Bayerische Staatsoper
Eine Performance über die "Zauberflöte"
8. November 2018, 15:41 Uhr aktualisiert am 8. November 2018, 15:41 Uhr
"Geliebt, gehasst und trotzdem treu", ein Theaterprojekt zum 40-jährigen Jubiläum der "Zauberflöte" von August Everding
Alles ist anders an diesem Abend in der Staatsoper. Man wird vom Einlasspersonal schon auf den Treppen abgefangen, zum Kartenkauf geleitet und schließlich, mit einem Nummernschild versehen, in eine von mehreren Gruppen eingeteilt. Denn das Theaterprojekt "Geliebt, gehasst und trotzdem treu" beginnt mit einer von insgesamt neun möglichen Touren quer durch die Stockwerke des Nationaltheaters, bevor das Publikum im zweiten Teil für die Final-Performance auf der Probebühne wieder zusammengeführt wird. Die Befürchtung einer der Teilnehmerinnen, von ihrer Begleitung getrennt zu werden, ist unbegründet. Abgesehen davon, dass man in der Lage sein muss, Treppen zu steigen, wird den zahlenden Gästen nichts Unzumutbares abverlangt.
Vorausgesetzt, es ist einem nicht zu peinlich, bei den Aktionen ein bisschen mitzuwirken. Auf dem Parcours, den der Rezensent absolviert, werden die Gäste zuerst von einer waschechten Neurologin mit bemerkenswerten schauspielerischen Fähigkeiten, Dr. Eva Sophia Holzamer, dazu aufgefordert, ihre Gefühle beim Hören von Mozarts Musik aufzuschreiben. Während man dabei nichts falsch machen kann, kostet es schon eher Überwindung, bei einer anderen Station zur Ouvertüre der "Zauberflöte" mitzutanzen. Die größte Herausforderung besteht jedoch darin, am Schluss die eigentliche Aufführung durchzuhalten, die nicht nur arg papieren, sondern schlicht zu wenig theatralisch und vor allem langatmig geraten ist.
Gefühlsathletik
Die Idee des regieführenden Performancekollektivs "Frl. Wunder AG" ist nicht wirklich neu, aber auch nicht schlecht. Der Anlass dieser Produktion ist das 40-jährige Jubiläum von August Everdings Staatsopern-Inszenierung der "Zauberflöte" von Wolfgang Amadeus Mozart. Die Mitwirkenden haben dazu neugierige Interviews mit den Beteiligten geführt, die Interessantes zu Tage fördern. So kann eine der Statistinnen, die ihr halbes Leben damit verbracht hat, die Königin der Nacht stumm auf der Bühne zu verkörpern, aus dem Nähkästchen plaudern. Auch Missstände werden angeprangert, etwa das sogenannte "Blackfacing", also die Darstellung dunkelhäutiger Figuren durch hellhäutige, schwarzgeschminkte Darsteller, die heute als rassistisch empfunden wird.
Spätestens hier verdrängt die an sich ehrenwerte Absicht der "Frl. Wunder AG", politisch fragwürdige Strukturen des Opernbetriebs aufzuzeigen, alle theatralische Wirkung. Die Thesen werden trocken referiert statt in Aktion überführt, dazu in laienhafter Präsentation, und mit einer banalen, Mozart plündernden Musik (Richard Whilds) bloß untermalt; die Leistungen der hervorragenden jungen Sänger werden auf unverantwortliche Weise verschenkt.
An Mozarts Werk geht die Kritik fundamental vorbei, weil der Komponist und sein Librettist ja eine scheinbar anstößige Figur wie die des Mohren Monostatos selbst bereits kritisch vorgestellt hatten: Mozart und Schikaneder führen genau den Rassismus vor, der ihnen nun von der "Frl. Wunder AG" zu Unrecht unterstellt wird. Geradezu ärgerlich ist aber, wie von den Machern dieses Projekts eine intellektuell so komplexe Oper wie die "Zauberflöte" einseitig auf die Funktion reduziert wird, Emotionen zu transportieren, wie es schon der Untertitel "Gefühlsathletik" ausdrückt. Wenngleich man diese Produktion also kaum als ganz gelungen bezeichnen kann, bleibt ihr doch das Verdienst, einige wichtige Fragen aufzuwerfen.
Weitere Vorstellungen am 5., 8., 9. und 12. November, jeweils um 20.30 Uhr (Treffpunkt um 20.15 Uhr vor dem Eingang der Staatsoper), Karten: (089) 21 85 19 03 und unter www.staatsoper.de.