TV-Kritik
"Tatort: Angriff auf Wache 08": Wirrer Genre-Mix ohne Spannung
21. Oktober 2019, 7:50 Uhr aktualisiert am 21. Oktober 2019, 9:55 Uhr
Wirrer Genre-Mischmasch statt klassischem Krimi: Warum der neue Tatort wohl nur Liebhaber von Filmklassikern für sich gewinnen kann, das breite Fernsehpublikum allerdings auf der Strecke bleibt. Die TV-Kritik.
Die "Tatorte" um den Wiesbadener LKA-Ermittler Felix Murot (Ulrich Tukur) sind immer TV-Experimente, nie bekommt der Zuschauer einen reinen Krimi zu sehen. So ist es auch im neuesten Ableger "Tatort: Angriff auf Wache 08" (Regie: Thomas Stuber, Buch: Clemens Meyer und Thomas Stuber). Statt klassischer Ermittlerarbeit gibt's diesmal nämlich übertriebenes Geballer, Dutzende Leichen inklusive.
Wie gewohnt, bedient sich auch der neueste Murot-"Tatort" bei (klassischen) Filmvorlagen. So entsteht diesmal eine wilde Genre-Mischung aus Western-, Action-, und Thriller-Elementen, sogar ein Hauch von Zombie ist dabei - und all das in der Prärie irgendwo zwischen Frankfurt und Offenbach.
Neuer Murot-"Tatort": Überspitzt und unlogisch
Eine schießwütige und schwerbewaffnete Gangsterbande auf Rachefeldzug kesselt eine stillgelegte Polizeiwache ein. Mittendrin: Murot, der im Urlaub seinen alten Freund Walter Brenner (Peter Kurth) besucht, den er noch aus gemeinsamen BKA-Zeiten kennt. Dass dann auch noch ein Gefangenentransport mit Reifenpanne vor der Wache strandet, ist nur einer von vielen Zufällen, die die Handlung unrealistisch erscheinen lassen.
Eine überspitzte und ironische Darstellung gehört zum Murot-"Tatort" dazu. Der neueste Fall ist aber dermaßen von Klischees überladen, dass das Zuschauen phasenweise nur schwer zu ertragen ist. Etwa wenn Brenner um sich schießt, dabei aber weiter beständig an seiner Zigarre qualmt oder in einer kurzen Feuerpause Whisky trinkt und mit seiner Mundharmonika Lagerfeuer-Feeling verbreitet. Den unangenehmen Höhepunkt des Stereotypen-Theaters bildet er aber, wenn er sich am Ende des Films mit einem gequälten "Lasst mich zurück, ihr seid ohne mich schneller!" in die Luft sprengt, um den übrigen Mitstreitern die Flucht vor den Gangstern zu ermöglichen.
Für einen Aha-Moment sorgt lediglich Thomas Schmauser als Serienmörder Rüdiger Kermann, der zufällig im Gefangenentransport sitzt und als "Kannibale von Peine" zeitweise einen leichten Schauder vor dem Fernsehbildschirm verursacht.
Spannung? Fehlanzeige!
Egal ob bewusst oder nicht, der neueste HR-"Tatort" will zu viel, die Übertreibungen in der Handlung sorgen dafür, dass der Zuschauer die eigentlich prekäre Lage von Murot und Co. zu keinem Zeitpunkt ernst nehmen kann. Ein Spannungsbogen ist somit kaum existent.
Liebhaber von "Tatort"-Experimenten dürften jedoch wohl alleine wegen der vielen Reminiszenzen wieder auf ihre Kosten kommen. Das breite "Tatort"-Publikum und Zuschauer, die die filmgeschichtlichen Anspielungen nicht kennen, werden nach den 90 Minuten allerdings hauptsächlich verwirrt zurückbleiben und sich fragen: "Habe ich gerade wirklich einen 'Tatort' gesehen?!"