"Tatort"-Kritik
"Die Ferien des Monsieur Murot" mit unspektakulärem Geständnis
22. November 2020, 18:30 Uhr aktualisiert am 22. November 2020, 18:47 Uhr
Jacques Tati verlebte einst "Die Ferien des Monsieur Hulot", der Wiesbadener Tatort- Ermittler mit dem passenden Nachnamen bricht auf in "Die Ferien des Monsieur Murot". In seinem Ro 80-Oldtimer fährt er in den Taunus und bezieht ein altmodisches Hotelzimmer.
Achtung, Spoiler! Diese TV-Kritik gibt mehr oder weniger konkrete Hinweise auf die Handlung und das Ende des "Tatorts". Wenn Sie nichts verraten bekommen wollen, warten Sie mit der Lektüre des Textes, bis Sie den Film gesehen haben.
Damit nicht genug der Reminiszenzen an Tati, später folgt Murots bizarrer Aufschlag bei einem Tennis-Doppel, dem man ansieht, dass kein einziger der vier Schauspieler jemals zuvor einen Schläger in der Hand hielt. Untermalt wird die Slapstick-Nummer mit der passenden Tati-Musik.
Ulrich Tukur in schwieriger "Tatort"-Doppelrolle
Ansonsten aber verlebt der Tatort-Kommissar ganz andere Ferien als der französische Komiker. Höchst exzentrisch sind sie aber auch: Murot stößt auf sein optisches Ebenbild Walter (beide gespielt von Ulrich Tukur), der vom Wesen her das genaue Gegenstück zu ihm ist: nicht fein und introvertiert, sondern derb, laut, schwatzhaft, überdreht und obendrein ein Schuft. Da jedes Uralt-Klischee eines Gebrauchtwagenhändlers erfüllt ist, muss Walter in dem Film eben jenem Beruf nachgehen.
Allerdings nicht mehr lang: Noch in der Nacht, in der er mit Murot den Zufall des identischen Aussehens feiert, wird er überfahren. Von seiner psychisch labilen Frau Monika (Anne Ratte-Polle), die ihn schon vorher umbringen wollte. Da er und Murot volltrunken die Klamotten getauscht hatten, hält die Polizei Murot für den Toten - und der schlüpft in die Rolle des Gebrauchtwagenhändlers und ermittelt im gemeinsamen Hausstand gegen die tatverdächtige Ehefrau. Die kreischt einmal kurz, als sie vermeintlich den Ehemann erblickt, den sie in der Nacht zuvor sorgfältig totgefahren hat. Dann glaubt sie, dass ihr die kaputte Psyche einen Streich gespielt hat, und kehrt pragmatisch in den Ehealltag zurück.
Das Drehbuch ist originell und leichtfüßig
Der Plot ist verrückt - aber wieso sollten "Tatort"-Autoren nicht mal die weiten Möglichkeiten des Fiktiven ausloten? Grzegorz Muskalas Film, dessen Drehbuch er gemeinsam mit Ben Braeunlich geschrieben hat, ist originell und leichtfüßig. Es geht nicht um die Tätersuche. Spannend ist vielmehr zu beobachten, wie Murot vorsichtig-zaghaft in die Rolle des Autohändlers hineintapst, ohne viel über dessen Leben zu wissen. Wie soll er nur mit dem Ehepaar umgehen, das zum Grillen kommt? Murot weiß ja noch nicht mal, ob er den Mann wie einen Freund oder Feind behandeln sollte.
Lustiger Kurzauftritt von Ruth Rupp
Die Schauspieler wissen den Film zu tragen: Ulrich Tukur ist das richtige Kaliber für die schwierige Doppelrolle, und die famose Anne Ratte-Polle spielt die attraktive Frau, deren eheliche Nähe Murot zu schätzen lernt, in jeder Hinsicht. Einen sehr lustigen Kurzauftritt hat die 94-jährige Ruth Rupp als Dame, die ein Auto kaufen möchte.
Gegen Ende lässt der Film etwas nach: Murot wird eher beiläufig und ohne große Folgen enttarnt, unspektakulär ist auch Monikas Geständnis. Schön aber der melancholische Schluss: Hätte Murot, der zuvor seiner eigenen traurig menschenleeren Beerdigung beiwohnte, nicht doch mit der schönen Quasi-Ehefrau durchbrennen sollen? So geht's mit dem Oldtimer zurück nach Wiesbaden, wieder allein.