Schaetzlerpalais in Augsburg

Kunstschätze der Zaren - Meisterwerke aus Schloss Peterhof


Schloss Peterhof, Blick vom Unteren Park über die Große Kaskade hinauf zum Großen Palast.

Schloss Peterhof, Blick vom Unteren Park über die Große Kaskade hinauf zum Großen Palast.

Von Robert Braunmüller / TV/Medien

Im Augsburger Schaetzlerpalais ist die barocke Pracht der Zarenresidenz Peterhof zu erleben - mit Blick auf die deutsch-russische Vergangenheit ist das eine Sensation

Man kann sich die verdutzten Gesichter leicht vorstellen, als Zarin Katharina am 9. Juli 1762 in Sankt Petersburg einzog. Wie ein Kerl saß sie auf ihrem Schimmelhengst Brillant und trug dazu noch die enganliegende grüne Uniform eines der Garderegimenter. Ihren Gatten hatte sie kurzerhand absetzen lassen, Peter III. taugte einfach nicht zum Regieren, und ihm blieb nichts übrig, als in Windeseile Schloss Peterhof zu verlassen. Dieses "russische Versailles" am Finnischen Meerbusen steht jetzt mit seinen Schätzen im Mittelpunkt einer Ausstellung im Augsburger Schaetzlerpalais.

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Das zerstörte Schloss Peterhof nach der Belagerung von St. Petersburg durch die Deutsche Wehrmacht.

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Adam Silo, Schiffe auf Reede vor der Stadt, Öl auf Leinwand.

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Kowsch (Trinkkelle), Silber, vergoldet, Russland 1736.

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Tabatiere (Schnupftabakdose) mit Porträt Elisabeth Petrownas, Kupfer, emailliert, Birmingham 1759

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Vigilius Eriksen, Porträt Katharinas II. vor einem Spiegel, Öl auf Leinwand, 1764

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Thronsessel der Zarin Katharina II., Holz geschnitzt, vergoldet, Samt, St. Petersburg, 1760er Jahre

Zu den rund 100 Objekten, die allesamt aus Russland kommen, gehören auch elegante Gewänder wie etwa ein Galakostüm Peters des Großen aus feinem braunen Walkstoff, verziert mit goldenen Seidenstickereien. Und nur zu gerne würde man einen Blick auf Katharinas berühmt gewordene Reiteruniform werfen, die sie sich damals aber von einem jungen Offizier geliehen hatte. Stattdessen steht ein Paar ihrer höllisch hohen Pantöffelchen in der Vitrine. Mehr als ein bisschen Tippeln im Boudoir dürfte damit nicht drin gewesen sein. Allerdings sind der Nachbau ihres Throns sowie ein Uniformkleid aus den 1780er Jahren zu sehen, und diese strenge und doch ausladende Robe macht wiederum sofort klar, wer im Staat die Hosen anhatte und bei den Offizieren den Ton angab.

Markiger Absolutismus

Dazu brauchte es weder Krone, noch Zepter - und nicht einmal mehr eine hosentaugliche Figur. Die einst so zarte, 1729 als Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst geborene Preußin hatte sich als Katharina II. längst zur mächtigsten Frau Europas emporgekämpft und war gleichzeitig zu einer beträchtlichen Förderin der Künste und des Kunsthandwerks geworden. Auch das zeigen gerade die jüngeren Peterhof-Leihgaben.

Unter Katharina, genannt die Große, war man unabhängig geworden von den Porzellan-Lieferungen etwa aus Meißen. Das brachte auch Markiges wie den Zieraufsatz "Militärische Stärke" mit russischem Doppeladler oder die Serie "Völker Russlands" auf die Tafel. Ganz so aufgeklärt war der späte Absolutismus zaristischer Prägung dann doch nicht. Wobei der Modelliermeister der Kaiserlichen Porzellanmanufaktur Jean-Dominique Rachette aus Frankreich kam, wie so viele, die für das "Schöner Wohnen" und das Erscheinungsbild des Zarenreichs zuständig waren.

