Der Kopf von Led Zeppelin
Jimmy Page wird 75: Eine Explosion nach der anderen
9. Januar 2019, 6:13 Uhr aktualisiert am 9. Januar 2019, 6:13 Uhr
Jimmy Page hat als Gitarrist und Produzent von Led Zeppelin grandiosen Rock geschaffen. An diesem Mittwoch wird er 75 Jahre alt.
München - Die ultimative Huldigung erhielt Jimmy Page nicht in Presseartikeln oder in Bestenlisten, die ihn regelmäßig als einen der größten Gitarristen aller Zeiten küren. Sondern auf Schildern wütender Musikalienhändler: "No Stairway To Heaven!"
Die armen Herren wurden schier wahnsinnig, denn ein großer Teil der Kundschaft testete ihre Gitarren oder Verstärker, indem sie das Intro zu Jimmy Pages berühmtestem Stück anspielten, und bisweilen wohl gar nicht allzu virtuos. Das Verbotsschild wurde schließlich in der Komödie "Wayne's World" filmisch verewigt.
Dabei ist "Stairway To Heaven" nur eines von unzähligen Led-Zeppelin-Stücken, die zum Pflichtpensum jedes aufstrebenden Rockgitarristen zählen. Jimmy Page, der am heutigen Mittwoch 75 Jahre alt wird, hat mit seiner Band von 1969 bis 1980 einen Großteil des besten Gitarrenrocks überhaupt geschaffen.
Jimmy Page: 1960 begann er als Studiomusiker
Ihre Alben haben zwischen 200 und 300 Millionen Exemplare verkauft, und Page war der Architekt dieses Erfolgs: nicht nur als Gitarrist, sondern auch als großartiger Produzent. Geboren wurde er 1944 im Raum London als Sohn eines Personalleiters und einer Arzthelferin.
Als er acht Jahre alt war, gab ein Umzug seinem Leben die Richtung. "Im Haus gab es eine Gitarre. Sie war einfach nur da, wie eine Skulptur", sagte er in einem Interview mit "GQ". "Diese Gitarre war wie ein Intervention." Der folgte er, übte fleißig, und in den 1960ern begann er als Studiomusiker in London zu arbeiten, dem damaligen Nabel der Musikwelt.
Schon bevor die Öffentlichkeit seinen Namen kannte, beeinflusste er den Sound der Zeit: Er spielte auf Shirley Basseys "Goldfinger", Petula Clarks "Downtown", Joe Cockers "With A Little Help From My Friends", sogar auf der ersten Single von The Who. Dann schloss er sich seinem Kumpel und Gitarrengott-Kollegen Jeff Beck bei den "Yardbirds" an, zunächst als Bassist, dann als Gitarrist.
Jimmy Page: Mega-Vorschuss fürs Debütalbum 1969
Nachdem Beck und mehrere Mitglieder die Band verlassen hatten, übernahm Page das Zepter, holte seinen Session-Kollegen John Paul Jones zur Band sowie zwei völlig unbekannte Musiker aus den englischen Midlands: Sänger Robert Plant und Schlagzeuger John Bonham. Im Proberaum spielten sie das Fünfziger-Jahre-Stück "Train Kept A-Rollin'", schauten sich an und wussten: Das wird eine Riesensache.
Auf Skandinavien-Tour gingen sie noch als "New Yardbirds", dann nannten sie sich "Led Zeppelin", und weil Page in der Branche schon einen großen Namen hatte, gab ihnen Atlantic Records einen Vorschuss in Rekordhöhe. Mit dem Debütabum zahlten sie 1969 zurück: Auf dem Cover sah man den brennenden Zeppelin "Hindenburg", auf der Platte folgte eine Explosion auf die andere.
Neben diesem bluesbasierten Hard Rock schimmerten aber auch Pages Folkwurzeln durch, sein Faible für östliche Musik ebenso. Die Band war eine sofortige Sensation und wurde mit jeder Platte spektakulärer und vielseitiger. "Led Zeppelin II" krachte noch im selben Jahr wie das Debüt, samt "Whole Lotta Love", hatte aber auch subtilere Momente. "Led Zeppelin III" war dann zur Hälfte akustisch, was viele Fans verschreckte, heute gilt die Platte aber als eine ihrer besten.
