Kultur

Die Wirklichkeit aushalten

Josef E. Köpplinger über die "Großherzogin von Gerolstein" im Gärtnerplatztheater


Josef E. Köpplinger ist Intendant des Gärtnerplatztheaters.

Josef E. Köpplinger ist Intendant des Gärtnerplatztheaters.

Von Robert Braunmüller

Vor drei Jahren brachte der Hausherr des Gärtnerplatztheaters "Die Großherzogin von Gerolstein" in der Semperoper heraus. Nun bringt Josef E. Köpplinger seine Inszenierung von Jacques Offenbachs Operette nach München - mit einer ungewöhnlichen Besetzung der Titelrolle.

AZ: Herr Köpplinger, in Dresden sang eine bekannte Strauss- und Wagner-Primadonna die Großherzogin. Auf der Homepage des Gärtnerplatztheaters lese ich einen männlichen Namen. Ist das ein Schnitzer?

JOSEF E. KÖPPLINGER: Nein, das ist eine bewusste Entscheidung. Ich durfte die "Großherzogin von Gerolstein" schon einmal Anfang der 1990er Jahre in Baden bei Wien inszenieren. Und schon damals wollte ich einen Tenor, um die absurde Wirklichkeit dieser Operette zu betonen, in der es um Uniformfetischismus, Militarismus, Günstlingswesen und Kleinstaaterei geht. Aber der Direktor hat damals gekniffen.

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Juan Carlos Falcón als Großherzogin von Gerolstein in Josef E. Köpplingers Inszenierung im Gärtnerplatztheater.

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Josef E. Köpplingers Inszenierung der "Großherzogin von Gerolstein" im Gärtnerplatztheater.

Jetzt sind Sie selbst der Direktor. Was kann ein Tenor, was eine Sopranistin nicht kann?

Die Gerolstein ist für mich ein androgynes, einsames Monster, eine zerstörte Figur, die nie Liebe erlebt hat. Und eine einsame Frau, die aus Geldmangel eine Vernunftehe eingehen muss. Ihre Übergriffigkeit, mit der sie einen von ihr begehrten Mann vom Gefreiten zum General macht, muss auch witzig sein - ohne Schwarzweißmalerei. Und das kann Juan Carlos Falcón.

Er hat als Knusperhexe in "Hänsel und Gretel" eine gewisse Erfahrung mit Frauenrollen.

Das ist schon etwas anderes, denn den Erotik-Faktor der Knusperhexe würde ich in Frage stellen. Juan Carlos Falcón ist handwerklich perfekt - er setzt sofort um, was man als Regisseur von ihm möchte. Er flirtet auch die ganze Zeit mit dem Publikum. Das sagt man auch Offenbachs Großherzoginnen Hortense Schneider in Paris und Marie Geistinger in Wien nach. Das waren schon sehr resche Frauen.

Wie haben Sie das Problem damals in Baden gelöst?

Ich hatte einen norwegischen Damen-Bass. Die Sängerin sprach und sang so tief wie Zarah Leander. Das war stimmlich eine Travestie.

Die "Großherzogin" ist eine "Opéra bouffe". Was muss man sich darunter vorstellen?

Das Stück entstand 1867 sozusagen als Kulturbeitrag zur Pariser Weltausstellung. Die Satire dieser Operette ist heute teilweise historisch: etwa die Parodie auf Meyerbeers "Hugenotten", eine Oper, die heute nicht mehr allgemein bekannt ist. Trotzdem ist die entsprechende Szene sehr komisch. Diese Operette verlangt textgenaue Singschauspieler mit Opernstimmen.

Was hat es mit Thomas Pigors "Zusatztexten" auf sich?

Wir gehen in den Couplets nicht auf die Ukraine ein. Aber wir nehmen den Umweltschutz wohlwollend aufs Korn. Da wird eine Linde umarmt, die dann stirbt. Und den Kini. Er ist Cousin der Großherzogin.

Ist es seit der Premiere in Dresden für Sie schwieriger geworden, satirisch mit dem Krieg umzugehen?

Das Problem hatte ich schon damals in Wien mit dem Jugoslawienkrieg. Ich halte es für einen Fehler, die heutige Wirklichkeit einem Stück aufzuzwingen, um es zu erklären. Denn das hieße, dem Stück nicht zu vertrauen. Ich glaube, dass die "Großherzogin von Gerolstein" gut genug ist, die heutige Wirklichkeit auszuhalten. Außerdem ist eine Operette primär Entertainment. Wie haben daher versucht, zum Kern der Geschichte zurückzukehren: Das ist für mich die Frage, was man mit diesem Zwergherzogtum anfängt. Bei uns ist das ein touristischer, musealer Zwergstaat. Ein bisschen dachte ich dabei auch an Österreich.

In Dresden wurde damals passenderweise die Semper-Galerie neben der Oper eröffnet.

Das war ein Zufall. Dazu kam noch der Einbruch im Grünen Gewölbe. Den viel belachten Satz "Das sind die Restbestände der Gerolsteiner Gemäldesammlung" hatten wir schon vorher drin. Weil es sich um ein Land ohne Feinde handelt, verhaftet Fritz in unserer Inszenierung die nächstbesten Touristen.

Was ist der Vorteil dieser Kooperation für das Gärtnerplatztheater?

Wir sparen Arbeitszeit in den Werkstätten und die Hälfte der Produktionskosten. Das ist bei einem ausreichenden, aber nicht übermäßig großen Etat hilfreich.

Spüren auch Sie steigende Kosten?

Das Material ist um ein Drittel teurer geworden. Wir müssen an der Ausstattung sparen, manches lässt sich durch eine verbesserte Planung ausgleichen. Wir müssen nur darauf achten, dass die Hilfspakete des Staats keine einmalige Sache bleiben. Die Besucher sind übrigens mittlerweile zurückgekehrt. Selbst für ein anspruchsvolles Ballett wie "Der Sturm" gab es nur noch Restkarten.

Offenbachs Operetten gelten als Meisterwerke, sind aber im Theater schwer zum Laufen zu bringen. Teilen Sie diese Erfahrung?

Das Französische ist schneller und weicher. Im Deutschen muss man das durch Wort-Slapstick ersetzen. Dafür braucht man Singschauspieler, die auch Dialoge sprechen können. Jeder lacht auf eine eigene Weise. Ich glaube, dass ein junges Publikum über andere Dinge lacht als ein älteres. Aber ich kann nur auf die Bühne bringen, was ich selbst für komisch und skurril halte und auf eine Schnittmenge hoffen.

Ist es schwieriger geworden, heute witzig zu sein?

Glücklich macht mich, dass Übergriffigkeiten und Machtmissbrauch aufgeklärt werden. Weniger glücklich bin ich aber über die allgemeine Empfindlichkeit. Teilweise traut man sich nicht mehr, zweideutige Witze zu machen. Das grenzt an Selbstzensur. Theater sollte aber ein sinnlicher Ort bleiben - wie die ganze Welt. Ich sage immer: "Bleibt locker, bleibt offen, sonst kann keine Kunst mehr stattfinden."

Premiere am Donnerstag, 26. Januar, 19.30 Uhr, Restkarten. Weitere Vorstellungen am 28. Januar sowie am 4., 5., 9. und 19. Februar sowie im März. Karten unter gaertnerplatztheater.de