Schon Peter I., bzw. der Große, hatte sich sein Fachpersonal aus dem Westen geholt, darunter Ingenieure, Wissenschaftler, Architekten und Künstler. Bei seinen Reisen durch Deutschland, Holland oder Frankreich ließ er sich inspirieren. Das gelang besonders in Versailles, wo ihn 1717 neben dem nimmer enden wollenden Palastkomplex vor allem der Garten mit seinen raffinierten Wasserspielen faszinierte.

Wer ko, der ko

Die 30 Kilometer westlich von Sankt Petersburg gelegene Sommerresidenz Peterhof wurde von den Deutschen Andreas Schlüter und Johann Friedrich Braunstein sowie dem Franzosen Alexandre Le Blond, übrigens einem Schüler Le Nôtres, realisiert. Und als Peters Tochter, Kaiserin Elisabeth I., sich zu einem erweiternden Umbau entschloss, engagierte sie Bartolomeo Francesco Rastrelli aus Paris. Bei der Innenausstattung der neuen Enfilade wurde glänzendes Gold zum Leitmotiv. Möbel, Spiegel, Porzellan, Bronzen und vieles mehr sollten die Pracht und die Größe Russlands zum Ausdruck bringen. Entsprechend kostbar sind nun auch die Exponate im Schaetzlerpalais.

Das reicht von Ausgefallenem wie einem vergoldeten Heliochronometer aus London (1717) oder der Horizontaluhr des Augsburgers Johannes Benner (Mitte des 17. Jahrhunderts) bis hin zu kunstvoll ornamentierten Tabatieren, Trinkkellen, üppig gravierten Pokalen aus der Petersburger Glasmanufaktur oder einer Besteckgarnitur, die - wieder ein Augsburger - der Goldschmied Abraham Warnberger IV. geschaffen hat. Damals versorgten die Schwaben sämtliche hohen Häuser Europas, und gerade zum russischen Hof pflegte man eine intensive Beziehung. Das war vor gut zehn Jahren in der "Zarensilber"-Schau im Maximilianmuseum zu sehen.

Wer ko, der ko, schien die Devise der nach westlichem Luxus gierenden Herrscher zu lauten. Und während Peter der Große noch per Gesetz "ungarische und deutsche Kleider" oder "französisches Tuch" durchgesetzt hatte und am Hof bald alle Spielarten der französischen Mode zu beobachten waren, versuchten seine Nachfolger wenigstens etwas mehr "Russisches" einzufordern. Die Realität sah dann aber doch wieder nach Varianten der französischen Mode aus, an der auch sonst in Europa kein halbwegs gut gekleideter Adliger vorbeikam.

Schwelgen in Gold

Das alles ist stilvoll präsentiert, mitten in Augsburg gleitet man quasi durch die prächtige Seite des alten Zarenreichs und hat im Schaetzlerpalais gleich noch das passende Rokoko-Ambiente. Nur fehlt in dieser Schwelgerei ein bisschen das Leben, man vermisst die Geschichten. Dabei sind mit Peter und Katharina zwei Protagonisten im Spiel, deren Persönlichkeiten man hätte ruhig etwas besser beleuchten können. Gerade mit so tollen Stücken wie dem Modellsegelbot, der riesigen Schirmmütze und der Kapitänsjacke des über zwei Meter großen Zaren, der von der Seefahrt so begeistert war.

Freilich muss man in diesem Fall den schwierigen Transfer sehen. Dass solche Objekte Russland überhaupt verlassen durften, ist mit Blick auf den Überfall Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion 1941 und der damit verbundenen Zerstörung des Peterhof keine Selbstverständlichkeit. Einiges konnte seinerzeit ausgelagert werden, doch der Verlust ist kaum in Worte zu fassen. Insofern hat die Augsburger Ausstellung ganz andere, grundsätzliche Qualitäten. Und den Rest besorgt man sich bei einer Führung.

"Kunstschätze der Zaren. Meisterwerke aus Schloss Peterhof": bis 15. März im Schaetzlerpalais Augsburg, Maximilianstr. 46, Di bis So 10 bis 17 Uhr, Heiligabend und Silvester geschlossen, Katalog (Deutscher Kunstverlag) 29,90 Euro; Führungen samstags 14, sonntags 15 Uhr, für Familien samstags 15 Uhr, mehr auf www.kmaugsburg.de