Kultur

Feuerwerk der Lebensfreude

Helge Schneider begeistert in der Isarphilharmonie mit Nonsense und Musik


Helge Schneider hat sich am Rosenmontag für seine "Der letzte Torero - BIG L.A. Show" in der Isarphilharmonie richtig schick gemacht.

Helge Schneider hat sich am Rosenmontag für seine "Der letzte Torero - BIG L.A. Show" in der Isarphilharmonie richtig schick gemacht.

Von Moses Wolff

Gleich zu Beginn wird in der ausverkauften Isarphilharmonie ein Lied zu Gehör gebracht, in dem klargestellt wird, wer daran Schuld ist, wenn irgendetwas wehtut oder nicht passt: es ist der Arzt. Das Lied heißt "Guilty Doctor" und ist eines von sehr vielen Leckerbissen einer phänomenalen Show mit Helge Schneider und Band. Der 1955 in Mülheim an der Ruhr geborene Künstler begann schon im Vorschulalter zu musizieren, eroberte sich rasch den Ruf eines lokalen Geheimtipps und bestand im Alter von 17 Jahren die Sonderbegabtenprüfung am Duisburger Musikkonservatorium.

Nebenbei arbeitete er als Staplerfahrer und Landschaftsgärtner, seine freien Samstage verbrachte er in Eduscho-Filialen, wo er einige Spezialisten kennenlernte, die später als Schauspieler in seinen Filmen mitwirken durften. Jahrelang tourte er durch Clubs und kleine Bühnen, spielte auffallend guten Jazz und unterhielt die Besucherinnen und Besucher zwischen den Musikstücken mit wunderbaren Lustigkeiten. Irgendwann ging es dann steil bergauf und er schuf sich einen festen und unzerstörbaren Platz in der Reihe der ganz Großen.

Helge Schneider vereint quasi alle denkbaren Künste, er ist sowohl ein unschlagbar lustiger Komiker, als auch ein begnadeter Multiinstrumenalist, beherrscht Entertainment, Improvisation und besitzt ein untrügliches Gespür für Timing und Wortwitz. Auch seine Zeichnungen sind einzigartig, am Souvenirstand können T-Shirts mit Zeichnungen und Sprüchen in der Schreibschrift des Künstlers erworben werden. Auf einem ist ein haariges Wesen mit spitzen Zähnen, klauenartigen Pfoten und Federn zu sehen. Daneben steht "Du bist schön".

Auf einem anderen ist ein Selbstporträt in Form einer dicken Miezi und dem Wort "Katzenhelge" zu sehen. Alles, was dieser Mann macht, ist einfach nur noch wunderschön. Auch am Rosenmontag, an dem er nach seinen traditionellen Köln-Abenden zum Faschingsendspurt nach München gereist ist. Im Gegensatz zu Kölle, wo fast ausschließlich Jecken in Kostümen dem Vortrag des Meisters lauschen, sind hier alle in Zivil erschienen, nur Helge trägt einen glitzernden Ganzkörper-Torero-Overall, und sein ewiger Bühnengast, der Ausdruckstänzer Sergej Gleithmann, turnt auf einer Yogamatte in dezentem Sportgewand.

Der ganze Abend ist ein einziges Feuerwerk der Lebensfreude, ständig erlebt das Publikum kleine Überraschungen, aparte Scherze und vollendeten Unfug. Evergreens wie "Texas" und "Wurstfachverkäuferin" ertönen neben neuem Liedgut wie "Du und ich auffe Couch", ein sehr lustiges Lied, das überaus fröhlich macht und hoffentlich bald die Charts erstürmen wird.

