Urheberrechtsreform

Der Artikel 13 ist da - Was jetzt?


Viele sind gegen Artikel 13 auf die Straße gegangen.

Viele sind gegen Artikel 13 auf die Straße gegangen.

Zehntausende Menschen gingen gegen sie auf die Straße. Verlage, Künstler und Politiker verstanden die Welt nicht mehr. Das EU-Parlament hat der Urheberrechtsreform mit dem umstrittenen Artikel 13 am Dienstag zugestimmt. Aber was hat es damit auf sich? Und geht das Internet jetzt wirklich unter?

Seit 2016 ringt die EU über eine Reform des Urheberrechts. Die gesetzliche Grundlage, mit der Künstler, Autoren und Verwerter wie Verlage oder Musiklabels ihre Rechte schützen können, stammt noch aus einer Zeit, in der das Internet keine große Rolle gespielt hat. Die aktuelle Reform soll das ändern und löste damit in den vergangenen zwei Jahren eine riesige Lobbyschlacht aus, in der unterschiedlichste Interessen aufeinanderprallten.

Artikel 13 ist nun Artikel 17: Warum darüber so heftig gestritten wurde

Der Kern des Streits zwischen Gegnern und Befürwortern der Urheberrechtsrichtlinie war Artikel 13, der im finalen Dokument nun zum Artikel 17 wurde. In ihm sollen Plattformen im Internet wie YouTube oder Facebook, aber auch Foren und Blognetzwerke dazu verpflichtet werden, nur Inhalte zu veröffentlichen, für die sie Lizenzen eingeholt haben. So funktionieren schon Radiosender, Fernsehanstalten aber auch Plattformen wie Spotify oder Netflix. Der Unterschied zu einer Seite wie YouTube: Auf Spotify oder Netflix können die Nutzer keine eigenen Inhalte hochladen.

Und hier beginnt auch für viele Gegner der Reform das Problem: Wie sollen YouTube, aber auch Forenbesitzer, mit Inhalten von Nutzern umgehen, für die sie keine Lizenz haben? Ein populäres Beispiel für solche Inhalte sind Memes, in denen oft urheberrechtlich geschützte Inhalte verwendet werden, aber auch Fotos oder Videos von der Geburtstagsfeier, in denen im Hintergrund ein Fernsehprogramm zu sehen oder Musik zu hören ist.

Artikel 13 sieht vor, dass Plattformen von sich aus alles unternehmen müssen, damit Inhalte, für die sie keine Lizenz haben, gar nicht erst zu sehen sind. Eine Änderung zum bisherigen Status quo, nach dem Plattformen wie YouTube diese Inhalte erst entfernen, wenn ein Urheber oder ein Verwerter sie darauf aufmerksam macht. Diese Umkehr der Verantwortung löst in Gegnern der Reform den größten Schrecken aus.

Uploadfilter gibt es bereits - das heißt aber nicht, dass sie wirklich funktionieren

Denn letztlich sehen die Gegner nur eine Möglichkeit, damit diese Inhalte zuverlässig ausgesiebt werden: Automatisierte Filtersysteme, die jeden Upload nach möglichen Verstößen durchsuchen und im Zweifelsfall verhindern, dass er ins Netz kommt.

Unternehmen wie Google nutzen solche Systeme schon - das heißt aber nicht, dass sie wirklich funktionieren. Ein Beispiel, das Kritiker gerne anbringen, ist das Filtersystem von YouTube, genannt Content ID. Sein größter Nachteil: Es unterscheidet nicht, ob jemand zum Beispiel einen ganzen Film hochladen will, oder nur kurze Ausschnitte, um den Film vorzustellen oder eine Parodie darüber zu machen. Wenn schon die existierenden Filter mehr schlecht als recht funktionieren, so das Argument, was passiert erst, wenn jeder, der so eine Plattform betreibt, filtern muss?

Viele weitere Argumente basieren auf den Uploadfiltern. Ein Beispiel: Große Plattformen wie YouTube seien letztlich diejenigen, die am wenigsten Probleme bekommen werden, kleinere Foren oder Anbieter müssten früher oder später ihren Betrieb einstellen. Zwar gebe es Ausnahmeregeln, die seien aber so eng gehalten, dass sie nur für wenige Plattformen gelten.

