Bayerische Staatsoper

Marlis Petersen über "Salome"


Marlis Petersen als Salome in Krzysztof Warlikowskis Neuinszenierung der Oper von Richard Strauss im Nationaltheater.

Marlis Petersen als Salome in Krzysztof Warlikowskis Neuinszenierung der Oper von Richard Strauss im Nationaltheater.

Von Robert Braunmüller / TV/Medien

Marlis Petersen singt zum Auftakt der Opernfestspiele die Salome in Strauss' gleichnamiger Oper - Kirill Petrenko dirigiert

Sie gilt als Spezialistin für schwierige Rollen. Marlis Petersen war vor vier Jahren eine exzellente Lulu in Alban Bergs gleichnamiger Oper. Nun übernimmt sie - als Rollendebüt - die Titelrolle der "Salome" von Richard Strauss. Im Herbst folgt, wiederum unter Kirill Petrenkos musikalischer Leitung, die Marietta in Erich Wolfgang Korngolds Oper "Die tote Stadt".

AZ: Frau Petersen, was reizt sie an komplexen Frauen?
MARLIS PETERSEN: Ich hatte auch viel Spaß an Pamina in der "Zauberflöte" oder der Sophie im "Rosenkavalier". Es mag am Erfolg meiner Lulu gelegen haben, dass ich seither öfter nach ähnlichen Rollen gefragt wurde. Was mich aber an allen Figuren interessiert, ist die Wahrheit ihres Charakters.

Was ist Salomes Wahrheit?
Sie ist ein pubertäres Kind, das zu Hause nicht besonders beachtet wurde und auch nicht viel elterliche Liebe erfuhr. Sie hat von ihrem Elternhaus die Schnauze voll.

In der Oper wird sie erst von Narraboth angeschmachtet, den sie nicht beachtet. Dann trifft sie auf den Propheten Jochanaan.
Er ist etwas Besonderes, weil er anders ist. Das lockt sie anfangs. Aber sie steigert sich da in etwas hinein, was man an den extremen Sprachbildern vom Schnee auf den Bergen Judäas und den Rosen im Garten der Königin von Arabien merkt. Das einzige, womit sie als Prinzessin nicht umgehen kann, ist Ablehnung. Und die erfährt sie von Jochanaan, dem ersten Menschen, der sie interessiert.

Bei Krzysztof Warlikowski spielt das alles in einer Bibliothek.
Sie ist ein Versteck. Bei Warlikowski spielt die Geschichte in den 1940er Jahren. Es ist ein jüdisches Haus, ständig bedroht von Nazis.

Warlikowskis Inszenierungen beziehen sich oft auf Filme. Auch hier?
Liliana Cavanis "Der Nachtportier" war für ihn ziemlich wichtig. Aber ich denke, dass das für den Zuschauer weniger wichtig ist. Es sind mehr Momente, die da hineinwehen.

Die "Salome" ist nach der "Lulu" ihre zweite Premiere mit Kirill Petrenko, und im Herbst folgt gleich die dritte. Er gilt als Perfektionist. Erleben Sie ihn auch so?
Ja, das ist er. Er möchte die Musik optimal interpretieren. Petrenko hört genau, was die Sänger machen und baut ihre Stärken wie Schwächen genau in seine Interpretation ein.

Kann man bei einer komplexen Partitur wie der "Salome" Perfektion erreichen?
Petrenko möchte die Musik trotz der großen Orchesterbesetzung so durchsichtig wie möglich klingen lassen.

Hat die Salome irgendwas mit Marietta in Korngolds "Toter Stadt" gemeinsam, die Sie im Herbst singen werden?
Die Musik fühlt sich ähnlich an. Ein Mann baut einen Altar für seine verstorbene Frau, die "Kirche des Gewesenen". Dieser Paul lebt in einer Fantasiewelt, ganz ähnlich wie Salome.

Ist die Marietta auch eine Femme fatale wie Salome, die den Mann durch eine gefährliche Erotik vernichtet?
Diesen Begriff hat man Lulu auch immer angeheftet. Aber ich erinnere immer gern daran, dass beide Damen eigentlich höchstens 14 oder 15 Jahre alt sind. Marietta ist Schauspielerin und vielleicht 25. Und es stellt sich immer auch die Ist eine Frau wirklich eine Femme fatale oder wird sie von ihrer Umwelt und den Männern nur dazu gemacht?

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Marlis Petersen als Salome in Krzysztof Warlikowskis Neuinszenierung der Oper von Richard Strauss im Nationaltheater.

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Marlis Petersen als Salome in Krzysztof Warlikowskis Neuinszenierung der Oper von Richard Strauss im Nationaltheater.

Leider sind diese Rollen so schwierig, dass man sie schlecht im Alter von 15 oder 25 Jahren singen kann.
Bei Warlikowski ist das Alter nicht so wichtig. Ich finde, dass es darauf ankommt, eine Entwicklung deutlich werden zu lassen, die Salome innerhalb eines Tages durchmacht: Die doppelte Zurückweisung durch die Gesellschaft und durch Jochanaan macht aus dem Kind einen erwachsenen Menschen. Erst als der abgeschlagene Kopf des Propheten vor ihr liegt, erkennt sie, was Liebe vielleicht gewesen wäre. Aber da ist es bereits zu spät.

Tanzen Sie die sieben Schleier?
Ich mache das selbst, aber es ist mehr eine rituelle Handlung. Dann kommt noch der Schlussgesang. Da hat Richard Strauss seinen Primadonnen einiges abverlangt.

Sie bebauen in Griechenland einen Olivenhain. Woran erkennt man gutes Öl?
Für mich ist es wichtig, dass die Bäume gepflegt werden und gesund wachsen. Ich verzichte auf Spritzmittel und baue biologisch an. Das Öl hat eine wunderbare Farbe, ein dunkles, sattes Apfelgrün. Es hat einen gewissen Biss.

Premiere am Donnerstag, 19 Uhr, ausverkauft, ebenso alle Folgevorstellungen. Die Aufführung vom 6. Juli wird als "Oper für alle" auf den Max-Joseph-Platz ab 20 Uhr übertragen und ist auch als kostenloser Livestream auf staatsoper.tv zu sehen