Kultur
Barbara Mundel auf dem roten Sofa der AZ: Offen für alle, offensiv für das Neue
12. März 2023, 10:27 Uhr aktualisiert am 13. März 2023, 16:45 Uhr
Schon während ihrer Studienzeit in München war es ihr Lieblingstheater, gestand sie auf dem Roten Sofa der Abendzeitung. Inzwischen ist Barbara Mundel Intendantin der Münchner Kammerspiele. Ihre Amtszeit seit Herbst 2020 war überschattet von Corona, aber mit "Like Lovers Do" im vorigen und "Nora" in diesem Jahr wurden zwei Produktionen aus ihrem Haus zum Theatertreffen in Berlin eingeladen, bei dem die zehn "bemerkenswertesten" Inszenierungen aus dem deutschsprachigen Raum versammelt werden.
Ihr Vertrag wurde frühzeitig bis 2028 verlängert, andererseits aber ist der Stadtkämmerer in Sorge über eine Platzauslastung von nur 56 Prozent und einem Fehlbetrag von 1,2 Millionen Euro. Künftig soll ein neues Gremium mit dem vorläufigen Titel "Kammer-Rat" zwei Mal im Jahr zu "informellen Gesprächen" zwischen Theater und Kulturreferat tagen. Er solle dazu beitragen, erklärt Mundel, "Verwerfungen" wie bei ihrem Vorgänger Matthias Lilienthal zu vermeiden.
Sie kann sich vorstellen, versuchsweise für ein halbes Jahr überhaupt keine Eintrittspreise zu erheben. Damit könne festgestellt werden, welche Bedeutung das Geld habe, sich für einen Theaterbesuch zu entscheiden. Noch umfassender die Frage, die AZ-Kulturredakteur Adrian Prechtel anlässlich des Podiumsgesprächs im Barocksaal des Deutschen Theaters stellte: "Welches Theater wird mit welchen Stücken mit wem auf der Bühne und für wen gemacht?"
Eingangs erinnerte Prechtel an die bürgerlichen Anfänge des Theaters, wie wir es heute kennen, vor rund 250 Jahren. Die heutige Gesellschaft sei aber vielfältiger und komplizierter geworden, entgegnete Barbara Mundel. Sie verwies darauf, dass auch das bürgerliche Sprechtheater eine Emanzipationsbewegung gegen die höfische Kultur war.
Wie stark der ständige Wandel des Theaters ist, erläuterte sie am Beispiel von Luk Percevals "Othello"-Inszenierung: Zur Premiere 2003 eine von viel Empörung begleitete Skandalaufführung und zum Ende der Ära Frank Baumbauer nur sieben Jahre später ein glanzvolles Ereignis, das mit Standing Ovations gefeiert wurde.
"München reibt sich gerne am Theater", weiß die Intendantin. Heute kann es umgekehrt passieren, dass man sich über "Die scheene Leich" beschwert, weil Gerhard Polt ein "Retro-Theater" zeige. Dem widerspricht Mundel heftig, denn Polt und die Well-Brüder gehörten an die Kammerspiele. Mit seinen Mitteln spreche Polt über den Umgang mit alten Menschen und mit dem Tod. Das betreffe jeden von uns und werde zunehmend zu einer "Zerreißprobe für unsere Gesellschaft".
Unsere komplexe Realität müsse sich auch in den Angeboten widerspiegeln, die ein Theater in der Mitte der Stadt macht. Mit dem Kiosk Habibi habe man ein Fenster, das sich zur "steril gewordenen Maximilianstraße" öffne, mit dem Theaterlabor Neuperlach arbeite man mit Menschen ab 14, die wenig bis keine Erfahrung mit Theater haben, erschließe mit einer "Antigone" in Leichter Sprache auch ein bisher kulturfernes Publikum oder habe mit der Roman-Adaption "Effingers" großes Erzähltheater im Programm.
Wichtig sei, "offen und offensiv" viele Zugänge zu schaffen. Denn "das Theater ist ein Super-Medium".