Auch könnten Filter für mehr benutzt werden und die Meinungsfreiheit einschränken. Am Ende könnten nur noch wenige große Anbieter überleben, die sich Filter und Lizenzen leisten können und kontrollieren werden, was auf ihren Seiten zu finden ist. So wird aus dem Internet, an dem sich jeder beteiligen kann, eine Art besseres Kabelfernsehen, argumentiert EU-Abgeordnete Julia Reda. Am Mittwoch hat sie ihren Austritt aus der Piratenpartei verkündet - jedoch nicht aufgrund der Reform.

Das Wort Uploadfilter steht nicht in der Reform, aber es wird wohl nicht ohne sie gehen

Sieht Artikel 13 tatsächlich verpflichtend vor, dass Uploadfilter kommen? Das Wort selbst steht nicht in der Reform. Zwar gehen mittlerweile auch starke Befürworter der Richtlinie wie CDU-Politiker Axel Voss davon aus, dass es wohl ganz ohne sie nicht gehen wird. Allerdings seien sie nicht notwendig, wenn Plattformanbieter einfach die nötigen Lizenzen kaufen. Damit wäre auch ein Missstand behoben, den Befürworter schon lange bemängeln: So sehr das Internet Geld in die Kassen von großen Konzernen wie Google und Facebook spült: Die Urheber, die einen Großteil dieser Inhalte schaffen, haben so gut wie nichts davon. Die Reform soll ihnen zumindest einen kleinen Teil der Einnahmen verschaffen, die mit ihren Werken gewonnen werden.

Alt gegen neu, digital gegen analog, junge Nutzer gegen Politiker meist älteren Semesters

Im Grunde ist der Kampf um Artikel 13 die Fortsetzung eines Konflikts, den es gibt, seit das Internet in die Öffentlichkeit gedrungen ist. Auf der einen Seite meist junge Nutzer, Politiker, Internetunternehmer und Künstler, die sich mit dem Internet arrangiert haben. Auf der anderen Seite Politiker und Künstler meist älteren Semesters, die in analogen Zeiten aufgewachsen sind, und analoge Gesetze ins Netz übertragen wollen. Unterstützt werden sie von Verwertern, die mit diesem System ihr Geld machen.

Wie stark dieser Kampf - digital gegen analog - polarisiert, sah man am vergangenen Samstag. Zehntausende, meist junge, Demonstranten gingen auf die Straße. Für viele Befürworter war das so unverständlich, dass einige zwischendurch vermuteten, Google hätte die Demonstranten gekauft. Diese eskalierten mit Beleidigungen.

Das Europaparlament hat der Reform zugestimmt: Wie geht es jetzt weiter?

Streng genommen ist die Reform noch nicht beschlossen. Das EU-Parlament hat am Dienstag zugestimmt. Aber die Mitgliedsstaaten müssen die Richtlinie im Europäischen Rat noch absegnen. Der Rat wird dem Parlament aber wohl folgen. Dann bleiben den Ländern zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationale Gesetze zu übernehmen.

Dabei gibt es viel Spielraum. In Deutschland, so der Vorschlag einiger CDU-Politiker, könnten Pauschallizenzen in ein Urheberrechtsgesetz aufgenommen werden, die Filter überflüssig machen würden. Eine andere Möglichkeit, die Netzaktivisten ins Spiel gebracht haben, ist, gegen die Richtlinie zu klagen.

Unsere Quellen

Zum Thema Artikel 13 gibt es unglaublich viele Informationen, darunter auch viele Gerüchte und falsche Behauptungen. Deshalb geben wir bei dieser Geschichte genau an, wo und wie wir recherchiert haben. Neben klassischen Analogmedien, wie dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen und deren Digitalkanälen, dem Politikteil unserer Zeitung und dem Radio, haben wir unter anderem folgende Quellen benutzt:
• bento.de/politik
• heise.de/thema/Artikel-13
• golem.de/specials/urheberrecht
• irights.info
• urheberrecht.org/topic/EU-Urheberrechtsreform
• zeit.de/digital
• spiegel.de/netzwelt
• youtube.com/MrWissen2go

Hier findest du den Gesetzestext zur Urheberrechtsreform.

Hier siehst du, wie die einzelnen deutschen Abgeordneten abgestimmt haben.