlebt man seine Suada, seine Empörungsrhetorik, ja andauernd. Und die eigene Basis bejubelt er ebenso regelmäßig. Viel ist an dieser Stelle nicht mehr zu holen. Trump hat stabile Zustimmungswerte von 40 bis 45 Prozent, aber er ist nie darüber hinaus gekommen. Das hat er gestern auch nicht geschafft. Biden hat dagegen eine Zustimmung von 48 bis 52 Prozent. Für ihn war wichtig, nicht einzubrechen, sich keinen großen Lapsus zu leisten, den er bei vergangenen TV-Duellen ja durchaus schon mal hatte. Er kann sich ganz zufrieden aus dem Duell zurückziehen. Er hat die Debatte nicht unbedingt gewonnen, aber er hat es geschafft, keinen Fehler zu machen.
Perspektive
Bierling: Die nächsten beiden Duelle auf Präsidentenebene werden weniger wichtig sein. Erstens ist die Einschaltquote bei dem ersten Duell sehr viel höher. Zweitens werden schon so viele Wähler im Laufe der nächsten Wochen ihre Stimme abgegeben haben, dass deutlich weniger freies Wählerpotenzial da ist, das man wirklich noch gewinnen könnte. Und beide Seiten werden insgesamt zufrieden sein. Die rechten Medien feiern Trump, die linken und die Mainstream-Medien feiern Biden. Nicht weil beide so eine fantastische Performance hingelegt haben, aber weil sie das getan haben, was man von ihnen erwartet hat. Genau so werden die beiden auch in die nächsten Runden gehen. Trump wird nach wie vor versuchen, Biden zu attackieren und ihn zu einem Wutausbruch, zu einem Lapsus zu zwingen. Biden wiederum ist so solide gewesen, dass er von der Taktik nicht abgehen muss. Er verteidigt sozusagen mit zehn Mann vor dem Strafraum und Trump attackiert andauernd, kann aber nicht durchkommen, solange die Verteidigungslinie steht.