Leadsänger Robert Plant (rechts) und Gitarrist Jimmy Page 1970 bei einem Gig in München. Foto: -/dpa
Jimmy Page: Als das Schlagzeug im Treppenhaus stand
Auf dem folgenden Album von 1971, das mit vier Runen betitelt war und im Volksmund "Led Zeppelin IV" heißt, fand die Musik der Band dann zu ihrer Vollendung - und ihr Ruhm ebenfalls, auch wegen "Stairway To Heaven", das trotz acht Minuten Länge einer der erfolgreichsten Songs im US-Radio wurde.
Pages Kunst bestand dabei nicht nur in Überwältigungs-Riffs und so virtuosen wie eingängigen Soli. Er schichtete zunehmend Spuren übereinander, schuf fast orchestrale Parts, die aber nie überladen waren. Und als Produzent hatte er geniale Einfälle wie bei "When The Levee Breaks", als er das Schlagzeug ins Treppenhaus stellte und einen bombastisch verhallten Sound schuf.
Jimmy Page: Dem Heroin verfallen
Es ist einer der besten Witze der Rockgeschichte, dass die Presse damals all diese Werke fast einhellig verriss, ja die Band so sehr verachtete wie sie heute verehrt wird. Dabei hielten auch die nächsten Alben das Höchstniveau, "Houses Of The Holy" (1973) und "Physical Graffiti" (1975).
Da verband "Kashmir" Hardrock und arabische Musik, stampfte gleichzeitig in verschiedenen Taktarten voran und entwickelte einen hypnothischen Sog, den die Band nicht mehr erreichen sollte. In der zweiten Hälfte der Siebziger machte sich ihr Lebenswandel bemerkbar.
Die Exzesse der Band sind fast so legendär wie ihre Musik, Page verfiel dem Heroin, am Ende des Jahrzehnts stand er als spindeldürrer Junkie auf der Bühne. Dann setzte 1980 der Suff-Tod von Schlagzeuger Bonham der Band ein Ende.
Page und Plant: 1994 wieder vereint
In den Achtzigern produzierte Page nur ein paar Soundtracks, zwei Alben mit Paul Rodgers und ein Soloalbum, Anfang der Neunziger tat er sich kurzzeitig mit Hardrock-Sänger David Coverdale zusammen, der wie ein Double von Robert Plant aussah und klang, letzteres aber nicht halb so gut. Ihre gemeinsame Platte erinnerte an Led Zeppelin.
Da war es nur schlüssig, dass sich Page 1994 wieder mit dem echten Plant zusammenfand - und gemeinsam arrangierten sie vornehmlich ihre alten Songs auf andere Art. Die neuen Songs von "Walking Into Clarksdale" (1998) sorgten dagegen für wenig Wirbel. 1999 heuerte Page dann die Black Crowes an, um live die alten Songs zu spielen, möglichst getreu wie auf den Platten.
Um deren Neumischungen kümmerte sich Page in den vergangenen Jahren, er wurde zunehmend Nachlassverwalter seiner selbst. Ein einziges Mal stieg der Zeppelin dann noch, mit Bonhams Sohn Jason an den Drums: 2007, anlässlich eines Gedenkkonzerts für ihren verstorbenen Plattenbosses Ahmet Ertgun in der Londoner O2-Arena. 20 Millionen Ticketanfragen gingen dafür angeblich ein.
Jimmy Page: Viel Presse wegen seiner Prozesse
Auf einer Reunion-Tour hätte die Band danach absahnen können, aber Robert Plant hatte kein Interesse. Zuletzt stand Jimmy Page bei zwei Gerichtsprozessen in der Öffentlichkeit. Bei einem klagte er selbst, um zu verhindern, dass sein Promi-Nachbar Robbie Williams einen unterirdischen Swimmingpool baut. Er fürchtete, dass sein wertvolles Haus aus dem 19. Jahrhundert beschädigt werden könne.
Auch der andere Prozess hat historische Dimensionen: Die Nachkommen des Gitarristen Randy Wolfe von der Band Spirit klagten, dass Page das berühmte Intro von "Stairway To Heaven" von dessen Stück "Taurus" geklaut habe. Die Jury entschied für Page, allerdings gingen die Kläger in Revision. Es geht ja um einiges: Das Stück hat nicht nur Musikalienhändler in aller Welt gequält, sondern auch über 500 Millionen Euro an Tantiemen eingespielt.