Jochen Schölch inszeniert Metropoltheater
Joël Pommerats "Die Wiedervereinigung der beiden Koreas" im Metropoltheater
17. Januar 2020, 17:31 Uhr aktualisiert am 17. Januar 2020, 22:19 Uhr
Jochen Schölch bringt Joël Pommerats "Die Wiedervereinigung der beiden Koreas" fulminant auf die Bühne des Metropoltheaters.
"Liebe reicht nicht" resümiert sie die Liebesgeschichte mit ihrem Freund, der fassungslos unter der Bettdecke zurückbleibt. Was es ist, was da noch fehlt, weiß die frisch gebackene Ex nicht. Mit diesem Dialog irgendwann in seiner zweiten Halbzeit ist der "Reigen", den das Stück in 19 Szenen durchtanzt, wieder an seinem Beginn. Gefragt, was sie an ihrer langjährigen und vor der Scheidung stehenden Ehe vermisste, antwortet in der Eröffnungsszene eine namenlose Frau: "Wie soll man etwas beschreiben, was man nicht kennt".
Was man früher leicht spöttisch als "Beziehungskiste" bezeichnete, erweist sich in "Die Wiedervereinigung der beiden Koreas" als ein Hohlraum von schwindelerregender Leere und umso stärkerer Gravitation. Der französische Dramatiker Joël Pommerat, bekannt für seine ganz weit ausgreifenden Entwürfe, nimmt sich in angemessener Breite des Themas an. Anstelle einer Auflistung der Rollen gibt der Autor summarisch "Siebenundzwanzig Frauen" und "Vierundzwanzig Männer" an.
Eine wundervolle Truppe
Die Rolle "Jemand, der singt" ist im Metropoltheater gestrichen, aber für das übrige halbe Hundert hat Regisseur und Theaterchef Jochen Schölch wieder einmal eine wundervolle Truppe von fünf Schauspielerinnen und vier Schauspielern auf seine Freimanner Bühne gestellt. Die können alles, was Pommerat fordert: Den gespielten Witz ebenso wie das mit komplexem Schicksal aufgeladene Minidrama, den krachend turbulenten Boulevard, das still vergnügte Absurde oder das anrührende Spiel mit dem Jenseits. Für das Publikum ist das eine emotionale Achterbahnfahrt.
Der metaphorisch gemeinte Titel erklärt sich in einer Nerven aufreibenden Begegnung eines Mannes, der täglich seine Frau, die an völligem Gedächtnisverlust leidet und sich schon nach wenigen Minuten an nichts mehr erinnern kann, im Sanatorium besucht. "Es war wunderschön" erzählt er ihr immer wieder aufs Neue von der Zeit, als sie sich kennenlernten: "Es war, als wenn Nordkorea und Südkorea ihre Grenzen öffneten und sich wieder vereinigen würden". George und Martha aus "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" etwa standen Pate bei dem Paar, das keine Kinder hat und doch eine Babysitterin einstellt und sie terrorisiert.
Noch bedrängender ist der Streit einer schwangeren Behinderten mit ihrem Betreuer um eine Abtreibung. Leicht bizarr erscheinen die gemeinsamen Zukunftspläne einer Prostitutierten und einem Priester. Oder es wird schwarzhumorig, wenn kurz vor der Trauung enthüllt wird, dass der Bräutigam früher mit allen Schwestern der Braut etwas hatte. So bleibt das Zusammenpassen von Frauen und Männern das utopische Ziel. Bis es erreicht ist, hat man auf der listenreich ausgemalten Demarkationslinie zwischen den Koreas einen zwar langen, aber auch sehr kurzweiligen Abend.
Metropoltheater, Floriansmühlstraße 5, Samstag, 23. bis 26. Januar, 3. bis 6., 9., 11., 12., 14. bis 16. Februar, 20 Uhr, sonntags 19 Uhr, Karten unter Telefon 32 19 55 33