Bayerische Staatsoper
Das dritte Montagskonzert im Nationaltheater
31. März 2020, 16:49 Uhr aktualisiert am 31. März 2020, 16:49 Uhr
Das Montagskonzert der Bayerischen Staatsoper mit Tänzern des Staatsballetts, der Geigerin Julia Fischer und Musikern aus dem Staatsorchester
Schwer zu sagen, was unheimlicher ist: die donnernd lauten Schritte, als der Ballett-Tänzer Javier Amo die Bühne verlässt, ohne Applaus, der ihn auffängt. Der Hall, der aus dem verlassenen Zuschauerraum der Bayerischen Staatsoper die Bühne heimsucht, wenn die Sopranistin Adela Zaharia einen Spitzenton herausgeschleudert hat. Oder der Blick der Kamera aus der Tiefe des leeren Saals auf die Bühne, wo die kammermusikalischen Duopartner ganz klein aussehen - so einsam und hilflos, wie sich wohl die meisten Menschen in den Zeiten von Corona fühlen.
Man kann nicht sagen, dass die Bildregie es nicht verstünde, die Dramatik der gegenwärtigen Lage künstlerisch voll auszuschöpfen. Das ist besser, als Normalität vorzutäuschen. Der Live-Stream, in dem die Bayerische Staatsoper nun schon zum dritten Mal einen bunten Konzertabend zur besten Sendezeit nach der "Tagesschau" im Internet zeigt, ist etwas völlig anderes als die Übertragung einer Aufführung. Oft genug ist man ja von schwätzenden und hustenden Zuhörern genervt. Hier jedoch wird schmerzhaft deutlich, wie notwendig das Publikum ist.
Gespenstische Eleganz
Die kleine Szene aus dem "Coppélia"-Ballett von Léo Delibes, die Javier Amo, Solist des Bayerischen Staatsballetts, aufführt, ist ein perfektes Sinnbild dafür. Denn er tanzt den Pas de Deux nach dem gemeinsamen Dinner mit einer Puppe: zwar so elegant, dass man vergisst, dass er einen leblosen Körper führt (Choreographie: Roland Petit). Aber ein bisschen gespenstisch ist das schon. Denn wenn der Tanz vorbei ist, ist die Puppe kein echtes Gegenüber mehr für ihn. Nur noch ein Gegenstand.
Genauso wie die stummen Kameraaugen, die auf die Bühne gerichtet sind. Es zeigt sich nun, wer ein echter Profi ist und sich trotz bedrückender Einsamkeit motivieren kann, Musik zu machen und nicht nur zu markieren. Dass Julia Fischer das können würde, war klar. Die Geigerin ist die Arbeit im Studio gewöhnt. Das erste der drei "Souvenirs" op. 42 von Peter Tschaikowsky beginnt sie mit der Pianistin Tatiana Chernichka unscheinbar, wie Musik für Amateure. Aber bald zeigen die plötzlichen Aufschwünge, dass diese scheinbaren Salon-Piècen eher etwas wie Mittelsätze ungeschriebener Violinkonzerte sind und eine hochvirtuose Solistin brauchen, ebenso wie die Violinsonate Nr. 3 c-moll von Edvard Grieg, in die sich Julia Fischer unwiderstehlich hineinsteigert.
Es kommt von Herzen
Genauso beeindruckend aber ist, wie kommunikativ Felix Key Weber und Matjaz Bogataj für das virtuelle Publikum spielen, obwohl sie sich in der Sonate für zwei Violinen von Eugène Ysaÿe spiegelbildlich gegenüber stehen - nur mit dem Unterschied, dass die beiden frei agieren. Das selten gegebene Werk macht exzessiven Gebrauch von Doppelgriffen, sodass die beiden Geigen oft tönen wie ein Streichquartett, pastos und satt, dennoch durchlässig in der Tongebung: Die beiden Mitglieder des Bayerischen Staatsorchesters spielen nicht wie Tuttisten, sondern echt solistisch.
In ausdrucksvoller Großaufnahme zeigt die Bildregie die Sopranistin Adela Zaharia, die, von Fabio Cerroni am Flügel lebhaft begleitet, drei Opernarien singt. Mit ihrer ausladenden Stimme, deren Oberfläche aber gut gebändigt wird und schön glatt klingt, stimmt sie die Arie "Je veux vivre" aus "Roméo et Juliette" von Charles Gounod eher träumerisch an, leicht elegisch, weniger als überschäumende, fast verzweifelte Lebensäußerung. Dennoch würde natürlich die ekstatische Schlusspartie nach Applaus schreien. Stattdessen rufen wir am heimischen Bildschirm nur allein "Bravo". Es kommt umso mehr von Herzen.
Der Mitschnitt und den Livestream des nächsten Konzerts am 6. April um 20.15 Uhr auf www.staatsoper-tv.de. Die Staatsoper ruft zu Spenden auf, um freie Künstler in der Krise zu unterstützen. Bankverbindung auf www.staatsoper.de/news/spendenaufruf-corona.html