Kultur
Die Leichtigkeit des Seins
22. Februar 2023, 17:12 Uhr aktualisiert am 22. Februar 2023, 17:12 Uhr
Sommer, Sonne und Ostseestrand - allerdings hier Westdeutschland, 1974. Die Familie des souveränen, modernen, tiefenentspannten Psychiatrieprofessors Richard Meyerhoff ist unbeschwert in den Sommerferien. Eine kleine freche Anspielung auf "Die Blechtrommel" leistet sich Regisseurin Sonja Heiss gleich mal: nicht erotisch, aber mit Wasser im Bauchnabel des Vaters (Devid Striesow).
Alles ist heiter. Erst als der jüngste Sohn Josse (Romanautor Meyerhoff als junger Teenie) beim unterhaltenden Ratespiel auf der Rückbank des Autos (alle natürlich unangeschnallt und die Eltern rauchend) von seinen älteren Brüder witzig gemobbt wird und einen Tobsuchtsanfall bekommt, merkt man: Natürlich ist nicht immer alles eitel Sonnenschein.
Zuhause wird Josse erst einmal zur Beruhigung auf die Waschmaschine gesetzt und der durchrüttelnde Schleudergang eingeschaltet, während die Eltern daneben lässig diskutieren, ob das mit Josse noch normal sei.
Aber - und das ist eine der großen Stärken des Films - bei allem bewahrt sich der Film immer eine charmante Leichtigkeit. Was auch am Lebensgefühl der 70er und 80er liegt und natürlich der Tatsache, dass der zugrunde liegende Bestsellerroman eine Jugenderinnerung ist. Dabei neigt man zur Nostalgie, was ja schon der wunderbar ironische Titel "Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war" nahelegt. Und auch von der Wohnzimmer-Schrankwand über den VW-Bus bis zum Strickpullover ist der Film unaufdringlich in Zeitkolorit getaucht.
Als Zuschauer erleben wir die Jugendgeschichte in einnehmender Nähe. Aber zur Geborgenheit kommt gleichzeitig auch eine sanfte erzählerische Distanz, die Raum für Reflexionen schafft, so dass ein eleganter Schwebezustand entsteht. Abgedeckt ist die Kindheit von Josse (Camille Loup Moltzen) über den Schwerpunkt der Jugend in den 80ern, die dann mit Arsseni Bultmann ideal besetzt ist, der hier ganz natürlich weder Held noch Antiheld ist.
Am Ende wird - Josse ist mit 25 Jahren zu Joachim geworden (Merlin Rose) - die Ehe seiner Eltern ohne Hass, aber mit Verletzungen auseinandergegangen und der Vater krank sein. So drehen sich die Rollen zwischen Sohn und Vater um, der jetzt Unterstützung braucht. Aber auch hier behält der Film seinen berührenden Witz. Der Arztvater (Lungenkrebs) wird lässig und würdig weiterrauchen.
Natürlich schlägt der Film auch Witz aus dem Spiel mit der Frage nach "Normalität". Denn Joachim Meyerhoff wächst einerseits privilegiert in einer Direktorenvilla auf. Andererseits umgeben ihn dabei die Patienten, die möglichst frei und unbeeinträchtigt auf dem Klinikgelände mitleben, was sich für den Jungen aber völlig normal anfühlt. Und dass die Mutter (Laura Tonke) hier ausschließlich Haus- und Ehefrau ist, hat keinen reaktionären Beigeschmack, weil auch sie selbstbewusst und ungebremst auftritt.
Die Geschichte selbst verfolgt den natürlichen Abnabelungsprozess eines Sohnes. Von einer toten Amsel über den Hund, der stirbt, von der ersten Liebe - ein Patientenmädchen, das später doch Selbstmord begeht - bis zur Trennung der Eltern steigert sich der Ernst des Lebens. Dabei bleibt die elterliche Liebe und - bei allen geschwisterlichen Gemeinheiten - die brüderliche Solidarität ein dauerhaftes Netz auf dem Weg ins Erwachsenwerden. Es ist diese Balance aus jugendlicher Lebenskraft und Trauerarbeit, aus spielerischer Neugier und Desillusionierung, die beim Zuschauen das Gefühl erzeugen, in einer schönen und wahren Geschichte dabeizusein.
Von dem klassisch chronologisch erzählten Film bleiben auch im Nachgang viele Bilder in Erinnerung: wie der Sohn - verstört vom Kriseln der elterlichen Ehe - die beiden Betten im Schlafzimmer der Eltern etwas trotzig immer wieder zum Ehebett zusammenschiebt. Oder das Knäuel der drei tröstenden Brüder, das sich um die ausgerastete Mutter am Weihnachtsabend auf dem Teppich bildet. Oder die Beobachtung des Vaters mit dem Fernglas durch die drei Söhne, als ihm bei der Segelprüfung auf dem Wasser schlecht wird - eine Niederlage eines selbstbewussten Mannes, der eigentlich keine Niederlagen kennt. Aber auch das wird in den knapp zwei Stunden des Films aufgefangen, so dass "Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war" letztlich eine Hommage an die Familie und die Möglichkeit, warmherzig und liberal aufzuwachsen ist.
Kino: City, Solln, Leopold, Maxim und Rio
R: Sonja Heiss (D, 116 Min.)