AZ-Filmkritik
"After Passion": Lass doch dein Shirt an!
11. April 2019, 9:11 Uhr aktualisiert am 11. April 2019, 9:11 Uhr
Keusche Erotik: Von der Internet-Fanpage zum Bestseller und jetzt ins Kino - "After Passion".
Ähnlich wie E.L. James "Fifty Shades of Grey" startete der Siegeszug von Anna Todds "After"-Reihe nicht auf dem Buchmarkt, sondern auf einer digitalen Plattform für Fan-Fiction: Geschichten von Fans für Fans in Anlehnung an jenes Sujet, das sie gemeinsam verehren. In diesem Fall war es die britisch-irische Boygroup "One Direction", deren Sänger Harry Styles als fiktionalisierte Figur in Todds erste literarische Gehversuche eingebunden wurde. Schon bald gingen die Klickzahlen durch die Decke. 1,5 Milliarden Mal wurde "After Passion" auf der Plattform "Wattpad" aufgerufen und im sozial-medialen Dialog zwischen Autorin und Fans weiterentwickelt. Die nachfolgende fünfbändige Buchausgabe wurde in 30 Sprachen übersetzt, brachte es auf 11 Millionen verkaufte Exemplare.
Natürlich nahm Hollywood bei solchen Erfolgsstatistiken schnell Witterung auf. "After Passion" erzählt variiert ohne nennenswerte kreative Eigenleistung die unkaputtbaren Stereotypen von "Die Schöne und das Biest". Anders jedoch als "Fifty Shades of Grey" kommt man hier ohne Kabelbinder und Safeword aus, denn die erotische Romanfolge richtet sich vornehmlich an ein jugendliches Publikum, das seine Sexualität erst noch entdecken soll.
"After Passion" bedient fortwährend Klischees
Im Zentrum steht die zarte Erstsemestlerin Tessa (Josephine Langford), die bei ihrer allein erziehenden Mutter aufgewachsen ist und immer eine gute, brave Schülerin war. Aber an der Uni wartet nicht nur das VWL-Studium, sondern auch ein Kreis von vergnügungswilligen Kommilitoninnen. Beim "Wahrheit oder Pflicht"-Spiel gerät Tessa an den schmucken Hardin (Hero Fiennes Tiffin), dem sie jedoch den geforderten Kuss verweigert, was die Eroberungsinstinkte des Abgewiesenen weckt. Hardin werden die mühsam zusammen getragenen Attribute eines geheimnisvollen Mannes zugeschrieben.
Er trägt bevorzugt schwarze Kleidung, ja sogar ein Ramones-T-Shirt. Zahlreiche Tatoos zieren seinen Körper. Auf unfassbar ermüdende Weise wird das Klischee der unschuldigen, jungen Frau beschworen, die dem düsteren Charme einer zerrütteten Männerpyche erliegt. Übersichtliche Pseudo-Konflikte tragen ebenso wenig zur Steigerung des Unterhaltungswertes bei, wie die einfältigen Dialoge. "Du brauchst dich niemals zu verstecken. Nicht vor mir", haucht der Liebhaber Tessa ins Ohr, als diese keusch ihr T-Shirt wieder über den Bauchnabel ziehen will und Regisseurin Jenny Gage erneut zu einer jungendfrei geschnittenen, erotischen Bildmontage ausholt.
Im gefühlten 10-Minuten-Takt branden solche Musikstrecken heran, damit die Dialoglast nicht zu schwer wird und die sparsame Handlung auf 106 Filmminuten gestreckt werden kann.
Gegenüber diesem inspirationslosen Teenie-Kitschsoße wirken Konkurrenzprodukte wie "Fifty Shades" oder "Twilight" fast schon tiefgründig.
Kino: Cinemaxx, Royal, Mathäser (auch OV) sowie Cinema und Museum (OV)
Regie: Jenny Gage (USA, 106 Min.)