Kultur
Rettung durch rauschende Momente
29. Januar 2023, 17:16 Uhr aktualisiert am 30. Januar 2023, 15:22 Uhr
Sie entlockt ihrer Geige scheue Naturlaute. Er legt enormen Ausdruck in so gut wie jede Melodielinie. Ihr Ton schimmert in der Höhe kurz perlmuttartig auf, bevor er verlischt, er treibt das Violoncello in eine hell strahlende Tenorlage. Eldbjorg Hemsing fordert die an sich hellhörige Akustik des Herkulessaales heraus, in dem sie ihre ohnehin fragile und unruhig flackernde Artikulation immer und immer noch weiter zurücknimmt - und unterliegt, wenn sie momentweise in Gänze zu verschwinden scheint.
Daniel Müller-Schott drängt sich nicht nach vorn, aber sein stabiler, flächiger Ton ist wie von selbst immer präsent. In vielen Momenten steht sein Violoncello sogar im Mittelpunkt, weil auch der Pianist Martin Stadtfeld oft zwischen Piano und Pianissimo wählt, wenn in der Partitur eigentlich ein Forte mit einem Akzent steht.
Ludwig van Beethoven sucht in seiner Musik oft griffige Kontraste. Daher schadet es nicht, wenn die Streicher und der Pianist auch in seinem Klaviertrio D-Dur op. 70/1 jeweils ihren eigenen Kopf haben, sich voneinander abgrenzen und nur fallweise aufeinander zubewegen. Doch in diesem Ensemble scheinen die drei für sich renommierten Solisten in drei verschiedenen Welten zu spielen. Selbstverständlich kann es einen schönen Effekt machen, wenn Violine und Violoncello im geheimnisvollen Mittelsatz des Trios, dem das Werk den Beinamen "Geistertrio" verdankt, ihre Dynamik an einen imaginären Nullpunkt annähern. Doch die Norwegerin Eldbjorg Hemsing erreicht diesen Nullpunkt nicht selten tatsächlich, so dass man sie auch auf einem guten Platz schlichtweg nicht mehr hören kann. Statt die Führung zu ergreifen, spielt sie oft nur brav mit.
Dass drei Solisten noch kein Trio ergeben, wenn man darunter eine kammermusikalische Einheit versteht, tritt bei Edvard Grieg weniger krass zutage. Sein Klaviertrio c-moll besteht nur aus einem einzigen Satz, "Andante con moto", in dem Violine und Violoncello deutlich homogener, fast orchestral, streichen und die Abstimmung dadurch leichter fällt.
Im monumentalen Klaviertrio a-moll von Peter Tschaikowsky erklärt sich der Kontrast wie von selbst auf bildliche Art und Weise: Eldbjorg Hemsing und Daniel Müller-Schott können hier zwei Liebende mimen, die sich in den opernhaften Duettpassagen gegenseitig leidenschaftlich befeuern. Wenngleich Martin Stadtfeld die Stellen seines Parts, die so auch in einem der Klavierkonzerte Tschaikowskys stehen könnten, in ihrer Virtuosität ein wenig herunterspielt, kommt ihm doch das rauschende Moment dieses Werkes entgegen. So bleibt eigentlich nur, wieder einmal, der Beitrag Beethovens als die Nuss zurück, die am schwersten zu knacken ist.