Helge Schneider gehört zu der Sorte Mann, die im Alter immer attraktiver werden, er ist charmant, dabei jederzeit zu Schabernack bereit, zwischendurch großväterlich und dann wieder herrlich infantil. Er ist eine perfekte Mischung aus Miraculix, Sean Connery und Fred Astaire mit einem Hauch von Karl Valentin und John Cleese, obwohl jeder Vergleich falsch wäre, denn Helge Schneider ist ein absolutes Unikum. Ein Mann, der sich ununterbrochen selbst die Show stiehlt. Zwischendurch drückt er auf den Auslöser der Nebelmaschine, bläst dadurch etwas Rauch in die Luft und sagt: "So bisschen wie Rammstein."

Die Musiker, mit denen er arbeitet, sind absolute Könner, die schon immer prinzipiell auf den Übermut ihres Chefs gefasst sein sollten, weil er manchmal einfach überstürzt anfängt, ein Lied zu singen und die Band sofort einsteigen muss. Die aktuelle Tour heißt "Der letzte Torero - BIG L.A. Show" und hält, was der Titel verspricht. Eine internationale Kapelle, ein Showmaster, der in allen Ecken und Winkeln jede Art Instrument, die jemals erfunden wurde, versteckt hat und all diese Apparate auch vollendet zu spielen vermag. In einer der zahlreichen Nummern ruft er pianierend: "Und nun für Jazzfreunde ein kurzes Solo". Es folgt ein exzentrisches Freejazzstück, dann geht der eigentliche Rhythmus weiter. Das Auditorium tobt.

Vor der Pause spielt Herr Gleithmann ein kleines Solo auf der Geige zu Katzeklo, dann verstummt die Musik, damit das Publikum den Refrain a cappella singt, und zwar so oft, wie es dem Meister gefällt. Und er möchte ihn oft hören. Helge Schneider ist ein liebenswerter Patriarch, bleibt dabei aber die ganze Zeit höflich und süß. Seine Liebe zu Musik bildet eine grandiose Einheit zu seiner umwerfenden Komik, die bald listig, bald bizarr präsentiert wird wird. Jeder Moment ist ein Meisterwerk, jeder Blick ins Publikum enthält einen Funken Liebe und geht direkt ins Herz jeder einzelnen Person. Helge schafft das, was viele Propheten begehren: den Zauber des Augenblicks zu entfachen. Als besonderes Highlight kommt der Weltstar Pete York, der Helge auf zahlreichen Tourneen begleitet hat, auf die Bühne und spielt ein unfassbar großartiges Drumset zum Klavierspiel Helges. Danach liefert sich die Schlagzeuglegende ein kleines percussionistisches Duell mit Helges Drummer und löst damit Standing Ovations im Saal aus.

Besonders schön sind Helge Schneiders Miniaturhörspiele, die er alleine auf der Bühne darbietet und dabei sämtliche Rollen selbst spielt. Diesmal steht ein Mensch, der sehr nötig auf die Toilette muss, im Fokus eines jener live vorgetragenen Werke. Beharrlich klopft der arme Tropf, nachdem er sich Zutritt zu den Örtlichkeiten verschafft hat, an die verschlossene Klotür. Die Person, die das Klo belegt, krächzt mehrmals mit hoher Stimme: "ich kann nicht zaubern". Endlich öffnet sich das Schloss, in letzter Sekunde gelingt der schwer unter Druck stehenden Person die erlösende Befreiung. Der Saal der Isar Philharmonie quietscht vor Vergnügen. Auch die kleine Form beherrscht der Künstler wie niemand sonst.

Gegen Ende des Abends verrät der "Entertainment-Guru", als der er sich selbst bezeichnete, dass einige seiner Hits schon vor fünfzig Jahren große Hits wurden und in allen Ländern der Welt gespielt wurden, teilweise mit anderer Musik und anderem Text.

Dann spielt er ein Frühwerk: "Mädchen wollen küssen, Junges aber auch." Donnernder Schlussapplaus, eine kleine Zugabe, dann der Satz: "Die Band ist müde, ich bin es auch. Auf Wiedersehen." Was für ein wunderbarer Abend.